Kritik an "Demokratie leben" Bundesmittel für Islamisten?
Im Kampf gegen die Radikalisierung junger Muslime hat das Bundesfamilienministerium einen Moschee-Verband in Hessen und Rheinland-Pfalz zum Partner gemacht. Nach HR-Recherchen sind darunter Institutionen, die den Muslimbrüdern nahestehen. Verfassungsschützer sehen in dieser Organisation eine Bedrohung für die Demokratie.
Das Bundesfamilienministerium hat Ende 2015 den Deutsch-Islamischen Vereinsverband Rhein-Main e.V. (DIV) in das Bundesprogramm "Demokratie leben" zur Bekämpfung islamistischen Extremismus aufgenommen. Der DIV hat nach hr-iNFO-Recherchen unter seinen Mitgliedern jedoch Organisationen, die laut hessischem Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) dem weltweiten Netzwerk der Muslimbruderschaft zugeordnet werden können. Ideologie und Ziele der Muslimbruderschaft, wie die Errichtung eines weltweiten Gottesstaates auf der Grundlage des Korans, gefährden nach Einschätzung mehrerer Verfassungsschutzbehörden die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Deutschland.
"Demokratie leben" unterstützt gesellschaftliche Gruppen und Initiativen, die sich in der Arbeit mit Jugendlichen engagieren, die in den Extremismus abzurutschen drohen. Einer der Schwerpunkte ist dabei die Radikalisierungsprävention gegen gewaltorientierten Islamismus, Salafismus und Antisemitismus.
Der DIV hat nach eigenen Angaben derzeit 47 Mitgliedsorganisationen in Hessen und Rheinland-Pfalz. Der Moschee-Verband bekommt bis zu fünf Jahre lang jährlich rund 86.000 Euro vom Bund für das Projekt "Aktion kontra Radikalisierung muslimischer Jugendlicher". Imame und islamische Gelehrte sollen Jugendliche, die in die Radikalisierung abzurutschen drohen, von demokratischen Werten und Gesellschaftsmodellen überzeugen.
Ausbildungsstätte für Imame nicht staatlich anerkannt
Nach eigenen Angaben gehört dem DIV das Europäische Institut für Humanwissenschaften (EIHW) in Frankfurt am Main an. Die Ausbildungsstätte für Imame und Theologen ist nicht als staatliche Hochschule anerkannt. Laut dem hessischen Verfassungsschutz kann das EIHW als "Kaderschmiede für Muslimbruderschafts-Funktionäre betrachtet werden".
Ähnlich bewertet auch der bayerische Verfassungsschutz das EIHW. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht heißt es, dass das EIHW auch Blockunterricht in München anbietet. Außerdem gehört dem DIV der "Verein Islamische Informations- und Serviceleistungen e.V." (IIS) in Frankfurt an.
Der Verein wird vom LfV "der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e. V. (IGD) zugeordnet“. Die IGD wiederum gilt als die mitgliederstärkste Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft in Deutschland. Laut dem bayerischen Verfassungsschutzbericht fährt die Muslimbruderschaft eine Doppelstrategie:
Nach außen gibt sie sich offen, tolerant und dialogbereit und strebt eine Zusammenarbeit mit politischen Institutionen und Entscheidungsträgern an, um so Einfluss im öffentlichen Leben zu gewinnen. Ihr Ziel bleibt aber die Errichtung einer auf der Scharia basierenden gesellschaftlichen und politischen Ordnung.
Beim Bundesfamilienministerium heißt es, man befinde sich in Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium und verschiedenen Sicherheitsbehörden. Wenn sich im Projektverlauf neue Erkenntnisse ergeben, die eine Neubewertung erforderlich machen, würde man daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen. Weder DIV noch seine beiden Mitglieder EIHW und IIS haben sich bislang auf hr-iNFO Anfrage zu den Vorwürfen geäußert. Doch im Bundestag werden Zweifel daran laut, ob der DIV der richtige Partner für die Demokratieförderung ist.
"Es darf nicht sein, dass wir Extremisten unterstützen"
"Es kann nicht sein, dass radikale Islamisten Fördermittel des Bundes erhalten. Hier muss dringend für Aufklärung gesorgt werden“, erklärt der Vorsitzende der Jungen Union Hessen, der Bundestagsabgeordnete Stefan Heck gegenüber dem HR. Er hält es für unerlässlich, dass Institutionen und Vereine, die aus öffentlichen Mitteln gefördert werden, auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.
Auch die CDU-Bundestagsabgeordnete und Familienpolitikerin Sylvia Pantel sieht Aufklärungsbedarf. Sie will im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages klären lassen, wofür die Gelder des Bundesprogramms ausgegeben werden. "Es darf nicht sein, dass wir Extremisten unterstützen, statt echte Integration in unsere Gesellschaft zu fördern", so Pantel.
Familienministerin Schwesig hat 2014 die "Demokratieerklärung" abgeschafft, nach der Organisationen, die staatliche Förderung zur Extremismusbekämpfung bekommen, ein schriftliches Bekenntnis zum Grundgesetz ablegen müssen. Ihre Vorgängerin, Kristina Schröder (CDU) sieht sich angesichts des Verdachts der Förderung des DIV bestätigt: "Es ist bedauerlich, dass die Demokratieerklärung zurückgenommen wurde. Sie hatte ihre Berechtigung."