Recherche zu Springer-Chef Wirbel um angebliche Döpfner-Äußerungen
Springer-Chef Döpfner soll sich laut der "Zeit" in SMS und E-Mails unter anderem abfällig über Ostdeutsche geäußert und versucht haben, in den Bundestagswahlkampf einzugreifen. Aus Springer-Kreisen heißt es, der Artikel bestehe aus "manipulativen SMS-Fetzen".
Ein Medienbericht über angebliche konzerninterne Nachrichten von Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner hat erneut für Wirbel rund um die Affäre um den früheren "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt gesorgt.
Die Wochenzeitung "Die Zeit" hatte am Morgen einen langen Bericht über den Springer-Chef veröffentlicht und sich auf Dokumente berufen, die aus den vergangenen Jahren stammen sollen. Es handele sich um E-Mails und Chatnachrichten aus dem engsten Führungskreis des Medienkonzerns. Viele seien vom Springer-Chef selbst.
Mehrere Nachrichten direkt an Reichelt gerichtet
Die Zeitung listete mehrere Zitate auf. Auffällig ist, dass mehrere direkt von Döpfner an den damaligen "Bild"-Chefredakteur Reichelt gerichtet worden sein sollen. Die journalistische Marke "Bild" gehört zum Springer-Portfolio.
In den Zitaten, die "Die Zeit" samt der darin enthaltenen Rechtschreibfehler aufführt, geht es zum Beispiel um abfällige Bemerkungen über Ostdeutschland. 2019 soll der Konzern-Chef laut dem Zeitungsbericht geschrieben haben: "Die ossis werden nie Demokraten. Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar und Produktions Zone mit Einheitslohn machen."
In weiteren Zitaten geht es um Sympathie für die Politik Donald Trumps. Und anscheinend kritisierte Döpfner auch Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die "Zeit" zog ein Zitat heran, in dem von "M" die Rede ist. "Sie ist ein sargnagel der Demokratie." In einer anderen Nachricht soll er wörtlich geschrieben haben: "free west, fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs".
Die Zeitung schreibt zudem, dass der Verlagschef parteilich agiert habe. So soll er sich vor der vergangenen Bundestagswahl eine pro-FDP-Berichterstattung in der "Bild" gewünscht haben. Zwei Tage vor der Bundestagswahl soll er Reichelt gedrängt haben: "Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind, können sie in Ampel so autoritär auftreten, dass die platzt und dann Jamaika funktioniert."
Döpfner weist Vorwürfe zurück
Die in dem Artikel gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies Döpfner zurück. Es handele sich um "aus dem Zusammenhang gerissene Text- und Gesprächsschnipsel", erklärte der Springer-Chef in einer internen Stellungnahme, wie der Konzern mitteilte. Er habe "natürlich keinerlei Vorurteile gegen Menschen aus dem Osten Deutschlands", heißt es darin. Aber er sei "seit Jahrzehnten enttäuscht und besorgt, dass nicht wenige Wähler in den neuen Bundesländern von ganz links nach ganz rechts geschwenkt sind. Der Erfolg der AFD beunruhigt mich."
Der Springer-Vorstandsvorsitzende ging auch auf den Vorwurf ein, er nehme Einfluss auf "Bild". Das sei als CEO und Miteigentümer sein Job, erklärte Döpfner. Aber über allem stehe die Freiheit der Redaktionen. Er streite gerne im Sinne der Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit - gerade auch mit den Chefredakteurinnen und Chefredakteuren, die "alle mündig und selbstbewusst" seien. Dies gelte auch für die behauptete Einflussnahme in Sachen FDP, deren Werten er sehr nahe stehe.
Ostbeauftragter fordert Rauswurf des Springer-Chefs
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, forderte die Ablösung Döpfners als Springer-Chef. "Herr Döpfner ist nach dieser Veröffentlichung an der Spitze eines Verlages mit dieser publizistischen Macht und mit Blick auf die wichtige Rolle der Medien für unsere Demokratie endgültig nicht mehr tragbar", sagte Schneider dem Nachrichtenportal t-online.
Er finde, zu einem realistischen Bild der Gesellschaft gehöre auch die Perspektive der Ostdeutschen, die auch mehr als 30 Jahre nach der Einheit zu wenig zum Tragen komme. "Die Gedanken von Herrn Döpfner zeigen nicht nur Verachtung für diese Perspektive und die Menschen, sondern auch für die Demokratie." Die Spaltung des Landes dürfe kein Geschäftsmodell sein.
Ramelow kritisiert Döpfner-Aussagen
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) reagierte mit Empörung auf Äußerungen Döpfners. "Hier wird die deutsche Einheit geistig zerstört, indem die Menschen, die die Einheit erkämpft haben, wie Dreck behandelt werden", sagte Ramelow in einem Interview mit MDR-Aktuell. Döpfner habe die deutsche Einheit nicht verstanden und wolle sie nicht.
Mit Blick auf die publizistische Macht des Springer-Konzerns sagte Ramelow: Döpfner manipuliere seine Redakteure und entwerte damit auch den Journalismus. Er trete jede Form von freiem Journalismus und die Unabhängigkeit von Journalisten mit Füßen.
Vorwürfe des Machtmissbrauchs
Mit dem Artikel holt die Affäre um Reichelt den Medienkonzern, der vor allem in den USA expandieren will, erneut ein. Reichelt musste im Herbst 2021 seinen Posten als Chefredakteur von Deutschlands größter Boulevardzeitung räumen und den Konzern verlassen.
Hintergrund seines Endes bei "Bild" waren Vorwürfe des Machtmissbrauchs in Verbindung mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen gewesen. Der Journalist selbst hatte später von einer "Schmutzkampagne" gegen ihn gesprochen und hatte Vorwürfe zurückgewiesen.
Döpfner war bereits einmal wegen einer privaten Kurznachricht in die Kritik geraten. Der Springer-Chef hatte Reichelt in einer Nachricht an den Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre als letzten und einzigen Journalisten in Deutschland bezeichnet, der noch mutig gegen den "neuen DDR-Obrigkeitsstaat" aufbegehre. Fast alle anderen seien zu "Propaganda Assistenten" geworden. Springer hatte die Kurznachricht als Ironie eingeordnet.