ARD-DeutschlandTrend 78 Prozent unzufrieden mit Regierung
Fast vier von fünf Deutschen sind unzufrieden mit der Bundesregierung. Das zeigt der neue ARD-DeutschlandTrend. Vor allem Innenminister Seehofer verliert massiv an Zustimmung.
Eine deutliche Mehrheit der Deutschen findet, dass die Bundesregierung ihren Job nicht ordentlich macht: 78 Prozent der Bürger sind weniger oder gar nicht zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung - das sind 15 Punkte mehr im Vergleich zum Vormonat. Zufrieden mit der Arbeit des Kabinetts sind aktuell nur 21 Prozent. Das hat eine Umfrage von Infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend diese Woche ergeben. Ein solcher Einbruch bei der Zufriedenheit mit der Bundesregierung, von einem Monat auf den anderen, ist im DeutschlandTrend sehr selten gemessen worden.
Als die Bundesregierung Mitte März die Arbeit aufnahm, startete sie auf einem vergleichsweise niedrigen Zustimmungsniveau: Im April waren 32 Prozent der Befragten mit der Arbeit der Bundesregierung sehr zufrieden oder zufrieden; 64 Prozent waren weniger zufrieden oder gar nicht zufrieden.
Interessant ist es auch, die einzelnen Koalitionsparteien zu betrachten: Mit der Arbeit der CDU innerhalb der Bundesregierung sind aktuell 36 Prozent der Bürger zufrieden - 15 Punkte weniger im Vergleich zu September 2017, vor der Bundestagswahl. Mit der Arbeit der CSU sind aktuell 20 Prozent zufrieden, elf Punkte weniger als im September des Vorjahres. Die SPD verliert nur einen Punkt und kommt aktuell auf 38 Prozent Zustimmung.
Seehofer stürzt ab
Schaut man auf die beiden Hauptakteure des Streits um die Asyl- und Flüchtlingspolitik, so ergibt sich ein differenzierteres Bild: Angela Merkel verliert zwei Prozentpunkte Zustimmung und liegt bei 48 Prozent. Horst Seehofer hingegen stürzt um 16 Punkte ab: Mit seiner Arbeit sind aktuell nur 27 Prozent der Befragten zufrieden. Damit erreicht er wie im Juli 2015 den niedrigsten Wert, der jemals für ihn im ARD-DeutschlandTrend gemessen wurde.
Mögliche Motive für diesen Absturz aus Sicht der Deutschen: 73 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass Seehofer mit seinem Verhalten gegenüber Merkel die Union geschwächt hat; 23 Prozent sehen das anders. Gleichzeitig finden 55 Prozent es gut, dass mit dem Innenminister jemand offen den Kurs der Kanzlerin in der Asyl- und Flüchtlingspolitik kritisiert; 42 Prozent sehen das anders. Diese auf den ersten Blick widersprüchlichen Aussagen passen durchaus zusammen: Inhaltlich findet es eine Mehrheit richtig, dass die Asyl- und Flüchtlingspolitik der Kanzlerin von Seehofer kritisiert wird - aber die Art und Weise der Auseinandersetzung innerhalb der Schwesterparteien wird für die Union als schädlich empfunden.
Dazu passt auch, dass 73 Prozent der Deutschen meinen, dass der CSU ihre eigenen Interessen wichtiger sind als der Erfolg der Regierung; 22 Prozent stimmen dieser Aussage nicht zu. Dass CDU und CSU zerstritten sind und keinen gemeinsamen Kurs haben - dieser Aussage stimmen 70 Prozent der Befragten zu; 25 Prozent stimmen ihr nicht zu.
Flüchtlingspolitik nimmt für Mehrheit zu viel Raum ein
Mehrheitlich kritisch sehen es die Deutschen, dass sich die politische Diskussion in den vergangenen Tagen und Wochen hauptsächlich um den Asylstreit gedreht hat: 56 Prozent der Befragten meinen, dass das Thema Asyl und Flüchtlinge in der aktuellen politischen Auseinandersetzung zu viel Raum einnimmt; 33 Prozent finden, dass es einen angemessenen Raum einnimmt und neun Prozent sind der Ansicht, dass das Thema zu wenig Raum einnimmt.
Dabei kommen andere Themen zu kurz, zum Beispiel die Situation in der Pflege: Das Thema nimmt für 79 Prozent der Befragten zu wenig Raum in der aktuellen politischen Auseinandersetzung ein; für 18 Prozent nimmt das Thema angemessenen Raum ein und für zwei Prozent zu viel. 73 Prozent meinen, dass das Thema Schul- und Bildungspolitik aktuell zu wenig diskutiert wird (23 Prozent angemessen; ein Prozent zu viel). 70 Prozent finden, dass die Schaffung bezahlbaren Wohnraums zu wenig Raum in der aktuellen politischen Auseinandersetzung einnimmt (23 Prozent angemessen; zwei Prozent zu viel). Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Thema Sozialpolitik (62 Prozent zu wenig Raum, 33 Prozent angemessen, 2 Prozent zu viel Raum) sowie Klimawandel (56 Prozent zu wenig Raum, 32 angemessen, neun Prozent zu viel Raum).
Mehrheit befürwortet Transitzentren
CDU und CSU verständigten sich am Montag darauf, "Transitzentren" an der deutsch-österreichischen Grenze einzurichten. Aus diesen sollten Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, an die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. 61 Prozent der Befragten (Unions-Anhänger: 70 Prozent; SPD-Anhänger: 47 Prozent) finden die Einrichtung solcher "Transitzentren" richtig. 34 Prozent der Befragten (Unions-Anhänger 26 Prozent; SPD-Anhänger: 48 Prozent) finden die Einrichtung nicht richtig.
Kaum Bewegung bei der Sonntagsfrage
Bei der Sonntagsfrage gibt es nur wenig Bewegung: Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die Union auf 30 Prozent, ein Punkt weniger im Vergleich zu Mitte Juni. Die SPD liegt stabil bei 18 Prozent. Mit gemeinsam 48 Prozent ist es der geringste Rückhalt in der Wahlbevölkerung, der bisher für Union und SPD gemeinsam im ARD-DeutschlandTrend gemessen wurde.
Die AfD verbessert sich um einen Punkt und kommt auf 16 Prozent. Diesen Wert hatte die AfD im DeutschlandTrend für das Morgenmagazin bereits im September 2016; im ARD-DeutschlandTrend im Auftrag der Tagesthemen ist das der Höchstwert für die AfD. Die FDP kommt auf 8 Prozent (+/-0), die Linke auf 9 Prozent (-1) und die Grünen auf 14 Prozent (+1).
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl/ Dual Frame
(Relation Festnetz-/Mobilfunknummern 70:30)
Disproportionaler Ansatz (West/Ost 70:30)
Erhebungsverfahren: Telefoninterviews (CATI)***
Fallzahl: 1005 Befragte
Sonntagsfrage: 1505 Befragte
Erhebungszeitraum: 03. bis 04. Juli 2018
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen
Sonntagsfrage mit separater Gewichtung
Fehlertoleranz: 1,4* bis 3,1** Prozentpunkte
Durchführendes Institut: Infratest dimap
* bei einem Anteilswert von fünf Prozent ** bei einem Anteilswert von 50 Prozent
*** Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle eine Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird deshalb keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.