Bundestagswahl 2025

Olaf Scholz

Debatte über Migration Scholz warnt Union vor Abstimmung mit der AfD

Stand: 28.01.2025 12:09 Uhr

Die Union will daran festhalten, ihre Anträge für eine schärfere Migrationspolitik in den Bundestag zu bringen - und die AfD deutet Zustimmung an. Kanzler Scholz warnte die Union davor, mit der AfD gemeinsame Sache zu machen.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Union aufgefordert, ihren Widerstand gegen vorliegende Gesetzentwürfe zu schärferen Asyl- und Sicherheitsmaßnahmen aufzugeben. Es sei "empörend", dass CDU/CSU einerseits unausgegorene oder klar rechtswidrige Vorschläge mache, es andererseits aber konkrete Vorschläge der Regierung gebe, die gerade von der Union aufgehalten würden, sagte der SPD-Kanzlerkandidat im Morgenmagazin.

So lägen Gesetzentwürfe zu besseren Handlungsmöglichkeiten der Polizei mit biometrischen Abgleichen, ein Gesetz zur Verbesserung der Möglichkeiten der Bundespolizei sowie ein Gesetz für das europäische Asylsystem vor, das viele der Fragen löse, die die Menschen jetzt umtrieben. Im übrigen habe die Regierung dafür gesorgt, dass es 2024 bereits 40.000 Zurückweisungen an den deutschen Grenzen gegeben habe.

Scholz warnt vor möglicher Koalition aus Union und AfD

Der SPD-Politiker warf der oppositionellen Union mangelnden Willen zu einer Verständigung vor. Stattdessen liebäugele Merz mit der Durchsetzung eigener Projekte zusammen mit der AfD. "Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich schon fragen, ob sie sich darauf verlassen können, dass, falls es eine Mehrheit von CDU und AfD gäbe, es nicht doch eine schwarz-blaue Koalition gibt", sagte Scholz in Anspielung auf die sogenannte Brandmauer-Debatte, also die bisherige Nicht-Kooperation der Parteien der politischen Mitte mit der AfD. Das müsse verhindert werden, so Scholz weiter.

"Schwarz-blaue Koalition muss verhindert werden", Olaf Scholz, Bundeskanzler, SPD, zur Migrationsdebatte

Morgenmagazin, 28.01.2025 05:30 Uhr

Zugleich appellieren sieben SPD-Ministerpräsidentinnen und Länderchefs in einem gemeinsamen Brief an ihre Unions-Kollegen: "Uns bewegt die Sorge, dass am Mittwoch im Deutschen Bundestag demokratische Politikerinnen und Politiker in dieser Frage gemeinsam mit Mitgliedern der AfD abstimmen - einer Partei, die in immer mehr Ländern als gesichert rechtsextrem eingestuft ist", schreiben die sieben Länderchefs. "Die Brandmauer zwischen demokratischen und undemokratischen Parteien darf nicht ins Wanken geraten."

Frei: Union will über Anträge abstimmen lassen

Die Spitze der Unionsfraktion hält allerdings daran fest, über Anträge für eine härtere Migrationspolitik am Mittwoch im Bundestag abstimmen zu lassen - obwohl eine Mehrheit nur mit der AfD möglich sein dürfte. "Wir können uns von niemandem davon abhalten lassen, die Politik, die wir für richtig halten, auch in den Bundestag einzubringen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag, Thorsten Frei (CDU). Dies gelte sowohl für die AfD als auch für SPD und Grüne.

Frei betonte, die Union arbeite nicht mit der AfD zusammen, gebe ihren Vertretern die Antragsentwürfe nicht und spreche sich nicht mit der AfD ab. Man frage auch deren Abstimmungsverhalten im Parlament nicht ab. Wenn man Extremisten und Populisten kleiner machen wolle, müsse man die Probleme lösen, auf denen diese gedeihen würden. Die Union strebe keine Mehrheit mit der AfD und dem BSW an, sondern rufe SPD und Grüne auf, für die Anträge zu stimmen. Er appelliere in dieser Frage an das Verantwortungsbewusstsein der Parteien der politischen Mitte.

Union nennt SPD-Vorschläge Placebo-Politik

Frei wies auch den SPD-Vorstoß zurück, in dieser Woche vorliegenden Regierungsentwürfen zu einer Mehrheit im Bundestag zu verhelfen. Der CDU-Politiker sprach von einer reinen Placebo-Politik der SPD, die nicht für mehr Sicherheit sorgen werde.

AfD-Fraktion will sich heute festlegen

Die AfD-Bundestagsfraktion will bei ihrer Sitzung am Nachmittag endgültig darüber entscheiden, ob sie in dieser Woche allen Vorlagen der CDU/CSU zur Migrationspolitik zustimmt. Klar sei bereits, dass die AfD-Abgeordneten für den Gesetzesentwurf der Union stimmen, der die Forderung nach einer Begrenzung der Migration ins Aufenthaltsgesetz einfügt, sagte AfD-Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann. 

Offen sei hingegen noch, ob seine Fraktion zwei weiteren Anträgen von CDU/CSU zur Begrenzung der Migration und zur Stärkung der inneren Sicherheit zustimmen werde, sagte Baumann weiter. Inhaltlich stehe die AfD "letztlich dahinter", sagte Baumann mit Blick auf die Unionsanträge.

Mit seiner Bereitschaft, Vorlagen im Plenum notfalls auch mit Stimmen der AfD verabschieden zu lassen, habe Unions-Fraktionschef Friedrich Merz "den Kern der Brandmauer eingerissen". Merz zeige, dass solche Voten mithilfe der AfD im Bundestag "prinzipiell möglich" seien, sagte Baumann. "Dahinter kann er nicht mehr zurück."

Mehrheit mit AfD, BSW und FDP?

Hintergrund der Migrationsdebatte sind zwei Anträge für eine Wende in der Asylpolitik und zur Verschärfung von Sicherheitsgesetzen, die die Union am Mittwoch im Bundestag zu Abstimmung stellen will. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will zudem am Freitag ihren Entwurf eines sogenannten Zustrombegrenzungsgesetzes im Bundestag zur Abstimmung stellen - und notfalls mit den Stimmen von AfD, BSW und FDP durchsetzen.

Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios könnte es dank dieser Stimmen eine knappe Mehrheit bekommen. Dann hätten Union und FDP erstmals gemeinsam mit BSW und AfD ein Gesetz beschlossen. Schon am Mittwoch könnte mit gleicher Mehrheit ein Antrag der Union zu Grenzschließungen erfolgreich verabschiedet werden.

Unions-Kanzlerkandidat Merz hatte SPD und Grüne zur Zustimmung aufgefordert und gesagt, dass nun gehandelt werden müsse. Deshalb schloss er nicht aus, dass die Unions-Vorhaben erstmals auch mit AfD-Stimmen durchgesetzt werden könnten.

Sollte dieser Weg am Freitag gegangen werden, wäre dies ein mehrfacher Präzedenzfall. Zum einen würde die größte Oppositionspartei ein Gesetz durchsetzen, während Kanzler Scholz mit der amtierenden rot-grünen Minderheitsregierung keine Mehrheit mehr hat. Zum anderen galt es bisher in der bundesrepublikanischen Geschichte als Tabu, bei einer Abstimmung auf die Stimmen der AfD angewiesen zu sein, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall und in drei Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD-Morgenmagazin am 28. Januar 2025 um 08:09 Uhr.