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ARD-DeutschlandTrend Deutsche blicken voller Sorge nach Ägypten

Stand: 03.02.2011 22:45 Uhr

Viele Deutsche beschäftigen sich derzeit viel stärker mit Ägypten als mit innenpolitischen Themen. Dabei blickt die Mehrheit mit Sorge dorthin. Bei der Sonntagsfrage gibt es eine gute Nachricht für die FDP: Sie würde die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Ihr Vorsitzender kann davon nicht profitieren.

Von Jörg Schönenborn, WDR

Es ist eines jener Ereignisse, die die Innenpolitik vollständig in den Hintergrund drängen. Der Volksaufstand in Ägypten ist ein historisches Ereignis, das einen wichtigen Teil der Welt verändern wird. Und deshalb beschäftigt die Lage dort gegenwärtig auch die Menschen in Deutschland weit mehr als die Diskussion über den Zustand der Bundeswehr, die Frauenquote oder die Situation der Parteien vor den Landtagswahlen. Ein einheitliches Stimmungsbild gibt es trotzdem nicht. Je nach Alter, Einkommen und politischer Grundhaltung bewerten die Deutschen die Entwicklung in Ägypten höchst unterschiedlich.

Die Angst vor Krieg und dem Einfluss der Islamisten ist größer als die Genugtuung darüber, dass sich ein unterdrücktes Volk auflehnt. 52 Prozent der Befragten sehen die Proteste in Ägypten und anderen arabischen Ländern "überwiegend mit Sorge", nur 43 Prozent "überwiegend mit Freude".

Bürger über Einmischung gespalten

Am Freitag beraten die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel darüber, ob und wie sie die demokratischen Kräfte in Ägypten gezielt unterstützen können. Die Deutschen sind in dieser Frage gespalten. Jeweils 48 Prozent fordern, gezielt demokratische Kräfte zu unterstützen bzw. sich aus der Situation herauszuhalten.

Dabei fällt auf: Die Jüngeren wollen, dass EU und Bundesregierung etwas tun. Unter den 18- bis 24-Jährigen plädieren 63 Prozent dafür. Dagegen sind die Älteren zurückhaltend. Bei den über 60-Jährigen wollen nur 42 Prozent, dass die europäischen Regierungen sich einmischen.

Sollte es dann, im besten Falle in einigen Wochen, eine demokratisch legitimierte Regierung in Ägypten oder in Tunesien geben, stellt sich die Frage der finanziellen Unterstützung. Schließlich hatte auch das Mubarak-Regime jahrelang Militärhilfe aus Washington und Entwicklungshilfegelder aus Bonn bzw. Berlin bekommen. Die Mehrheit der Deutschen ist skeptisch: 56 Prozent lehnen finanzielle Hilfen ab - selbst für demokratisch gewählte Regierungen. Während sich die Anhänger von SPD und Grünen mehrheitlich für Finanzhilfen aussprechen, ist es bei den Anhängern von Union und FDP umgekehrt.

Menschenrechte? Beim Urlaub regiert der Geldbeutel

Weit mehr als eine Million Deutsche im Jahr haben ihren Urlaub in Ägypten verbracht und damit der bisherigen Regierung wichtige Einnahmen beschert. Auch in Tunesien waren die Devisen der Urlauber eine wichtige Einnahmequelle.

Da stellt sich natürlich die Frage, ob die Deutschen ihr Urlaubsziel künftig auch danach auswählen, ob Demokratie und Menschenrechte gelten. Das scheint vor allem eine Einkommensfrage zu sein. Insgesamt erklären 38 Prozent, sie würden ihr Urlaubsland künftig unter diesen Gesichtspunkten auswählen. 40 Prozent wollen dorthin fahren, wo es schön ist und wo der Preis stimmt. Zu dieser Gruppe gehören mit großer Mehrheit die Menschen mit niedrigem Einkommen (weniger als 1500 Euro netto Haushaltseinkommen). In den oberen Einkommensgruppen kann man sich das politische Gewissen natürlich eher leisten.

Guttenberg bleibt beliebtester Politiker

Die Tage vor Beginn der Unruhen in Kairo waren geprägt von massiver Kritik an Verteidigungsminister zu Guttenberg. Er habe den Bundestag nicht vollständig über Missstände in der Bundeswehr informiert und den Kommandanten des Segelschulschiffs Gorch Fock auf Druck der Boulevardpresse abgesetzt, lauteten die Vorwürfe.

Die Wählerinnen und Wähler nehmen ihm das weit weniger übel als die politische Opposition. Zwar hat Karl-Theodor zu Guttenberg deutlich an Zustimmung eingebüßt, aber mit 68 Prozent (- 8 Punkte) ist er immer noch mit weitem Abstand der populärste Parteipolitiker.

Mit 52 Prozent Zustimmung folgen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier auf Rang zwei und Kanzlerin Angela Merkel auf Rang drei. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen kommt auf 49 Prozent, Innenminister Thomas de Maizière und Finanzminister Wolfgang Schäuble auf 48 Prozent. Mit Ausnahme von Familienministerin Kristina Schröder (42 Prozent, + 6) haben alle Kabinettsmitglieder in diesem Monat an Zustimmung eingebüßt. Außenminister Guido Westerwelle fällt sogar mit 18 Prozent (- 4) auf seinen bisher schlechtesten Wert zurück. Noch unpopulärer ist die Linkspartei-Vorsitzende Gesine Lötzsch (9 Prozent).

Sonntagsfrage: FDP kehrt in den Bundestag zurück

In der Sonntagsfrage gibt nur geringe Veränderungen. Während die Union stabil bei 36 Prozent bleibt, klettert die FDP nun wieder auf fünf Prozent (+ 1). Damit ist Schwarz-Gelb allerdings weiterhin von einer Regierungsmehrheit weit entfernt. Die SPD steht bei 25 Prozent (- 1), die Grünen bei 19 Prozent (unverändert) und die Linke bei 8 Prozent (- 1). Auch in dieser Woche hat Infratest dimap für den ARD-DeutschlandTrend von Montag- bis Mittwochabend wieder 1500 Wahlberechtigte befragt.

Kein klarer Trend in den Ländern ...

Sieben Landtagswahlen stehen in diesem Jahr an, und bereits in gut 14 Tagen beginnt diese Wahlsaison in der Hansestadt Hamburg. Ein klarer bundesweiter Trend ist nicht in Sicht. Während in Hamburg die SPD dank eines populären Spitzenkandidaten ihren Vorsprung weiter ausbaut, hat in Baden-Württemberg der amtierende CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus bessere Chancen im Amt zu bleiben, als ihm noch im Herbst zugetraut wurde.

... aber viel Vertrauen in die Grünen

Von solchen regionalen Besonderheiten abgesehen sind es aus Sicht der Befragten vor allem Grüne und CDU, die mit guten Erfolgsaussichten in dieses Wahljahr gehen. Bei der Frage, welche Parteien "erfolgreich" oder "sehr erfolgreich" abschneiden werden, nennen die Befragten zuallererst mit 72 Prozent die Grünen. Bei allen anderen Parteien erwartet eine Mehrheit ein weniger erfolgreiches Ergebnis. Die Aussichten von CDU und SPD bewerten jeweils 44 Prozent positiv, die der Linken 28 Prozent und die der FDP nur 14 Prozent. Noch deutlicher wird es bei der Frage, welche Parteien klar erkennbare inhaltliche Positionen haben. 60 Prozent der Befragten erklären, die Positionen der Grünen zu kennen, 55 Prozent die der CDU und 50 Prozent die der SPD, die FDP folgt mit 38, die Linkspartei mit 36 Prozent.

Frauenförderung? Ja, aber ...

In der Bundesregierung haben die beiden Ministerinnen von der Leyen und Schröder in der vergangenen Woche um die Deutungshoheit in Sachen Frauenquote gerungen. Mittlerweile hat sich Kanzlerin Merkel klar hinter Familienministerin Schröder gestellt. Beide plädieren dafür, dass die Wirtschaft in einer Art Selbstverpflichtung dafür sorgt, dass Führungspositionen in großen Unternehmen künftig auch stärker mit Frauen besetzt werden. Von der Leyen hatte für eine gesetzlich vorgegebene Quote plädiert.

Das gemeinsame Anliegen, dass es generell mehr Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft geben müsste, teilen 78 Prozent der Deutschen. Selbst wenn die Zustimmung unter Frauen mit 85 Prozent etwas höher ist, als unter Männern mit 70 Prozent, ist die Botschaft klar: Die große Mehrheit will diese Veränderung.

Doch schon bei der Frage, ob dies durch verbindliche Regeln oder einen bloßen Appell erreicht werden soll, sieht die Welt ganz anders aus. 44 Prozent der Befragten sprechen sich für verbindliche Regeln aus (Frauen 58 Prozent, Männer 29 Prozent), die Mehrheit von 51 Prozent ist allerdings dagegen. Und wenn es schon feste Regeln geben soll, dann sind 70 Prozent dafür, das Ganze der Wirtschaft als Selbstverpflichtung aufzutragen, nur 19 Prozent halten die gesetzliche Quote für die bessere Alternative. Das erstaunliche an diesen Ergebnissen ist, dass die große Mehrheit zwar mehr weibliche Führung möchte, aber gleichzeitig darauf setzt, dass sie sich ohne all zu viel Zwang wie von selbst einstellt.

Große Sorgen über Preisentwicklung

Die politische Diskussion hat sie noch nicht erreicht, gleichwohl aber hat sie Potenzial für große Unzufriedenheit zu sorgen und Wahlen mitzuentscheiden: die Entwicklung der Preise. Fast zwei Drittel der Deutschen (61 Prozent) haben den Eindruck, dass die Preise gegenwärtig stärker steigen als in den letzten Jahren. Und auf Nachfrage, was denn besonders teuer geworden sei, stehen Lebensmittel (59 Prozent), Benzin und Öl (51 Prozent) sowie Strom und Gas (34 Prozent) ganz oben.

Das dürfte viele Menschen vor allem deshalb ärgern, weil sie trotz gesunkener Arbeitslosigkeit, in Aussicht gestellter Lohnerhöhungen und kleinerer Steuergeschenke den Aufschwung bisher nur aus der Zuschauerperspektive betrachten. 28 Prozent erklären, sie hätten vom Wachstum bisher persönlich profitiert, 71 Prozent haben nicht diesen Eindruck. Überdurchschnittlich profitiert haben nach eigenem Bekunden leitende Angestellte und Freiberufler, während Arbeiter, Rentner und Arbeitslose noch häufiger das Gefühl haben leer auszugehen.

Am Ende allerdings hat selbst dieses Thema viel mit den Unruhen zu tun. Gerade in den letzten Tagen sind die Ölpreise an den internationalen Märkten noch einmal nach oben geschnellt. Je nachdem, wie sich die Lage weiter entwickelt, könnte das die Preisentwicklung noch ein ganzes Stück höher treiben und damit bei vielen Deutschen noch mehr Sorgenfalten hervorrufen.