Corona-Krise Laschet will über Exit-Strategie nachdenken
Die Kanzlerin bittet in der Corona-Krise um Geduld, doch auch in den eigenen Reihen wächst die Ungeduld. NRW-Ministerpräsident Laschet will jetzt schon über ein Ende der Beschränkungen nachdenken. RKI-Chef Wieler warnt.
In der Diskussion über die Frage, wann und wie die geltenden Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus gelockert oder aufgehoben werden können, hat sich Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet zu Wort gemeldet: In einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag" widerspricht er seiner Parteifreundin und Bundeskanzlerin Angela Merkel klar und deutlich.
"Der Satz, es sei zu früh, über eine Exit-Strategie nachzudenken, ist falsch", schreibt der CDU-Politiker und Bewerber für den Parteivorsitz. "Wir müssen schon jetzt die Zeit in den Blick nehmen, in der die rigiden Maßnahmen erste Wirkung zeigen."
"Jetzt ist die Zeit"
Jetzt sei die Zeit, Maßstäbe für die Rückkehr ins soziale und öffentliche Leben zu entwickeln, damit auch diese Entscheidung anhand transparenter Kriterien erfolge. Dafür brauche es einen breiten gesellschaftlichen Konsens, und dieser könne "nur auf der Grundlage einer intensiven Abwägung aller medizinischen, sozialen, psychologischen, ethischen, wirtschaftlichen und politischen Implikationen" wachsen. Dieser Prozess wiederum brauche Zeit, so Laschet: "Damit wir in der Osterzeit die Maßstäbe kennen und den Konsens hergestellt haben, müssen wir jetzt beginnen."
Bundeskanzlerin Merkel hatte sich gestern mit einer persönlich gehaltenen Nachricht aus der häuslichen Quarantäne gemeldet. Darin dankte sie den Deutschen, bat sie um Geduld und warnte vor verfrühten Forderungen nach gelockerten Maßnahmen.
Unterstützung vom Koalitionspartner
Auch Kanzleramtsminister Helge Braun hatte klargestellt, dass es vor dem 20. April keine Lockerung der derzeitigen Einschränkungen geben werde. Der Koalitionspartner unterstützt den Kurs. Co-Chef Norbert Walter-Borjans erklärte gegenüber der Funke-Mediengruppe, "unser aller Ziel" sei die schnellstmögliche Rückkehr zur Normalität. "Aber so weit sind wir noch nicht. Die Bundeskanzlerin hat mit ihrer Mahnung recht. Die Spitze der Infektionswelle steht uns noch bevor."
Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz lehnte eine wirtschaftlich motivierte Lockerung der Maßnahmen ab. "Ich wende mich gegen jede dieser zynischen Erwägungen, dass man den Tod von Menschen in Kauf nehmen muss, damit die Wirtschaft läuft", sagte Scholz der "Bild am Sonntag". "Solche Abwägungen halte ich für unerträglich." Ein Abbau der Maßnahmen dürfe nur nach medizinischen, niemals nach ökonomischen Kriterien erfolgen. "Ich rate allen dringend davon ab, eine Lockerung an wirtschaftliche Fragen zu knüpfen."
Warnung vor wirtschaftlichen Folgen
Vor den verheerenden Folgen der Krise für die Wirtschaft warnte abermals FDP-Chef Christian Lindner. In der Funke-Mediengruppe erneuerte er seine Forderung nach einer Exit-Strategie: "Der jetzige Zeitpunkt darf keinen Tag länger dauern, als es medizinisch geboten ist. Wir müssen uns intensiv mit der Frage beschäftigen, was nach den Ausgangsbeschränkungen kommt." Der jetzige Zustand sei für jeden Einzelnen und für das wirtschaftliche Leben eine große Belastung, so Lindner.
Nach Ansicht von Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock muss Deutschland die kommenden Wochen nutzen, um sein Gesundheitssystem zu stärken. Erst dann könne entschieden werden, wann Einschränkungen gelockert werden könnten. In der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" bekäftigte Baerbock ihre Forderung nach einer "Pandemie-Wirtschaft": "Wenn andere Länder in kürzester Zeit Millionen von Atemschutzmasken produzieren können, dann sollte auch unser Industrieland dazu in der Lage sein."
RKI schließt "italienische Verhältnisse" nicht aus
Wie ernst die Lage ist, beschrieb noch einmal der Präsident des Robert Koch-Instituts Lothar Wieler. In der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" warnte er vor Zuständen wie in Italien: "Wir können nicht ausschließen, dass wir hierzulande ebenfalls mehr Patienten als Beatmungsplätze haben." Eine rasche Rückkehr zur Normalität hält Wieler für den falschen Weg aus der Krise. "Aus medizinischer Sicht möchte ich, dass wir alle die räumliche Distanzierung möglichst lange durchhalten", sagte er. Deutschland stehe "immer noch am Anfang der Welle". Die Menschen müssten die Pandemie "sehr ernst nehmen", mahnte der RKI-Chef.