Expertenrat für Klimafragen Verkehr hat Klimaziel auch 2023 deutlich gerissen
Der Verkehrsbereich hat sein Klimaziel das dritte Jahr in Folge verfehlt. Verkehrsminister Wissing muss nun handeln. Das bietet neuen Zündstoff im Streit über das Klimaschutzgesetz.
Der Verkehrsbereich hat auch 2023 deutlich mehr Abgase verursacht als gesetzlich erlaubt. Das hat der unabhängige Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung festgestellt. Statt den erlaubten 133 Millionen Tonnen Treibhausgase stieß der Sektor im vergangenen Jahr 146 Millionen Tonnen aus. Das schreiben die Fachleute in ihrem Prüfbericht zu Daten des Umweltbundesamts. Damit verfehlt der Verkehrssektor sein Klimaziel das dritte Jahr in Folge.
Insgesamt habe es in Deutschland einen starken Rückgang der Emissionen um rund zehn Prozent im vergangenen Jahr gegeben, bestätigte das unabhängige Expertengremium. Der Ausstoß ist von 750 auf 674 Millionen Tonnen Treibhausgase gesunken. Dies sei der höchste prozentuale Rückgang binnen eines Jahres seit 1990.
Der Expertenrat für Klimafragen ist ein unabhängiges Gremium aus fünf Sachverständigen. Der gesetzliche Auftrag ergibt sich aus dem Bundes-Klimaschutzgesetz. Der Expertenrat prüft die durch das Umweltbundesamt erstellten Daten der Treibhausgasemissionen, die jährlich im März für das Vorjahr vorgelegt werden, und legt Risikobewertungen vor.
Expertenrat: Bisherige Klimaschutz-Maßnahmen reichen nicht aus
Wie schon Bundesumweltamt und Bundesklimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) führt aber auch der Expertenrat das nicht auf wirksame Klimaschutzpolitik, sondern auf die schwächelnde Wirtschaft und das Wetter zurück. "Ohne den Rückgang der energieintensiven Industrie und die erneut milde Witterung im Jahr 2023 hätten die Emissionen deutlich höher gelegen", sagte der Vorsitzende des Rates, Hans-Martin Henning. Unter anderen Bedingungen wäre das Jahresziel wohl nicht erreicht worden.
Der Verkehr habe jedoch deutlich mehr CO2 produziert als erlaubt, beim Gebäudesektor sei es knapp. "Nach dem Wortlaut des Gesetzes besteht für beide Sektoren die Notwendigkeit eines Sofortprogramms", sagte Henning,. Die bisher beschlossenen Maßnahmen reichten nicht aus.
Ministerium hat drei Monate Zeit um gegenzusteuern
Damit ist Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) gesetzlich zu einem Klima-Programm gezwungen. Wenn Bereiche Vorgaben verfehlen, müssen die zuständigen Ministerien innerhalb von drei Monaten mit Sofortprogrammen nachlegen.
Bereits in den vergangenen Jahren hatten die Sektoren ihre Ziele für die CO2-Emissionen verfehlt. Wissing hatte jedoch ein Sofortprogramm bisher abgelehnt, da die Ampelkoalition das Klimaschutzgesetz ändern will, das die Basis der Regel ist. Dort sind die jährlich zulässigen Emissionsmengen für einzelne Bereiche wie Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude festgehalten.
Koalitionsstreit um Reform des Klimaschutzgesetzes
Die genauen Klimaziele für einzelne Wirtschaftsbereiche sind der FDP ein Dorn im Auge. Im Grundsatz hat sich das Kabinett aus SPD, Grünen und FDP auch bereits auf eine Reform des Gesetzes geeinigt, mit dem die Ziele für die einzelnen Sektoren aufgeweicht werden. Demnach soll es künftig vor allem darauf ankommen, ob Treibhausgas-Sparziele über alle Bereiche hinweg insgesamt eingehalten werden. Derzeit ringen die Ampel-Fraktionen im Bundestag noch um das Gesetz.
Wissing drohte mit Wochenend-Fahrverboten
Wissing hatte zuletzt Druck für eine zügige Reform des Klimaschutzgesetzes gemacht - und gedroht, dass andernfalls drastische Einschränkungen wie Wochenend-Fahrverbote für Autos mit Verbrennermotor nötig sein könnten.
Dafür wurde er scharf kritisiert, sowohl aus Reihen der Koalition als auch Opposition: Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Andreas Jung sagte, die FDP veranstalte ein "Schmierentheater". Wissing schüre Verunsicherung, um davon abzulenken, dass er seine Hausaufgaben beim Klimaschutz nicht mache, sagte er den "Stuttgarter Nachrichten" und der "Stuttgarter Zeitung". Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerte sich kritisch über Wissings Drohung. "Fahrverbote lehnen wir ab", sagte er der "Bild"-Zeitung.