Kritik an Guttenbergs Bundeswehrreform Bestelltes Haus oder Bruchbude?
Ein "bestelltes Haus" habe er hinterlassen, sagte Guttenberg bei seinem Rücktritt als Verteidigungsminister - doch es mehren sich die Zweifel. Nachfolger de Maizière soll laut "Spiegel" von "unhaltbaren Zuständen" gesprochen haben. Das Ministerium dementierte das. Auch in der CSU gibt es Kritik am Ex-Hoffnungsträger.
Bruchbude, Baustelle oder bestelltes Haus - wie steht es um die Bundeswehrreform? Als Karl-Theodor zu Guttenberg Anfang März wegen der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit als Verteidigungsminister zurücktrat, sprach er von einem "bestellten Haus", das er seinem Nachfolger überlasse. Dieser sieht das aber offenbar völlig anders. Thomas de Maizière (CDU) soll nach einem Bericht des "Spiegel" von unhaltbaren Zuständen im Verteidigungsministerium gesprochen haben. In der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der vergangenen Woche habe er auf überkommene Strukturen und unzulängliche Planungsarbeiten hingewiesen. Das hätten mehrere Teilnehmer übereinstimmend berichtet, schreibt das Nachrichtenmagazin. "Er beklagte, dass die Bundeswehr in ihrem jetzigen Zustand ihre Aufgabe nicht erfüllen könne", zitierte auch die Nachrichtenagentur Reuters einen Teilnehmer. Zudem sei die Rüstungsplanung in einem "katastrophalen" Zustand. Auch wegen überlanger Planungszeiträume erhalte die Armee zum Teil veraltetes, nicht mehr zu gebrauchendes Gerät.
"Knallharte Abrechnung"
Fraktionsmitglieder bezeichneten die Äußerungen des neuen Verteidigungsministers laut "Spiegel" als "knallharte Abrechnung". Der Name Guttenberg sei aber nicht gefallen. De Maizière habe immer nur von seinem Vorgänger gesprochen.
Konkret regte sich de Maizière demnach über die große Anzahl von Stäben im Haus auf, deren Sinn sich ihm nicht erschlossen habe. Ein Stab kontrolliere wohl den anderen Stab, soll der CDU-Politiker gelästert haben. Die Vorbereitungen für die Umstellung der Bundeswehr auf ein Freiwilligenarmee nach dem Aussetzen der Wehrpflicht seien unzureichend. Es sei eine große Herausforderung, ausreichend qualifizierte Bewerber zu finden.
Ministerium dementiert Darstellung
Das Verteidigungsministerium wies den "Spiegel"-Bericht zurück. "Es ist nicht seine Art, über seinen Vorgänger zu werten", sagte ein Ministeriumssprecher. In der fraglichen Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag habe de Maizière die Abgeordneten "ausschließlich über die anstehenden Vorhaben informiert" und nicht über das, was er bei der Übernahme des Ministeriums vorgefunden habe.
Inzwischen meldete sich auch de Maizière selbst zu Wort. Im Interview mit dem ZDF sagte der Minister: "Die Wunschzahlen, die ich vorgefunden habe, passten mit den Planungen der mittelfristigen Finanzplanung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zusammen."
CSU spart nicht mit Kritik
Ein mulmiges Gefühl in Sachen Bundeswehrreform hat aber inzwischen wohl auch die bayerische Landesregierung - allen voran Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer. Ihm sei das ganze Ausmaß der mit der Bundeswehrreform zusammenhängenden Probleme erst nach einem Gespräch mit de Maizière so richtig deutlich geworden sei. "Nicht die Energiewende, die Bundeswehr ist meine mit Abstand größte Sorge", sagte Seehofer. "Soldaten, Arbeitsplätze, Standorte - die Fragen sind ungelöst."
Kritik kam auch von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Jetzt zeige sich, "dass die ganze Diskussion um Freiwillige völlig in den Sternen steht". Hermann gab sich pessimistisch: "Das Ergebnis ist jetzt, dass wir bald eine Reihe leer stehender Kasernen haben werden." Seehofer und Herrmann hatten die Abschaffung der Wehrpflicht schon früher skeptisch beurteilt. Sie konnten sich aber gegen den damaligen Verteidigungsminister Guttenberg nicht durchsetzen - unter anderem, weil dieser von einer Welle des Zuspruchs getragen wurde.
Einem Bericht der "Augsburger Allgemeinen" zufolge gibt es in der CSU-Führung auch die Sorge, dass die von Guttenberg eingeleitete Neuausrichtung der Bundeswehr insbesondere für Bayern mit seinen vielen Standorten und der starken Rüstungsindustrie massive Probleme nach sich zieht. Ein nicht namentlich genanntes Mitglied der Staatsregierung sagte der Zeitung, Guttenberg habe ein "militär- und strukturpolitisches Desaster" hinterlassen. Ein anderes CSU-Vorstandsmitglied monierte dem Blatt zufolge, Guttenberg habe freiwillig Sparzusagen in Milliardenhöhe gemacht, "nur um sich von der 'Bild'-Zeitung als 'Spargott' feiern zu lassen".
"Schlecht" und "undurchdacht"
Dass die Debatte um die Bundeswehrreform gerade jetzt wieder an Fahrt gewinnt, hat einen Grund: An diesem Mittwoch will Verteidigungsminister de Maizière Eckpunkte zur Reform bekanntgeben. Wegen der Probleme, die immer offensichtlicher zutage treten, hatte de Maizière bereits angekündigt, dass die Reform nicht mehr in dieser Wahlperiode zu bewältigen ist. Das sieht der Bundeswehrverband ähnlich. Es sei unmöglich, die Bundeswehrreform bis 2013 komplett zu schaffen, sagte der Verbandsvorsitzende Ulrich Kirsch der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Wehrpflicht sei "beerdigt worden auf eine Art und Weise, wie sie es nicht verdient hat", kritisierte er. Dass jetzt auch Unions-Abgeordnete für eine Umkehr plädierten, sei der Beweis, wie schlecht und undurchdacht die Dinge gelaufen seien. "Wir sparen dadurch keinen Cent. Im Gegenteil: Die Streitkräfte werden teurer." Es seien deutlich mehr Anreize nötig, wenn das geplante Konzept der Freiwilligenarmee funktionieren solle.
Nach der bisherigen Beschlusslage des Bundeskabinetts soll die Bundeswehr von derzeit 226.000 auf bis zu 185.000 Soldaten verkleinert werden. Die allgemeine Wehrpflicht soll ausgesetzt und ein Freiwilligendienst eingeführt werden. Zuletzt wurde ein Sparvolumen von 8,3 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre genannt. Entscheidungen über Standortschließungen sollen frühestens im Herbst bekannt gegeben werden.