Landwirtschaftsminister bei Bauernprotest Özdemir verteidigt seine Politik - und warnt
Pfiffe, aber auch Applaus: Bei einer Kundgebung hat sich Agrarminister Özdemir dem Unmut der Landwirte gestellt. Er habe sich teils erfolgreich für die Rücknahme der Kürzungen eingesetzt. Zugleich warnte er vor der gesellschaftlichen Spaltung.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat bei einer Bauernkundgebung im baden-württembergischen Ellwangen seine Agrarpolitik verteidigt. Er betonte, dass er sich gleich nach Bekanntwerden der Subventionskürzungen durch die Ampel-Spitzen für eine Rücknahme eingesetzt habe. Als Fachminister sei er nicht mit einbezogen worden. "Wäre dies der Fall gewesen, wären die Beschlüsse so nicht gekommen", sagte er.
Künftig dürfe so etwas nicht am grünen Tisch entschieden werden. Auch müsse der Berufsverband zwingend einbezogen werden. "Es kann nicht sein, dass ein Berufsstand über Gebühr strapaziert wird, vor allem ohne dass er vorher Gehör gefunden hat", so Özdemir. Deshalb habe er gesagt, er könne die Beschlüsse so nicht mittragen. Nun sei erreicht worden, dass eine der beiden Maßnahmen vollkommen zurückgezogen wurde.
"Die Kfz-Steuerbefreiung bleibt, die grüne Plakette bleibt ihnen erhalten, das haben wir immerhin schon mal erreicht", sagte Özdemir. Die Beihilfen zum Agrardiesel würden immerhin nicht auf einen Schlag, sondern über drei Jahre abgeschafft. "Das ist ja nicht nix", unterstrich der Minister. "Ich habe schon auch was gemacht, ich habe schon auch was durchgesetzt."
Aufruf zu gegenseitigem Verständnis
Bei dem Besuch bekam der Minister den Unmut der Landwirte zu spüren. Zunächst sprach er vor mehr als 700 Teilnehmern in der Stadthalle, dann forderte ihn die Menge auf, sich Fragen draußen zu stellen. Dem kam Özdemir nach. Seine Worte wurden mit Buhrufen und Trillerpfeifen begleitet. An der Straße entlang der Stadthalle standen laut Polizei rund 600 Traktoren sowie 2.500 Landwirte und Interessierte.
Applaus erntete Özdemir für seinen Aufruf für mehr Wertschätzung und gegenseitiges Verständnis in der Debatte. In der Vergangenheit, vor seinem Amtsantritt als Bundeslandwirtschaftsminister, sei eine Politik gemacht worden, "die hieß: billig für den Export - und nicht Qualität", sagte er. Zudem hätten sich "vier Große" den Lebensmitteleinzelhandel untereinander aufgeteilt. "Waren das alles Grüne? War das alles ich?", fragte der Minister mit Blick auf die Agrarpolitik der vergangenen Jahrzehnte und mahnte "etwas mehr Fairness" an. "Lassen Sie uns das gemeinsam anpacken", sagte er. "Nur so werden wir erfolgreich sein."
Özdemir hob hervor, dass es für "gute Produkte" auch einen angemessenen Preis geben müsse. Wenn es von der Politik Anforderungen an die Landwirtschaft gebe - wie etwa mehr Tierwohl oder mehr Artenvielfalt -, dann müsse die Politik auch die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung stellen. Außerdem müsse die Stellung der Landwirte in der Wertschöpfungskette gestärkt werden. Auch die Entwicklung von Alternativen zum Agrardiesel brachte Özdemir ins Gespräch.
"Mehr Tierschutz muss finanziert werden"
Er rief dazu auf, grundsätzlich über die Rolle der Landwirtschaft zu reden. "Wir haben ein massives Problem, wenn die Interessen von Verbrauchern und Landwirtschaft auseinandergehen", mahnte er. "Der Verbraucher möchte mehr Tierwohl, mehr Klimaschutz, mehr Umwelt- und Artenvielfalt - und das ist auch richtig so. Aber er kauft nicht so ein, auch wenn er sich das leisten könnte."
Es könne nicht sein, dass der Landwirt die Rechnung für die Wünsche der Verbraucher zahle. "Wenn wir beispielsweise mehr Tierschutz im Stall wollen, muss das finanziert werden, etwa durch eine Tierwohlabgabe. Das würde eine maßvolle Belastung beim Fleisch bedeuten - um wenige Cent pro Kilo. Das Geld würde der Landwirtschaft zugutekommen."
Warnung vor "Verhältnissen wie in den USA"
In einem Interview hatte der Minister mit Blick auf die Proteste zuvor vor einer tiefen Spaltung der deutschen Gesellschaft gewarnt. "Die Menschen auf dem Land haben das Gefühl, abgehängt zu sein. Sie sorgen sich, dass sie in einer zunehmend von Städtern dominierten Politik unter die Räder kommen", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Das ist ein gefährlicher Spaltpilz, der zu Verhältnissen wie in den USA führen kann: Man redet nicht mehr miteinander, man glaubt einander nicht mehr und unterstellt sich gegenseitig alles Böse dieser Welt." Özdemir warnte:
Wir dürfen nicht die Schwelle überschreiten, die Amerika mit Donald Trump überschritten hat. Unser Ziel muss es sein, das Land in der Mitte zusammenzuhalten.
Im Zuge von Einsparungen im Bundeshaushalt 2024 soll die Begünstigung beim Agrardiesel schrittweise abgeschafft werden. Bisher können sich Betriebe die Energiesteuer teilweise zurückerstatten lassen - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Ursprünglich wollte die Ampelkoalition die Hilfe sofort ganz streichen. Nun soll es ein Auslaufen über drei Jahre geben. Eine geplante Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte hatte die Bundesregierung bereits in der vergangenen Woche zurückgenommen.