DeutschlandTrend

ARD-DeutschlandTrend Mehrheit sieht Verhältnis zu China kritisch

Stand: 03.11.2022 18:01 Uhr

Mit wachsendem Misstrauen blicken die Menschen laut ARD-DeutschlandTrend auf China. Zudem machen sich viele Sorgen wegen der weiter steigenden Preise infolge des Ukraine-Kriegs.

Er ist der erste Staatsgast aus der EU seit dem Jahr 2019 - und das ist nicht der einzige Grund, warum die China-Reise von Olaf Scholz mit so viel internationaler Aufmerksamkeit bedacht wird. Sowohl der Zeitpunkt - vor knapp zwei Wochen endete der Parteitag der Kommunistischen Partei, bei dem sich Staats- und Parteichef Xi Jinping eine dritte Amtszeit absegnen ließ - als auch der weltpolitische Kontext machen diesen Besuch zu einer Gratwanderung.

Der Bundeskanzler wird von einer Wirtschaftsdelegation begleitet, die mit rund einem Dutzend Unternehmen im Vergleich zu den Vorjahren eher klein ausfällt. Es scheint nicht die Zeit für milliardenschwere Verträge zu sein. Denn mittlerweile fürchtet Deutschland eine zu große Abhängigkeit von China - eine Sorge, die jeder zweite Deutsche teilt.

Laut aktuellem ARD-DeutschlandTrend finden 49 Prozent, dass die Bundesrepublik ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China verringern sollte. Gut jeder Dritte (34 Prozent) würde die Zusammenarbeit gerne im aktuellen Umfang fortsetzen. Jeder Zehnte (10 Prozent) möchte sie ausbauen. Ganz grundsätzlich wünscht sich eine deutliche Mehrheit von 87 Prozent, dass die Bundesregierung darauf achtet, dass Deutschland wirtschaftlich unabhängiger von nicht-demokratischen Ländern wird.

DeutschlandTrend zu Handelsbeziehungen mit China

Ellen Ehni, WDR, tagesthemen, tagesthemen, 03.11.2022 23:10 Uhr

Mehrheit hält chinesische Beteiligung am Hamburger Hafen für falsch

China ist schon jetzt nach dem Volumen von Importen und Exporten der wichtigste Handelspartner für Deutschland. Im öffentlichen Fokus stand jüngst die geplante Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco an einem der vier Container-Terminals des Hamburger Hafens. Trotz Warnungen der Fachministerien hielt das Bundeskanzleramt daran fest: Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche zugestimmt, dass Cosco sich mit maximal 24,9 Prozent an dem Terminal beteiligen darf. Damit hat Kanzler Scholz ein Zeichen gesetzt, das die Mehrheit der Bürger kritisch sieht: Gut zwei Drittel der Wahlberechtigten (69 Prozent) halten diese Entscheidung für falsch. Jeder Fünfte (20 Prozent) findet sie hingegen richtig.

Im Vorfeld gab es auch massive Kritik von Menschenrechtsorganisationen an der Scholz-Reise. Hier geht es vor allem um die Unterdrückung der Uiguren, die Repressionen in Hongkong und die Drohgebärden gegenüber Taiwan. In diesem Zusammenhang stimmt nur jeder Fünfte (22 Prozent) dieser Aussage zu: "Für mich ist im Umgang mit China die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen Deutschlands wichtiger als der Einsatz für die Menschenrechte vor Ort." 68 Prozent stimmen dieser Aussage nicht zu.

Sicherheit der Welt stärker durch Russland als durch China bedroht

Auf die Frage, ob China aktuell eine Bedrohung für die Sicherheit der Welt darstellt, sagen 19 Prozent "auf jeden Fall" und 44 Prozent "eher ja" - zusammengerechnet also eine Mehrheit von 63 Prozent. 30 Prozent sagen "eher nein" oder "auf keinen Fall". Zum Vergleich: Anfang Oktober wurde diese Frage auch bezüglich Russlands gestellt: Damals sagten 56 Prozent, dass Russland "auf jeden Fall" die Sicherheit der Welt bedrohe und 30 Prozent "eher ja" - zusammen 86 Prozent. Nur 12 Prozent sagten "eher nein" oder "auf keinen Fall".

Zugleich halten nur neun Prozent der Wahlberechtigten China derzeit für einen Partner, dem Deutschland vertrauen kann (+/-0 im Vgl. zu März). Zum Vergleich: Russland halten aktuell 10 Prozent für einen vertrauenswürdigen Partner Deutschlands (+4). Fast jeder Zweite (47 Prozent) sagt das von der Ukraine (-16). 55 Prozent halten die USA für einen vertrauenswürdigen Partner (-5), 60 Prozent Großbritannien (+14 im Vgl. zu Januar), 84 Prozent den Nachbarn Frankreich (+3).

Sorge vor Inflation und Ausweitung des Ukraine-Krieges

Die Deutschen blicken zunehmend besorgt auf in Folge des Krieges spürbare Preissteigerungen. 66 Prozent machen sich sehr große bzw. große Sorgen, dass die Preise so stark steigen, dass sie ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können (+9 im Vgl. zu Oktober). Ebenso stark verbreitet ist die Sorge vor den Folgen des Klimawandels: So haben 66 Prozent sehr große bzw. große Sorge, dass der Klimawandel unsere Lebensgrundlagen zerstört (-2 im Vgl. zu September 2021).

Der Blick auf die Corona-Pandemie ist dagegen entspannter als vor dem vergangenen Winter: Zurzeit sorgt sich nur knapp jeder Dritte (31 Prozent) davor, dass die Zahl der Corona-Infektionen in Deutschland in den kommenden Wochen wieder stark ansteigt (-11 im Vgl. zu Oktober 2021).

Stärker ist hingegen die Sorge, dass Russland weitere Länder in Europa angreifen könnte: Aktuell sechs von zehn (61 Prozent) geben an, sich davor zu sorgen. Im März sagten das noch 69 Prozent, diese Angst hatten unmittelbar nach dem russischen Einmarsch also noch etwas mehr Menschen in Deutschland. Zugenommen hat im vergangenen Jahr die Sorge, dass zu viele Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland einwandern. Bei 53 Prozent der Wahlberechtigten ist diese Sorge aktuell sehr groß bzw. groß (+11 im Vgl. zu September 2021).

Ukraine: Mehrheit wünscht sich mehr Diplomatie

Die Sorge vor einer Ausweitung des Krieges könnte auch der Grund dafür sein, dass eine Mehrheit der Deutschen die diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung zur Beendigung des Krieges in der Ukraine nicht weit genug gehen. 55 Prozent stimmen dieser Aussage aktuell zu (+14 im Vgl. zu Juni). Drei von zehn Befragten (31 Prozent) halten die diplomatischen Bemühungen Deutschlands für angemessen (-12). Für vier Prozent gehen sie zu weit (-4).

Die Ukraine hat Deutschland in dieser Woche um weitere Waffenlieferungen gebeten. Unter den Bürgerinnen und Bürgern gibt es dafür allerdings keine Mehrheit. 41 Prozent halten die deutsche Unterstützung der Ukraine mit Waffen derzeit für angemessen. Für 30 Prozent gehen die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine zu weit, für jeden Fünften (21 Prozent) nicht weit genug. Uneinig sind sich die Deutschen auch bei der Bewertung der Sanktionsmaßnahmen gegen Russland. Für 37 Prozent gehen diese nicht weit genug, für 31 Prozent sind sie angemessen, für 23 Prozent hingegen gehen sie zu weit.

Zufriedenheit mit Bundesregierung weiter niedrig

Generell ist das Ansehen der amtierenden Bundesregierung unter Kanzler Scholz weiter gering: Aktuell sind sieben von zehn Wahlberechtigten (69 Prozent) mit der Arbeit von SPD, Grünen und FDP weniger bzw. gar nicht zufrieden; nur 28 Prozent sind damit zufrieden oder gar sehr zufrieden (-1). Damit ist die Bewertung der Ampel-Koalition auf einem erneuten Tiefstand ihrer bisherigen Amtszeit, die im Dezember 2021 begonnen hat. Allerdings beziehen sich diese Ergebnisse auf den Umfragezeitraum Montag bis Mittwoch - also noch bevor am Mittwoch beim Bund-Länder-Treffen weitere Entlastungsmaßnahmen beschlossen wurden, wie etwa das 49-Euro-Ticket oder die Gaspreisbremse.

Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD aktuell auf 19 Prozent - zwei Punkte mehr als im Oktober. Sie wäre damit zweitstärkste Kraft, zusammen mit den Grünen: Diese liegen stabil bei 19 Prozent. CDU/CSU stünden derzeit mit 28 Prozent unverändert auf Platz 1. Die FDP büßt einen weiteren Punkt ein und käme derzeit auf sechs Prozent. Die AfD verliert einen Punkt und käme derzeit auf 14 Prozent. Die Linke käme unverändert auf fünf Prozent, alle anderen Parteien unverändert auf neun Prozent.

Untersuchungsanlage

Grundgesamtheit: Wahlberechtigte in Deutschland
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk) und Online-Befragung
Erhebungszeitraum: 31. Oktober - 02. November 2022
Fallzahl: 1307 Befragte (854 Telefoninterviews und 453 ‚Online-Interviews)

Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und
Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent

Durchführendes Institut: infratest dimap

Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle eine Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.