Initiative vorgestellt Bundesregierung will gegen Einsamkeit vorgehen
Nicht erst seit Corona sind Menschen einsam - doch die Pandemie verstärkt das Problem. Familienministerin Spiegel hat nun ein "Kompetenznetz Einsamkeit" gestartet. Es soll praktische Hilfen geben und die Forschung vorantreiben.
Ungefähr jede zehnte in Deutschland lebende Person fühlt sich oft oder sehr oft einsam. Manche Menschen sind aber auch gern allein. Bundesfamilienministerin Anne Spiegel von den Grünen beschreibt, wann Einsamkeit zur Aufgabe für die Gesellschaft wird: "Wenn man raus will aus der Isolation und es nicht schafft, genau dann wird Einsamkeit zum Problem - wenn man darunter leidet", so Spiegel.
Einsamkeit hat Folgen
Und dieses Leiden hat Nebenwirkungen. Die Psychologieprofessorin Maike Luhmann forscht zum Thema Einsamkeit: "Zum Beispiel wissen wir, dass Menschen, die einsam sind, eher unter einer schlechteren psychischen Gesundheit leiden, eher einen ungesunden Lebensstil, eine verringerte Stressresistenz haben - und sogar finanzielle Probleme wurden mit Einsamkeit in Verbindung gebracht."
Solche Effekte der Einsamkeit, aber auch die Ursachen und was man dagegen tun kann - über alles dies weiß man noch zu wenig. Das "Kompetenznetz Einsamkeit" will Forschungsergebnisse und praktische Erfahrungen sammeln und weitergeben. Gut eine Million Euro gibt es dafür vom Ministerium.
Dagmar Hirche vertritt beim Start des "Kompetenznetzes Einsamkeit" den Hamburger Verein "Wege aus der Einsamkeit". Sie will vor allem ermutigen: "Hey, es gibt auch Lösungen!" Eine dieser Lösungen: in der Pandemie per Zoom Treffen auch für Ältere organisieren - Einführung in die digitale Welt inklusive. 18.000 Menschen hat Dagmar Hirches Verein damit erreicht.
Armut treibt Menschen in die Einsamkeit
Auf ein Problem ist sie dabei immer wieder gestoßen: "Ein Riesenthema ist die Armut. Wenn wir uns jetzt alleine die Stromkosten angucken. Das wird noch mal Menschen mehr in die Einsamkeit treiben, weil sie kein Geld haben an Sport teilzunehmen, weil sie kein Geld haben an Veranstaltungen teilzunehmen, weil sie kein Geld haben, sich WLAN zuhause anzuschaffen." Die materielle Ausgangslage ist das eine - das andere sind ganz individuelle Erfahrungen wie Umzüge, Trennungen oder andere Brüche.
In der Pandemie ist die Lage für Kinder und Jugendliche durch Schulschließungen und Quarantäneregeln schwieriger geworden, aber auch in den Heimen haben sich durch die Besuchsverbote stille Dramen abgespielt. Um die "Pandemiedelle" im Erleben von Kindern und Jugendlichen auszugleichen hat Ministerin Spiegel nun ein Maßnahmenpaket angekündigt. Schwerpunkte: Bewegung, Sport und Kultur vor allem für Kinder und Jugendliche.
Das Thema Einsamkeit ist als Forschungsgegenstand und Aufgabe für Sozialarbeit, Lokalpolitik und Stadtplanung bisher noch unterbelichtet. Oft geht es darum, Gelegenheiten zu schaffen. So sind beispielsweise Bänke auf Spielplätzen ein guter Ort für Begegnungen zwischen den Generationen. Auch würdigten alle Beteiligten die Arbeit der über 500 Mehrgenerationenhäuser hierzulande.
"Scheitern ist kein Problem"
Es kommt für Betroffene sowie für Helferinnen und Helfer auf den ersten Schritt an, findet Dagmar Hirche vom Verein "Wege aus der Einsamkeit": "Wichtig ist: gehen sie los! Und wenn sie scheitern? Scheitern ist doch kein Problem! Dann sage ich immer: Pech gehabt, mach ich eben was Neues." Was Neues könnte zum Beispiel auch der Besuch auf der Homepage des "Kompetenznetzes Einsamkeit" sein. Heute hat Familienministerin Spiegel sie offiziell freigeschaltet.