Mehr Unabhängigkeit bei Aufklärung BND soll eigene Satelliten bekommen
Der BND soll nach Informationen von NDR, WDR und SZ mit einem eigenen Satelliten-System ausgestattet werden. Ein entsprechendes Projekt wurde im Vertrauensgremium beschlossen. Die Satelliten sollen den Dienst ab 2022 mit hochauflösenden Bildern versorgen.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) wird offenbar ein System von Aufklärungs-Satelliten bekommen. Eine erste Finanzierung des Projekts hat das geheim tagende Vertrauensgremium des Bundestages nach Informationen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" in dieser Woche bewilligt.
Es folgt damit einem entsprechenden Vorschlag des Bundeskanzleramts. Die Entwicklung stellt ein Novum in der Geschichte des BND dar, bislang verfügte der deutsche Auslandsgeheimdienst über keinen eigenen Satelliten.
Das System soll aus mehreren Satelliten und einer Bodenstation bestehen. An der Entwicklung sollen demnach auch die Bundeswehr und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt beteiligt sein. Das Projekt soll mindestens 400 Millionen Euro kosten. Inwiefern die Bundeswehr sich finanziell beteiligt, ist unklar. Der Verteidigungsausschuss ist offenbar über das Projekt bislang nicht informiert worden.
Das System soll dem BND spätestens ab 2022 hochauflösende Bildaufnahmen liefern, auf denen Objekte ab einer Größe von 30 Zentimetern zu erkennen sein sollen. Die endgültige Bewilligung im Haushaltsplan ist daran geknüpft, dass der BND ein Unternehmen finden muss, dass das zuvor erarbeitete technische Entwicklungskonzept umsetzt und den Satelliten baut.
Größere Unabhängigkeit und Flexibilität
Bislang ist der BND auf das Satelliten-Aufklärungssystem "SAR-Lupe" der Bundeswehr angewiesen oder kauft Satelliten-Bilder von kommerziellen Anbietern an. Auch von Partnerdiensten bekommt der BND Bildmaterial. Aus dieser Abhängigkeit möchte sich der BND schon seit langer Zeit befreien, mit einem eigenen System - etwa um Konflikte wie in der Ukraine besser überwachen zu können.
Als im Juli 2014 das Passagierflugzeug MH17 über der Ostukraine abgeschossen wurde, waren gleich zwei Bundeswehr-Satelliten in ihrer Umlaufbahn unmittelbar über dem mutmaßlichen Abschuss-Ort. Dennoch lagen der Regierung keine Bilder zur Auswertung vor. Das geht aus einer schriftlichen Frage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor. Mit einem eigenen Satelliten erhofft sich der BND in ähnlichen Situationen offenbar eine höhere Flexibilität. Außerdem soll er mit einer Technologie bestückt werden, um Industrieanlagen überwachen zu können - zum Beispiel als Frühwarnsystem für die Produktion von Massenvernichtungswaffen.
Kehrtwende in der Sicherheitspolitik
Es gab bereits einmal Pläne, ein Satelliten-System zu entwickeln, dass unter anderem den BND bei der Aufklärungsarbeit hätte unterstützen sollen. Damals wollte die Bundesregierung das Projekt gemeinsam mit der US-Regierung stemmen: Unter dem Namen "HiROS" sollte ein Verbund aus sechs Klein-Satelliten entstehen, jeweils drei deutsche und drei amerikanische. Neben einer zivilen Nutzung hätte das Satelliten-System auch zur Aufklärungsarbeit dienen sollen. "HiROS" wurde allerdings im Jahr 2011 eingestellt, bevor es in Betrieb gehen konnte, weil es keine Einigkeit bei der Finanzierung gab.
Dass die Bundesregierung dem BND nun ein eigenes Satelliten-Projekts bewilligen möchte, ist die Folge einer Kehrtwende in der Sicherheitspolitik: Die Regierung plant, Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz mit üppigen Budget-Erhöhungen und zahlreichen neuen Stellen auszustatten.
Allein die Bundespolizei soll bis 2020 insgesamt 7000 neue Stellen erhalten, der Verfassungsschutz bis 2019 über 1100. Beim BND sollen im kommenden Jahr mehr als 400 neue Stellen geschaffen werden. Die Regierung begründet das mit der veränderten Sicherheitslage und der Bedrohung durch Terrorismus. Auch soll die Abhängigkeit von ausländischen Diensten verringert werden. Über die Haushaltspläne wird der Bundestag abschließend in den kommenden Wochen entscheiden.