Urteil zu Schadensersatzklage Pechstein scheitert vor dem BGH
Die Eisschnellläuferin Pechstein hat vor dem BGH eine Niederlage erlitten. Die Richter erklärten ihre Schadensersatzklage wegen einer Dopingsperre für unzulässig vor deutschen Gerichten. Damit stärken die Richter den CAS. Pechstein kritisierte das Urteil scharf.
Sportler können auch künftig Urteile des Internationalen Sportgerichtshofs CAS nicht in Deutschland anfechten. Das ist die Konsequenz aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Schadensersatzklage von Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein. Sie wehrte sich mit ihrer Klage gegen ihre Zwei-Jahres-Sperre durch den Eislauf-Verband ISU wegen Dopingverdachts infolge auffälliger Blutwerte.
Das höchste deutsche Zivilgericht wies Pechsteins Klage gegen die ISU als unzulässig zurück. Das Oberlandesgericht München hatte diese zuvor noch angenommen. Die ISU ging dagegen damals in Revision.
"Kein Anspruch auf Zugang zu deutschen Gerichten"
Pechstein habe nach dem CAS-Verfahren Zugang zu den nach internationalem Recht zuständigen schweizerischen Gerichten gehabt, urteilten die Richter. "Ein Anspruch gerade auf Zugang zu den deutschen Gerichten besteht danach nicht", begründete der BGH sein Urteil. BGH-Präsidentin Bettina Limperg bezeichnete den CAS "im Gesamtbild" als "unabhängig und neutral": "Er ist ein echtes Schiedsgericht."
Mit dem Urteil müssen sich Sportler auch künftig allein der Sportgerichtsbarkeit unterwerfen. Damit gibt es für sie in Deutschland keine Wahlmöglichkeit zwischen Sportschieds- und Zivilgerichten. Pechsteins Fall kann demnach nicht am Oberlandesgericht München neu aufgerollt werden. Pechstein kündigte an, sich nun an das Bundesverfassungsgericht zu wenden.
Pechstein: "Sportler genießen keinen Rechtsschutz"
Pechstein kritisierte das Urteil scharf: "Jeder Flüchtling, der in Deutschland einreist und registriert wird, genießt Rechtsschutz. Aber wir Sportler nicht." Sie habe immer "einen festen Glauben" an die deutsche Justiz gehabt - "der hat jetzt aber einen Dämpfer erhalten". Der CAS sei kein unabhängiges Gericht.
Pechstein, die als Polizeihauptmeisterin der Bundespolizei vor Gericht in Uniform erschienen war, monierte auch die Begründung des Gerichts als "Farce", sie habe vor der Weltmeisterschaft 2009 die Schiedsgerichtsvereinbarung freiwillig unterschrieben. Damit unterwarf sie sich der Sportschiedgerichtsbarkeit. Jeder wisse, dass ein Sportler nicht an internationalen Wettbewerben teilnehmen dürfe, wenn er nicht unterzeichne, sagte Pechstein dazu. Sie kündigte an, vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen und eine Sportlergewerkschaft zu gründen.
Pechsteins Anwalt Thomas Summerer sprach von einem "mutlosen Gericht". "Das war noch nicht das letzte Wort", sagte er. Der BGH habe "die Bedeutung und die Tragweite der Grundrechte für Sportler völlig ignoriert" und das Urteil gezeigt, "dass Sportler nun Bürger zweiter Klasse seien". Sie würden schlechter behandelt als alle anderen Bürger.
ISU: "Ein guter Tag für den Sport"
ISU-Anwalt Christian Keidel räumte ein, er habe ein so eindeutiges Urteil nicht erwartet. Vor dem Bundesverfassungsgericht würde es für Pechstein noch schwieriger. Im gesamten Prozess sei nicht infrage gestellt worden, dass es eine Sportschiedsgerichtbarkeit geben müsse: "Deswegen ist es ein guter Tag für den Sport."
Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) begrüßte das Urteil. Der BGH habe den Rechtsweg über echte Schiedsgerichte in vollem Umfang bestätigt. Nur um diesen Rechtsweg sei es in dem Verfahren gegangen. "Unabhängig von der Entscheidung des BGH tut es uns für Claudia Pechstein persönlich leid, dass ihr langer Kampf um Schadensersatz vor deutschen Zivilgerichten nicht erfolgreich war", erklärte der Verband weiter. Die Nationale Anti-Doping-Agentur erklärte, man nehme das Urteil zur Kenntnis. Wichtig sei es, das Vertrauen in die Schiedsgerichtsbarkeit zu stärken.
Der Internationale Sportgerichtshof CAS teilte in einer Erklärung mit: "Das ist die Bestätigung dafür, dass Claudia Pechstein einen fairen Prozess hatte, nicht nur vor dem CAS, sondern auch vor dem Schweizer Bundesgericht (SFT), und dass das Urteil des SFT, das nach wie vor Bestand hat, diesen Fall 2010 definitiv geklärt hat." Der CAS bekräftigte: "Das heißt, dass deutsche Gerichte keine rechtliche Zuständigkeit haben, eine endgültige CAS-Entscheidung zu revidieren." Noch wichtiger sei, wird in dem Statement betont, dass der BGH festgestellt hat, dass der CAS ein "echtes Schiedsgericht" im Sinne des deutschen Rechts sei.
Pechstein will fünf Millionen Euro
Die 44-Jährige hat laut eigenen Angaben nie gedopt und verklagte die ISU auf Schadenersatz in Höhe von mehr als fünf Millionen Euro. Internationale Hämatologen hatten nachgewiesen, dass Pechsteins Blutwerte nicht durch Doping, sondern durch eine vom Vater geerbte Blutanomalie hervorgerufen wurden.
Hämatologen begründen die hohen Retikulozyten-Werte Pechsteins mit einer Blut-Anomalie - genannt Sphärozytose - und schließen ein Doping durch EPO oder analog wirkenden Substanzen aus. Sie habe die seltene Anomalie von ihrem Vater geerbt.
Laut Gutachten wurden bei Pechstein schon vor rund sechs Jahren Veränderungen des roten Blutbildes festgestellt. Experten halten eine erbliche Kugelzellenanämie für wahrscheinlich - und damit eine Störung im Aufbau der roten Blutzellen. Bei dieser Form der Blutarmut trägt ein Defekt in der Zellwand der Blutkörperchen dazu bei, dass diese nicht plattgedrückt werden, sondern kugelförmig bleiben.
Der Befund Sphärozytose kommt bei weniger als einem Prozent der Bevölkerung vor. Die Fälle sind ohne genaue medizinische Analyse nicht feststellbar. Die schwereren Fälle dürften aber nur etwa 0,2 Prozent betreffen.
Quelle: dpa