Steuerliches Entlastungspaket Lindner will Inflationsausgleich für breite Mitte
Finanzminister Lindner will mit Steuerplänen zum Ausgleich der Inflation die breite Mitte der Gesellschaft entlasten. 48 Millionen Menschen würden profitieren, sagte er. Kernpunkte sind ein höherer Grundfreibetrag und mehr Kindergeld.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat die Eckpunkte für ein "Inflationsausgleichsgesetz" vorgestellt. Würde das Gesetz beschlossen werden, würden 48 Millionen Menschen davon profitieren, so Lindner. Durchschnittlich läge die Entlastung bei 192 Euro.
Der Finanzminister will mit den steuerlichen Plänen für einen Ausgleich der Inflation die breite Mitte der Gesellschaft entlasten. "Die Menschen sind angesichts der Inflation besorgt", sagte Lindner. Angesichts der Befürchtung von steigenden Preisen für Gas und Lebensmittel sei man in einer Situation, wo gehandelt werden müsse.
Lindner will kalte Progression ausgleichen
Lindner sprach von einer Steuersenkung in Höhe von mehr als zehn Milliarden Euro. Der Finanzminister will vor allem die kalte Progression ausgleichen. So bezeichnet man eine Art schleichende Steuererhöhung, wenn Gehaltserhöhungen durch die Inflation aufgefressen werden, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führen. Dann fallen höhere Steuern an, obwohl die Kaufkraft real gar nicht steigt.
Lindner sprach von einer "Steuererhöhung durch Unterlassung", die er abwenden wolle. Zusätzlich zu einer Anpassung der Eckwerte im Einkommensteuertarif sollen nach den Plänen des Finanzministers auch das Kindergeld und der Kinderfreibetrag erhöht werden.
"Wir sind in einer Situation, wo gehandelt werden muss"
Das Vorhaben ist in der Ampelkoalition umstritten. Von SPD und Grünen werden stattdessen gezielte Entlastungen für Einkommensschwache gefordert. Lindner warnte jedoch, steuerliche Mehrbelastungen seien in der aktuell fragilen Lage "nicht fair und wäre auch für die wirtschaftliche Entwicklung gefährlich". Nachdem es im Vorfeld bereits Kritik von vielen Seiten gab, rechtfertige Lindner die von ihm geplanten Steuerentlastungen als Gebot der Fairness. "Wir sind in einer Situation, wo gehandelt werden muss", so Lindner.
Vorgesehen seien eine Anhebung des Grundfreibetrages bei der Einkommensteuer, Änderungen im Steuertarif sowie Anhebungen von Kindergeld und Kinderfreibetrag. Bei allen, deren Jahreseinkommen unter 62.000 Euro liegt, solle der Entlastungseffekt die Mehrbelastung durch die kalte Progression übersteigen.
"Hier geht es nicht um eine Entlastung, sondern um einen Verzicht auf Belastung", sagte Lindner. Auch er sei dafür, dass "starke Schultern mehr tragen sollen als schmale Schultern". Durch die kalte Progression würden aber auch "Menschen belastet, deren Schultern gar nicht breiter geworden sind".
SPD-Fraktionsvize: Vorschläge "verbesserungsbedürftig"
"Ein weiterer kräftiger Entlastungsimpuls bis in die Mitte der Gesellschaft ist richtig und notwendig, sollte aber vor allem auf Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zielen", sagte der Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Achim Post, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Vorschläge des Finanzministers seien unter diesem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit noch verbesserungsbedürftig.
Post betonte zudem, dass ein vollständiger Abbau der sogenannten kalten Progression gerade in der jetzigen Phase einer hohen Inflation "äußert kostspielig und alles andere als zielgerichtet" wäre, da hohe Einkommen davon besonders stark profitieren würden. "Die vorgeschlagenen Anhebungen beim Grundfreibetrag und Kindergeld gehen zwar in die richtige Richtung, reichen jedoch nicht aus", fügte der SPD-Finanzpolitiker hinzu. Die hohen Energie- und Lebensmittelpreise träfen vor allem kleine und mittlere Einkommen.
Er schlug als Alternative Direktzahlungen vor, mit denen kleine und mittlere Einkommen gezielt entlastet werden könnten. Es sei aber klar, dass die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP weitere Entlastungen in Angriff nehmen werde.
Grünen-Fraktionsvize: "Geht an Realität vorbei"
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte: "Steuersenkungen in Milliardenhöhe, von denen Topverdiener dreimal so stark profitieren wie Menschen mit kleinen Einkommen, gehen an der Realität vorbei." Es müssten nun Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen entlastet werden.
Der finanzpolitische Sprecher der Linken-Fraktion im Bundestag, Christian Görke, nannte Lindners Steuerplan einen "Witz". Die unteren 70 Prozent der Bevölkerung würden fast komplett leer ausgehen, da sie kaum Einkommensteuer zahlten. "Eine Senkung hilft ihnen daher nur minimal. In absoluten Zahlen profitieren Spitzenverdiener nach Lindners Vorschlag sogar am stärksten."
Union begrüßt Lindners Vorschläge
Unterstützung erhält Lindner aus der Union für seine Pläne zur steuerlichen Entlastung. "Die Entlastungsvorschläge von Herrn Lindner sind zwar noch ausbaufähig, gehen aber in die richtige Richtung", sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Julia Klöckner, der Nachrichtenagentur AFP.
Der Ampelkoalition warf sie Handlungsunfähigkeit in der Frage der kalten Progression vor. "Grüne und SPD haben schon im Vorfeld den Vorschlägen widersprochen", sagte Klöckner. "Die Bürger wollen angesichts einer immer höheren Inflation endlich die Umsetzung von Entlastungen statt immer neuer Diskussionen innerhalb der Ampel." Für die Bundesregierung müsse nun gelten: "Entscheiden statt streiten."
DGB: "Steuerkonzept greift viel zu kurz"
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lehnt die Vorschläge ab. Lindners Steuerkonzept "greift viel zu kurz", sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der Nachrichtenagentur dpa. Für eine ausreichende Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen müsste der Grundfreibetrag auf 12.800 Euro steigen. "Stattdessen profitieren Spitzenverdiener und Reiche, obwohl sie weit weniger Probleme haben, mit den aktuellen Preissteigerungen zurecht zu kommen", kritisierte Körzell.
Aus Sicht des DGB ist die Beseitigung der kalten Progression allein nicht der Schlüssel zu mehr Steuergerechtigkeit, wie Körzell betonte. "Wichtig wären jetzt steuerliche Entlastungen für die breite Masse." Er verwies auf ein DGB-Konzept, wodurch nach seinen Angaben 95 Prozent der Haushalte bessergestellt würden. Das Kernanliegen zur Finanzierung: "Spitzenverdiener und Vermögende müssen mehr zum Steueraufkommen beitragen", sagte Körzell. Dies sehe Lindner nicht vor.
Das Konzept des FDP-Politikers verursache stattdessen "gravierende Mindereinnahmen" für den Fiskus. "Ganze 15 Prozent der Kosten sollen die schon jetzt überschuldeten Kommunen tragen, die zeitgleich Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Klimaschutz tätigen sollen", sagte Körzell. "Das passt vorne und hinten nicht."
Bund der Steuerzahler: Kein "echtes Entlastungspaket"
Dem Bund der Steuerzahler gehen die Pläne Lindners dagegen nicht weit genug. "Es handelt sich nicht um ein echtes Entlastungspaket, sondern nur um einen teilweisen Ausgleich der extrem hohen Belastung", so Präsident Reiner Holznagel. Zudem stecke nicht nur ein politischer Wille dahinter, sondern vor allem eine gesetzliche Verpflichtung. Schließlich müssten die Freibeträge für Kinder und Erwachsene bei der Einkommensteuer per Gesetz der Preissteigerung angepasst werden.