Bundestagswahl 2025

Wahlplakate der SPD (l-r), FDP und Die Linke stehen in der Innenstadt von Magdeburg an einer Straße.

Drohungen und Gewalt Wenn Wahlkämpfer angegriffen werden

Stand: 02.02.2025 13:12 Uhr

Tätliche Angriffe, verbale Gewalt, Sachbeschädigung - all das erleben Wahlkämpfer. Vielerorts bieten Parteien Workshops an, die sie für das Risiko sensibilisieren.

Von Thomas Denzel, Theresa Krampfl, Laura Uzupyte, SWR

Dass er als Wahlkämpfer zur Zielscheibe werden kann, weiß Kai-Uwe Herrenkind aus eigener Erfahrung. Für die SPD Mannheim ist er Wahlkampfleiter für die Bundestagswahl, vergangenes Jahr hat er im Europawahlkampf für die Partei geworben.

Damals hat ihn beim Aufhängen von Plakaten ein Mann angegriffen. "Er hat mich weggeschubst und vor meiner Nase das Plakat wieder von der Laterne gerissen", erzählt Kai-Uwe Herrenkind. Die beiden Frauen, die mit dem Angreifer unterwegs waren, hätten ihn dann zurückgehalten. "Sonst wäre das möglicherweise noch weiter eskaliert", denkt der Mannheimer Sozialdemokrat.

Vorfälle auch im aktuellen Wahlkampf

Die politische Arbeit rund um die Europa- und Kommunalwahl 2024 haben die Parteien vielerorts als rauer erlebt als die Wahlkämpfe in den Jahren zuvor. Auch im laufenden Bundestagswahlkampf berichten sie deutschlandweit wieder von Angriffen.

In Bookholzberg in Niedersachsen habe ein Mann drei Wahlkämpfer der Grünen attackiert. Er habe sie beleidigt und einem Mitglied des Plakatier-Teams ins Gesicht geschlagen. In Greifswald in Vorpommern seien Eier auf einen Infostand der SPD geworfen worden.

Ein Bundestagskandidat der CDU schildert einen Zwischenfall in Leipzig: Ein vorbeifahrender Radfahrer habe ihn beim Plakatieren mit einem Gegenstand beworfen und ihn am Kopf verletzt. Im bayerischen Augsburg soll ein Mann eine Frau beim Plakatieren für die SPD bedrängt und ihr Schläge angedroht haben. Eine zufällige Auswahl, die Sorge vor Angriffen beschäftigt Angehörige aller Parteien.

Workshops für mehr Sicherheit

Die SPD in Baden-Württemberg zum Beispiel trainiert ihre Wahlkämpfer in Workshops. Nicht erst seit solchen Zwischenfällen, doch weil sie häufiger vorkommen als noch vor Jahren, spielt der Aspekt Sicherheit eine immer größere Rolle.

In Tübingen sind 16 SPD-Wahlkämpfer zusammengekommen. Es geht darum, wie man Diskussionen mit Wählerinnen und Wählern führt, aber auch wie man verhindert, dass diese in Gewalt münden. Verbale Angriffe haben einige der Teilnehmer schon erlebt. Der 19-jährige Tobias Tuchel war schon im Kommunal-Wahlkampf 2024 dabei und ist damals auf der Straße angebrüllt worden. "Das war zwar überhaupt nicht handgreiflich", erinnert er sich. "Aber im Hinterkopf hat man das dann natürlich schon."

Vor allem der Wahlkampf auf der Straße und das Plakatieren können gefährlich werden, sagt Workshop-Leiter Mario Sander. Aber auch beim Wahlkampf an der Haustür rate er zur Vorsicht. "Wenn eine Person sich klar äußert, SPD wähle ich sowieso nicht, dann ermutigen wir nicht, ein langes Gespräch zu führen", erklärt er.

Mehr als ein Drittel der Kommunalpolitiker hat Gewalt erlebt

Eine bundesweite Statistik dazu, wie häufig es im laufenden Wahlkampf zu Angriffen gekommen ist, oder dazu, ob bestimmte Parteien besonders häufig betroffen sind, gibt es nicht. Ein Indikator, wie groß in Deutschland die Gewaltbereitschaft gegen Politiker ist, ist die regelmäßige Umfrage des Bundeskriminalamts unter Kommunalpolitikern. Eine Bilanz der Monate Juli bis Dezember 2024 wird das BKA im März veröffentlichen.

In einem Interview mit der tagesschau fasst die Autorin der Studie, Kirsten Eberspach, vorab die Kernergebnisse zusammen. Demnach berichtet mehr als ein Drittel der Befragten von Anfeindungen. Auch tätliche Angriffe gebe es. "Das ist aber Gott sei Dank der kleinste Teil", sagt sie. Meist handele es sich um Sachbeschädigungen an Haus und Fahrzeugen, Beleidigungen und Beschimpfungen.

Bei Frauen käme es häufig zu sexueller Belästigung oder zur Androhung von Gewalt gegen Familienmitglieder. 80 Prozent derer, die Anfeindungen erlebt haben, sagen, sie spürten nun physische und psychische Folgen - zum Beispiel Schlafstörungen, depressive Verstimmungen oder Konzentrationsschwierigkeiten.

"Das hat ein demokratiegefährdendes Potenzial"

Jede zehnte betroffene Person erwägt nun, die politische Arbeit zu beenden. "Das hat ein demokratiegefährdendes Potenzial, denn wir brauchen das politische Engagement, das ja oft ehrenamtlich ist", sagt Kirsten Eberspach. "Wir müssen schauen, wie wir diese Menschen besser schützen können."

In Mannheim gehen sie nun nur noch mindestens zu zweit Plakatieren. Am liebsten tagsüber, doch im Winterwahlkampf lässt sich die Arbeit im Dunkeln nicht ganz vermeiden. Aufzuhören kommt für Kai-Uwe Herrenkind nicht in Frage. "Einschüchterung ist doch genau das, was hier bezweckt wird", sagt er. In Mannheim sei es im aktuellen Wahlkampf nicht ganz so schlimm wie vergangenes Jahr, so seine Einschätzung.

Es gibt allerdings auch diesmal wieder einen Zwischenfall. Er und sein Team werden aus einem vorbeifahrenden Auto angebrüllt. "Haut ab!", ruft der Fahrer. Das aber, sagt der Mannheimer SPD-Mann, seien Momente, in welchen er sich sage: "Jetzt erst recht!"

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR Aktuell am 23. Januar 2025 um 19:30 Uhr.