Sicherheitspläne De Maizière verteidigt sein Konzept
Kritik von der SPD, der CSU, der Opposition und aus den Ländern: Innenminister de Maizière hat mit seinem überraschenden Vorstoß zur Sicherheitsarchitektur viel Widerspruch ausgelöst. De Maizière verteidigte im ZDF seinen Vorstoß.
Innenminister Thomas de Maizière hat seine Vorschläge für eine neue Sicherheitsstruktur in Deutschland gegen Kritik verteidigt. "Wir sind ja nicht mehr in den 1950er, 1960er-Jahren, sondern wir sind ein Staat, der internationalen Bedrohungen ausgesetzt ist", sagte er im ZDF. Auch wenn die Sachkenntnis in den Bundesländern unverzichtbar sei, brauche es eine zentrale Steuerung: "Die Länderinnenminister, das sind alles kluge und geschätzte Kollegen. Aber man muss kritisch darüber reden, dass wir etwa in den Ländern unterschiedliche Altersgrenzen haben, ab wann ein Extremist vom Verfassungsschutz beobachtet werden kann. Das überzeugt mich nicht", so de Maizière.
Scharfe Kritik vom Koalitionspartner
Zuvor hatte es von allen Seiten Kritik an den Vorschlägen gegeben. SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärte: "Wir müssen jetzt sagen, was wir tun wollen, und nicht erst große Behördenumstrukturierungen machen", sagte der Vizekanzler. Diese liefen auf eine langwierige Föderalismusreform hinaus, und es bestehe die Gefahr, dass sich die Sicherheitsbehörden dann jahrelang mit sich selber beschäftigten, "statt Verbrecher und Terroristen zu jagen". Gabriel hatte gestern selbst Vorschläge zur Terrorismusbekämpfung gemacht.
Angesichts der Terrorgefahr hatte de Maizière viel mehr Kompetenzen für den Bund gefordert. So schlug er in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" eine Stärkung des Bundeskriminalamts (BKA) und eine Abschaffung der Landesämter für Verfassungsschutz zugunsten einer Bundesverwaltung vor.
"Erhebliche Sicherheitslücken"
Auch SPD-Innenexperte Burkhard Lischka warnte, "in Zeiten größter terroristischer Bedrohungen wäre ein radikaler Umbau unserer Sicherheitsbehörden ein Spiel mit dem Feuer". Die faktische Auflösung aller Landesämter für Verfassungsschutz zugunsten des Bundesamtes brächte den Verlust von Fachwissen und damit "erhebliche Sicherheitslücken". Zusätzliche Kompetenzen für Bundespolizei oder BKA seien aber denkbar.
Bei der CSU stoßen die Ideen ebenfalls auf Bedenken. Eine reine Kompetenzverlagerung wäre das Falsche, sagte Generalsekretär Andreas Scheuer dem Sender n-tv. Wichtiger sei es, zu klären, wieso beispielsweise der Attentäter des Berliner Weihnachtsmarkts nach Deutschland habe einreisen können und wie er durch halb Europa habe fliehen können.
Kritik auch von der Opposition
Auch die Opposition kritisierte de Maizière. Die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke nannte die Vorschläge einen "Frontalangriff auf das föderale Prinzip der Bundesrepublik". Dieses sollte nach der NS-Diktatur eine Machtkonzentration verhindern, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Der CDU-Politiker sei jetzt "zu einer Gefahr für die demokratische Grundordnung geworden". Seine Vorschläge seien "der Einstieg in einen autoritären Polizeistaat mit deutschem FBI und zentralisiertem Inlandsgeheimdienst außerhalb jeglicher demokratischer Kontrolle".
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele lehnt neue Gesetze ab. Die bestehenden Gesetze würden "ganz eindeutig" nicht angewendet, sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Es müsse "überhaupt keine" neuen Gesetze geben. Bei der Union gebe es einen "Wiederholungszwang", alte Forderungen neu zu erheben, "obwohl, nach meiner Überzeugung, sie selber der Meinung sind, dass das überhaupt nichts hilft".
"Tendenziell unbewegliche Zentralbehörde"
Kritik an dem Vorstoß kommt auch aus den Ländern. Berlins Innensenator Andreas Geisel sprach sich gegen einen zentralen Verfassungsschutz aus. Die Landesbehörden würden lokale extremistische Bestrebungen früher erkennen und könnten darauf schneller reagieren "als eine tendenziell unbeweglichere Zentralbehörde", sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Auch ein Sprecher von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte dem WDR, die Kenntnisse in den Ländern seien für die Terrorismusbekämpfung unerlässlich.
Das SPD-geführte rheinland-pfälzische Innenministerium erklärte, erst vor wenigen Wochen habe die Innenministerkonferenz eine bessere Zusammenarbeit mit dem BKA beschlossen. Jetzt sollten diese Maßnahmen erst einmal wirken können. Dass Deutschland ein sicheres Land sei liege daran, "dass die Länder ihre Hausaufgaben erledigen".
Auch Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) bezeichnete es als "Unsinn", die bisherigen Strukturen zu zerschlagen. "Schnellschüsse dieser Art" untergrüben nicht nur das Vertrauen in den Staat, "sie stellen die gesamte föderale Sicherheitsarchitektur infrage".
Wenig Zustimmung
Vereinzelt gab es auch Zustimmung für die Pläne de Maizières: Parteifreundin Julia Klöckner stellte sich an die Seite des Ministers und warnte vor Kleinstaaterei bei der Inneren Sicherheit. Die Welt habe sich verändert, das könne angesichts der neuen Bedrohungslage gefährlich werden, sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende. Wo die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern nicht funktioniere, "müssen wir ideologiefrei darüber reden, wie wir besser werden können", so Klöckner.
Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte der "Bild"-Zeitung, die Zusammenarbeit von Bund und Ländern funktioniere nicht optimal. "Der Verfassungsschutz muss komplett vom Bund übernommen werden. Hier sollten wir, wenn nötig, eine Verfassungsänderung anstreben und über weitere Zentralisierungen reden."
Unterstützung kam zudem vom stellvertretenden Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei in der Bundespolizei, Sven Hüber. Er begrüßte die Vorschläge grundsätzlich, sprach sich jedoch vor allem für klarere Kompetenzen der Sicherheitsorgane aus: Notwendig seien nicht so sehr neue gesetzliche Befugnisse, "sondern vielmehr endlich klare Verantwortlichkeiten im Vollzug geltenden Rechts und bestehender Eingriffsmöglichkeiten".
Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) reagierte positiv auf die Pläne. "Die Informationswege müssen endlich verbindlich und verpflichtend gemacht werden, und die Bewertung muss beim Bund in einer Behörde vorgenommen werden - und nicht in 16 Ländern", sagte BDK-Chef André Schulz der Oldenburger "Nordwest-Zeitung".