ARD-DeutschlandTrend März 2008 Linkspartei auf Höhenflug, SPD-Chef auf Talfahrt
Schlechte Zeiten für SPD-Chef Beck: Laut ARD-DeutschlandTrend sind nur noch 32 Prozent der Bundesbürger mit seiner Arbeit zufrieden. In der Sonntagsfrage rutscht die SPD auf 28 Prozent ab, während die Partei Die Linke auf 12 Prozent klettert, der höchste Wert seit 2005.
Von Jörg Schönenborn, WDR
Während die SPD streitet, kann die Linke ernten. In der Sonntagsfrage des ARD-DeutschlandTrends klettert sie auf 12 Prozent (+1 gegenüber Februar) – ein Wert, den sie bisher nur einmal erreichte: im Sommer 2005, als Gerhard Schröder Rot-Grün für beendet erklärt und Neuwahlen ausgerufen hatte. In den neuen Bundesländern ist die Linke mit 30 Prozent die stärkste politische Kraft. Und im Westen hat sie mit 8 Prozent ihren bisher höchsten gemessenen Wert erreicht. Zumindest kurzfristig profitiert sie also ganz eindeutig von der Entscheidung der SPD-Gremien, sich künftig der Zusammenarbeit mit der Linken im Westen nicht mehr zu verschließen.
Die SPD rutscht ihrerseits auf 28 Prozent ab (-2). Und auch die FDP, die bei keiner der gegenwärtig diskutierten neuen Bündnisoptionen eine Rolle spielt, verliert einen Punkt und kommt auf 8 Prozent. Die Debatte über ein mögliches schwarz-grünes Bündnis in Hamburg scheint hingegen keinem der beiden potenziellen Partner Schaden zuzufügen. Sowohl die Union mit 39 Prozent (+1), als auch die Grünen mit 10 Prozent (+1) sind leicht im Aufwind.
Beschädigt sind die Sozialdemokraten vor allem in ihrer Glaubwürdigkeit. 61 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass die SPD nach der nächsten Bundestagswahl mit Unterstützung der Linken regieren wird, falls es rechnerisch die Möglichkeit dazu gibt. An den Vorstandsbeschluss, der genau das Gegenteil festlegt, nämlich keine Kooperation mit der Linken auf Bundesebene, glaubt also nur eine Minderheit. Auch die SPD-Wähler zweifeln mehrheitlich am Vorstandsbeschluss ihrer eigenen Partei.
Unzufriedenheit mit SPD-Chef Beck
Den größten persönlichen Schaden hat erwartungsgemäß der SPD-Vorsitzende Kurt Beck genommen. Die Zustimmung zu seiner Arbeit ist auf einen neuen Negativrekordwert abgesunken. Nur noch 32 Prozent sind mit der politischen Arbeit von Kurt Beck zufrieden. Damit rangiert er nur noch knapp vor Andrea Ypsilanti (28 Prozent Zustimmung) und Oskar Lafontaine (22 Prozent). Seine Chancen, im direkten Vergleich mit Angela Merkel zum Bundeskanzler gewählt zu werden, sind noch einmal gesunken. 62 Prozent würden sich für Angela Merkel entscheiden, nur 20 Prozent für Beck. Sein innerparteilicher Konkurrent Frank-Walter Steinmeier hätte da zwar bessere Chancen, aber wäre auch nicht wirklich auf Augenhöhe mit der Kanzlerin. Hier ginge das Duell 53 zu 31 für Merkel aus.
Dabei zweifeln die Befragten nicht nur daran, dass Beck "das Zeug hätte Deutschland zu führen". 66 Prozent trauen das Merkel eher zu, 15 Prozent eher Beck. Ebenso deutlich gilt Merkel als durchsetzungsfähiger und vor allem als glaubwürdiger. 60 Prozent der Befragten billigen dies Merkel zu, wiederum nur 15 Prozent halten Beck für glaubwürdiger.
Zustimmung zur Linkspartei kann weiter steigen
Bei all dem gibt es deutliche Indizien, dass das Potenzial der Linkspartei noch gar nicht ausgereizt ist. Insgesamt 27 Prozent der Wählerinnen und Wähler könnten sich durchaus vorstellen diese Partei zu wählen. 12 Prozent antworten "ja, sicher"; 15 Prozent antworten "ja, vielleicht". Leicht überdurchschnittlich sind diese Werte unter den Wählern der SPD und der Grünen. Hier sind es zusammen genommen jeweils 28 Prozent, die sich sicher oder vielleicht vorstellen könnten, ihr Kreuzchen bei der Linken zu machen. Noch etwas deutet darauf hin, dass der eine oder andere SPD-Wähler in den Umfragen der nächsten Wochen einen Haken nach links schlagen könnte. Denn immerhin jeder siebte SPD-Wähler sieht keine großen inhaltlichen Unterschiede mehr zwischen den beiden Parteien.
Linke mobilisiert viele Nicht-Wähler
Allerdings ist der anhaltende Erfolg der Linken keineswegs nur eine Bedrohung für die SPD. Infratest dimap hat für die WDR-Sendung Hart aber fair eine fiktive Wählerwanderung erstellt. Dabei wurde auf der Basis der Umfragen der letzten Wochen ausgerechnet, woher die Zugewinne der Linken im Vergleich zur letzten Bundestagswahl stammen. Damals hatte die Partei 8,7 Prozent der Stimmen, heute liegt sie in den Umfragen bei 12 Prozent. Dies würde bei ungefähr gleichbleibender Wahlbeteiligung einen Zuwachs von rund 1,5 Mio. Wählerstimmen bedeuten. Nur ein gutes Drittel, nämlich 590.000 kommen direkt von ehemaligen SPD-Wählern. Daneben gelingt es der Linken, rund 440.000 ehemalige Nicht-Wähler zu remobilisieren. Aber auch die Grünen mit 181.000 Stimmen und die Union mit 130.000 verlieren in Richtung Linkspartei.
Verhalten positiv ist dagegen die Reaktion auf eine andere politische Landschaftsveränderung, die mögliche schwarz-grüne Koalition in Hamburg. Rund die Hälfte der Befragten ist eher erwartungsfroh. So sagen 55 Prozent, sie würden sich freuen, wenn ein solches Bündnis auf Landesebene ausprobiert würde. Und 49 Prozent glauben, dass Schwarz-Grün eine gute Verbindung von Wirtschafts- und Umweltkompetenz sein könnte. Die andere Hälfte der Befragten ist deutlich ablehnend: 53 Prozent geben an, Schwarz und Grün passten einfach nicht zusammen. Und 49 Prozent befürchten, dass die beiden Parteien sich in einer Regierung gegenseitig blockieren könnten.
Mehrheit für weitere Amtszeit Köhlers als Bundespräsident
Bei soviel politischer Kontroverse sind sich die Deutschen wenigstens in einem Punkt einig: sie wollen, dass Horst Köhler eine weitere Amtszeit als Bundespräsident absolviert. 81 Prozent der Wähler sehen das so, und Köhler hat Mehrheiten in allen politischen Lagern. Selbst die Wähler von SPD, Grünen und Linkspartei wollen ihn zu jeweils rund Zweidritteln weiter im Amt sehen. Dass er – weit vor allen Parteipolitikern – die politische Hitliste des Monats anführt, erübrigt sich fast zu sagen. 82 Prozent sind mit seiner Arbeit zufrieden.
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren
Stichprobe: Repräsentative Zufallsauswahl / Randomstichprobe
Erhebungsverfahren: Computergestützte Telefoninterviews
Fallzahl: 1000 Befragte (700 West / 300 Ost)
Sonntagsfrage: 1500 Befragte
Erhebungszeitraum: 3. bis 4. März 2008
Sonntagsfrage: 3. bis 5. März 2008
Fehlertoleranz: 1,4 bis 3,1 Prozentpunkte