EU-Innenminister beraten über Flüchtlingspolitik Wieviel Solidarität ist nötig?
Die EU-Innenminister debattieren die gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik. Bei dem informellen Treffen in Mailand will Italien, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, die anderen EU-Staaten zu mehr Unterstützung bei der Aufnahme von Flüchtlingen auffordern. Doch es gibt Widerstand.
Es geht um Menschenleben und es geht um europäische Solidarität. Über 60.000 Flüchtlinge sind im ersten Halbjahr in die EU gekommen, die meisten in Booten übers Mittelmeer. Sie zu retten und aufzunehmen - das ist Aufgabe der gemeinsamen EU-Flüchtlingspolitik. Aber die funktioniert in der Praxis nicht immer. Einige Regierungen fühlen sich überfordert.
"Von den 28 EU-Mitgliedern machen nur 13 Länder bei der Aufnahme von Flüchtlingen über das UN-Flüchtlingshilfswerk mit, 15 sind nicht dabei", sagt beim Ministertreffen in Mailand Tobias Billström, Schwedens Minister für Migration und Asylpolitik. Schweden hat im Verhältnis zu seiner Bevölkerung EU-weit die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Andere tun weniger oder gar nichts.
Billström beklagt: "Italien macht einen tollen Job, wenn es darum geht, im Mittelmeer Leben zu retten. Aber viele Menschen, die an der italienischen Küste ankommen, fahren weiter nach Schweden oder Deutschland. Die beiden Länder haben zwei Drittel der syrischen Asylbewerber aufgenommen."
Unterschiedliche Auffassungen über Solidarität
Die EU-Asylpolitik richtet sich nach den Bestimmungen von Dublin: Asylbewerber dürfen nur ein Verfahren anstrengen und zwar dort, wo sie in die EU einreisen. Weil fast alle übers Mittelmeer kommen, trägt Italien die Hauptlast - zunächst, betont Bundesinnenminister Thomas de Maizière: "Die vielen Flüchtlinge, die in Italien ankommen, bleiben gar nicht dort, sondern kommen weiter auch ohne dafür vorgesehene Verfahren in die nördlichen Staaten Europas. Auch darüber ist zu sprechen, wenn es um Solidarität geht."
Streit über Quote und Frontex-Aufgaben
Einige Staaten verlangen eine Quote - jedes EU-Land soll einen bestimmten Anteil von Asylbewerbern aufnehmen. Rom will außerdem erreichen, dass die italienische Marine-Mission Mare Nostrum eine Angelegenheit der gesamten EU wird, dass künftig die EU-Grenzschutzagentur Frontex Schiffbrüchige aufspürt und rettet. "Es kann nicht dauerhaft Aufgabe der italienischen Marine sein, Flüchtlinge aufzunehmen", sagt de Mazière. "Aber die Vorstellung, dass Frontex mit seinen bescheidenen Mitteln Aufgaben der italienischen Marine übernimmt, die halte ich auch für unrealistisch."
EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström hat die Mitgliedsländer vor dem Ministertreffen aufgefordert, mehr Menschen aus Flüchtlingscamps aufzunehmen. Der Bundesinnenminister sieht da wie sein schwedischer Kollege Billström ein Ungleichgewicht in der EU: "Wir haben auch Staaten, die im Verhältnis zu ihrer Bevölkerung deutlich zu wenig Flüchtlinge aufnehmen. Dazu gehören die mittel- und osteuropäischen Staaten."
De Mazière : Problem nicht erst in der EU angehen
De Maizière verlangt eine Flüchtlings- und Asylpolitik, die schon ansetzt, bevor Menschen die gefährliche Überfahrt wagen, in Herkunftsländern wie Eritrea oder in Transitländern wie Libyen: "Das ist die Stabilisierung der nordafrikanischen Staaten mit einer konsistenten Politik, die es so noch nicht gibt", sagt de Maizière. Die EU braucht eine abgestimmte und kluge Politik auch in ihrer Nachbarschaft