Karlsruhe berät über Hürde bei Europawahl Kippt die Drei-Prozent-Klausel?
Das Verfassungsgericht prüft, ob die Drei-Prozent-Hürde bei der Europawahl gegen das Grundgesetz verstößt. Mehrere kleine Parteien haben gegen die Klausel geklagt. 2011 hatten die Verfassungsrichter bereits die Fünf-Prozent-Hürde gekippt.
Eher sarkastisch als sachlich argumentierte ein Rechtsanwalt der vielen kleinen Parteien, die vor das Verfassungsgericht gezogen sind gegen die Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht. Jede Partei, sagte er, müsse in einer Demokratie doch die Möglichkeit haben, sich zu blamieren. "Da wollen wir Ihnen ungern widersprechen," entgegnete der Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle und hatte die Lacher auf seiner Seite.
Voßkuhle erinnerte zu Beginn der Verhandlung noch einmal an das gerade zwei Jahre alte Karlsruher Urteil zur Sperrklausel bei der Europawahl. Damals habe das Gericht nicht erkennen können, "dass die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Europäischen Parlaments ohne Sperrklauselregelung mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit beeinträchtigt werde."
Europäische Vorgaben für Sperrklauseln
Andererseits wies der federführende Berichterstatter in diesem Verfahren, Verfassungsrichter Michael Gerhardt, darauf hin, was für die neue Drei-Prozent-Hürde sprechen könnte: Inzwischen gibt es europäische Vorgaben für solche Sperrklauseln.
Das sagte schon vor der Verhandlung der sozialdemokratische Spitzenkandidat bei der Europawahl, Martin Schulz: "In Deutschland müssen wir, glaube ich, einen Maßstab anlegen, wie er in allen anderen Ländern der EU auch angelegt wird. Und da ist die Drei-Prozent-Hürde eigentlich ein normales Instrument."
Sein christdemokratischer Kollege aus dem Europarlament, Elmar Brok, ergänzte, weshalb aus seiner Sicht die Sperrklausel für die Funktionsfähigkeit Europas unerlässlich sei: "Wir müssen bei jedem Gesetz, um die Bürokratie und die nationalen Regelungen zu überwinden, eine qualifizierte Mehrheit, eine Kanzlermehrheit, wenn ich das mal so sagen darf, zustande bringen. Wir müssen in Zukunft den Kommissionspräsidenten wählen, den europäischen Regierungschef."
Zudem habe das Europaparlament mehr Rechte als der Deutsche Bundestag, da dort auch die Kommission gewählt und Anhörungen durchgeführt würden. "Dafür müssen wir schon handlungsfähig sein", so Brok.
Beobachter erwarten baldiges Urteil
Der Speyrer Staatsrechtsprofessor Hans Herbert von Arnim verdeutlichte für die beschwerdeführende ÖDP, wie viele Stimmen schon heute für ein deutsches Europamandat nötig seien. Selbst wenn die Drei-Prozent-Sperrklausel aus dem Europawahlrecht gestrichen würde, wären immer noch 130.000 Stimmen für ein deutsches Mandat im Europäischen Parlament nötig. Länder wie etwa Estland bräuchten nur 35.000 Wähler dafür.
Da fünf Monate vor der Europawahl noch immer kein gültiges Wahlrecht gelte, könnten gerade kleine Parteien sich nicht auf die kommenden Wahlen vorbereiten, klagte Sebastian Frankenberger, Parteichef der ÖDP: "Wir mussten die Liste schon aufstellen, denn wir müssen Unterstützungsunterschriften sammeln." Das hätte man nach Bekanntgabe des Urteils nicht mehr geschafft.
"Aber auch die ganzen Werbemittel müssen jetzt erstellt werden", argumentiert Frankenberger. "Da muss draufstehen: Gibt es jetzt es eine Hürde oder gibt es keine Hürde? Weil der Wähler unterschiedlich wählt. Er sagt: Dann ist meine Stimme nicht verloren." Darum sei es ganz wichtig, dass so schnell wie möglich ein Urteil gefällt werde. "Wir sind alle ein bisschen angefressen."
Da die Zeit drängt, rechnet man mit einem baldigen Urteil des Verfassungsgerichts - wahrscheinlich schon in den ersten Wochen des kommenden Jahres.