Coronavirus in Deutschland Risiko: mäßig
Wie gefährlich ist das Coronavirus? Das Robert Koch-Institut hat inzwischen seine Bewertung auf "mäßig" hochgestuft. Die Lage müsse jeden Tag neu betrachtet werden.
Der Präsident des Robert Koch-Institutes (RKI), Lothar Wieler, hat in einer Pressekonferenz von Experten auf die Dynamik der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus hingewiesen - weltweit und in Deutschland. Er bestätigte, dass jetzt in zehn der 16 Bundesländer Fälle des neuartigen Coronavirus nachgewiesen seien. Am Abend lag die Zahl der Infizierten bundesweit bei mehr als 150.
Das RKI setzte die Bewertung des neuen Coronavirus für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland leicht herauf. Die Risikoeinschätzung sei auf "mäßig" gestellt worden, sagte Wieler. Bisher wurde sie als "gering bis mäßig" eingestuft. Die Lage müsse wirklich jeden Tag neu bewertet werden.
Er verstehe die Angst der Bevölkerung, betonte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Er riet Patienten mit Symptomen, die Kontakt zu Infizierten gehabt haben oder aus einem Risikogebiet zurückgekehrt seien, nicht in Arztpraxen zu gehen, sondern sich telefonisch, über Hotlines und behördlichen Websites zum Coronavirus zu informieren.
Spahn: Schließung von Grenzen unverhältnismäßig
Eine Schließung von Grenzen halte er weiter nicht für nötig. Auch die Absage von Großveranstaltungen oder die Schließung von Unternehmen sei weiter nicht verhältnismäßig und angemessen, Grenzschließungen hätten massive Auswirkungen, sagte Spahn.
Auch gegen den Stopp von Direktflügen zwischen China und Deutschland wandte sich Spahn. Ein solcher Schritt könne dazu führen, dass bis zu rund 30.000 Deutsche aus China ausgeflogen werden müssten.
Ungewöhnlicher Fall bei BMW in München
Bei Firmen und Veranstaltungen zähle immer der Einzelfall, so Spahn. Es mache einen Unterschied, ob ein Betrieb lediglich regional tätig sei oder in einen internationalen Konzern regelmäßig Mitarbeiter aus dem Ausland kämen.
Bei BMW in München wurde ein Mitarbeiter positiv getestet, der dem Unternehmen zufolge nicht auf Reisen gewesen sei. Rund 150 Mitarbeiter seiner Abteilung, die mit ihm Kontakt hatten, seien jetzt für zwei Wochen zu Hause in Quarantäne, die Großraumbüros würden desinfiziert. Dem Mann gehe es den Umständen entsprechend gut, sagte eine Sprecherin.
Experten-Pressekonferenz mit Jens Spahn und Mitgliedern des Robert-Koch-Instituts
Auflagen statt Absagen
Für Großveranstaltungen gelten laut Spahn unter anderem die Parameter: "Wie ist der Teilnehmerkreis? Sind Teilnehmer aus Risikogebieten dabei?" Auch die Frage nach der Belüftung sei wichtig. Statt eine Veranstaltung abzusagen, könnten auch Auflagen gemacht werden. Nur die Gesundheitsbehörden vor Ort könnten das entscheiden.
"An bestimmten Stellen in Deutschland wird der Alltag ein Stück eingeschränkt sein müssen", sagte Spahn etwa mit Blick auf Schulschließungen. Es gelte, die Virus-Ausbreitung zu verlangsamen, einzudämmen und damit für den einzelnen, aber auch für die gesamte Gesellschaft besser handelbar zu machen.
Er verstehe, dass es Unsicherheit in der Bevölkerung gibt. Was Hamsterkäufe und Panikmache angeht, appellierte Spahn jedoch an die Vernunft: Es bestehe kein Anlass davon auszugehen. dass Lebensmittel knapp werden. Das sei eine gemeinsame Verantwortung.
Wie auch beim Desinfektionsmittel, das vielerorts ausverkauft ist: Im Alltag sei das Verwenden von Desinfektionsmittel gar nicht nötig, so Petra Gastmeier. Die Medizinerin leitet das Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité Berlin und sagte: "Gründliches Waschen mit Wasser und Seife ist völlig ausreichend, um das Virus abzutöten." Sie nannte es "eine Frage der Solidarität", auf Desinfektionsmittel oder Schutzausstattung zugunsten der Beschäftigten des Gesundheitswesens zu verzichten.
Nachweis der Kontakte wichtig
Christian Drosten, Direktor des Institus für Virologie an der Charité in Berlin, sagte, es sei nicht möglich einzuschätzen, wie gefährlich das Virus sei. "Gefährlichkeit ist keine Zahl", betonte er. Wichtig sei zu beobachten, wie das Coronavirus sich ausbreite. In 140 von den 150 in Deutschland registrierten Fällen konnte laut RKI-Chef Wiehler die Infektionskette nachgewiesen werden.
Zahlen und Statistiken sind generell noch mit Vorsicht zu betrachten. Die Einschätzungen könnten sich jederzeit ändern, betonte der Virologe Drosten. Er schätzt jedoch, dass die Sterblichkeitsrate niedriger liegt, als es bisher zum Teil vermutet wurde: "Im Moment sind wir eher in einem Korridor von 0,3 bis 0,7 Prozent Fallsterblichkeit." Das könnte sogar noch geringer werden, solange sich das Virus nicht stark verbreitet. Laut Robert Koch-Institut verlaufen Infektionen in vier von fünf Fällen mild. "Diese Erkrankung ist eine milde Erkrankung, eine Erkältung, die die unteren Atemwege betrifft. Die ist im Prinzip für den Einzelnen kein Problem", so Drosten.
Auf die sehr guten Nachweismethoden verwies Egbert Tannich, Vorstandsvorsitzender des Bernard-Nocht-Institutes für Tropenmedizin: Die Coronavirus-Tests seien hundertprozentig auf dieses Virus abgestimmt. Die oberen Luftwege würden infiziert, was entweder zu kaum spürbaren Symptomen führe, zu leichtem Halskratzen und etwas Fieber oder in in ganz wenigen Fällen zu einer tieferen Infektion und einer Lungenentzündung.
EU-Gesundheitsagentur setzt Risikoniveau hoch
In Europa ist nach wie vor Italien das am stärksten betroffene Land. Die Zahl der Toten stieg auf 52, teilte Zivilschutzchef Angelo Borrelli mit. Inzwischen sind nach seinen Angaben 2036 Menschen mit dem Sars-CoV-2-Erreger infiziert. 149 seien bereits wieder genesen.
Die EU-Gesundheitsagentur ECDC setzte das Risikoniveau durch das Coronavirus in der Europäischen Union von moderat auf hoch. Das bedeute, dass sich das Virus weiter ausbreite, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Nach Angaben der EU-Kommission wurden bisher in 18 EU-Staaten 2100 neue Fälle nachgewiesen. 38 Menschen seien gestorben, teilte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides mit.
In China ist die Zahl der Infizierten auf mehr als 80.000 gestiegen. Allerdings verlangsamte sich das Tempo des Anstiegs. In den USA gibt es zwei Todesfälle und weitere Patienten in kritischem Zustand.
Mit Informationen von Vera Wolfskämpf, ARD-Hauptstadtstudio