AfD-Recherche von correctiv Verurteilt - und trotzdem Mandatsträger
Körperverletzung, Beleidigung, unerlaubter Waffenbesitz - das alles sind für die AfD manchmal offenbar keine Gründe, Politiker aus ihren Ämtern zu entlassen. Das zeigen Recherchen des Netzwerks correctiv.
Es geht um körperliche Gewalt, verbale Attacken und Amtsmissbrauch. Die Rechercheplattform correctiv hatte erst im Januar aufgedeckt, dass AfD-Politiker zusammen mit Neonazis die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland geplant haben. Jetzt hat correctiv Gewalttaten von AfD-Mandatsträgern auf Kreis-, Landes- und Bundesebene untersucht.
Dabei ist correctiv auf 28 Politikerinnen und Politiker gestoßen, die von einem Gericht mindestens in erster Instanz verurteilt wurden. 14 von ihnen blieben trotzdem weiter für die AfD tätig oder sind sogar erst nach einer Verurteilung in ein Amt gekommen. So auch der heutige Bundestagsabgeordnete Sebastian Münzenmaier, der 2018 wegen Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde.
Münzenmaier hatte nach Ansicht des Gerichts Mitgliedern der Hooliganszene geholfen, Fans eines gegnerischen Fußballvereins aufzulauern und sie zu verprügeln. "Da waren auch Kinder unter den Leuten, das hat Münzenmaier aber in Kauf genommen", sagt Till Eckert von correctiv. "Bemerkenswert ist: Er wurde verurteilt, aber ein Jahr später konnte er als Abgeordneter in den Bundestag einziehen. Da sitzt er bis heute." Schon damals habe also bei der AfD offenbar niemand mit diesem Verhalten ein Problem gehabt.
"Bei der AfD dürfen sie weitermachen."
Politikwissenschaftler Johannes Hillje befasst sich intensiv mit der AfD. Er sieht einen großen Unterschied darin, wie die AfD mit Gewalttätern umgeht und wie andere Parteien das tun. "Auch bei anderen Parteien gab es in der Vergangenheit Politiker, die zum Beispiel wegen Körperverletzung verurteilt wurden. Aber diese mussten dann in aller Regel ihre Ämter niederlegen. Bei der AfD dürfen sie weitermachen."
Juristisch betrachtet ist das möglich, solange es sich "nur" um Vergehen und nicht um Verbrechen handelt. Erst wer zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde, verliert in Deutschland für die Dauer von fünf Jahren das passive Wahlrecht, also das Recht, gewählt zu werden und bei einer Wahl anzutreten.
Reform des passiven Wahlrechts als Lösung?
Clara Bünger ist Juristin und sitzt für die Linke im Bundestag. Sie würde sich eine Verschärfung des passiven Wahlrechts wünschen, meint aber gleichzeitig, dass das nicht genug sei.
"Wir brauchen eine gesamtgesellschaftliche Lösung und das heißt, die Gründe dafür anzugehen, warum Menschen die AfD wählen. Menschen, die wegen Gewalt verurteilt werden, dürfen in keinem Kindergarten und keiner Schule mehr arbeiten, aber sitzen in deutschen Parlamenten."
Bünger nennt den Fall des AfD-Abgeordneten Thomas Seitz: Er darf nicht mehr als Staatsanwalt arbeiten, sitze aber dennoch als Abgeordneter im Bundestag. "Das kann man auch wirklich niemandem mehr erklären." Der baden-württembergische AfD-Bundestagsabgeordnete hat vor wenigen Tagen seinen Austritt aus der Partei und Bundestagsfraktion erklärt.
Viele Taten schon lange bekannt
Viele der von correctiv aufgeführten Fälle sind schon länger bekannt. Mal geht es um Beleidigung, wie beim Bundestagsabgeordneten Stephan Protschka, der CSU-Chef Söder einen "Landesverräter" genannt hat. Aber es gibt auch Fälle wie den von Kai Borrmann, AfD-Bezirksverordneter aus Berlin, der eine schwarze Frau geschlagen und gebissen hat und dafür verurteilt wurde.
Gerade die AfD pocht darauf, härter durchgreifen zu wollen als die anderen Parteien. "Die Toleranz gegenüber Gewalttätern in den eigenen Reihen steht schon in einem schreienden Widerspruch zur Selbstdarstellung der AfD als Hüterin traditioneller Werte und als Rechtsstaatspartei", sagt Politikwissenschaftler Hillje. "Die AfD diskreditiert Migranten pauschal als Risiko für die Sicherheit der Bürger. Da darf man schon fragen, ob sie gegenüber ihren eigenen Leuten nicht viel mildere Maßstäbe anlegt."
Die AfD selbst war am Freitag zu einer Stellungnahme nicht bereit.