Gutachten des Expertenrats Klimaziele 2022 nur teilweise erreicht
Deutschland hat im vergangenen Jahr weniger Treibhausgase als 2021 freigesetzt. Doch der Rückgang könnte nur vorübergehend sein, warnt der Expertenrat der Bundesregierung. Mit Blick auf die Reform des Klimaschutzgesetzes ruft der Rat zum Nachbessern auf.
Bis 2030 will Deutschland seinen Ausstoß von Treibhausgasen um mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 verringern. Doch dieses Ziel ist in Gefahr, warnte der Expertenrat für Klimafragen anlässlich der Veröffentlichung seines Berichts zur Berechnung der Treibhausgasemissionen für 2022.
Nach den vom Expertenrat überprüften Berechnungen des Umweltbundesamts (UBA) hat Deutschland sein Klimaziel im vergangenen Jahr eingehalten. So lag der Treibhausgasausstoß bei 746,2 Millionen Tonnen - gut 15 Millionen Tonnen weniger als im Vorjahr. Das entspricht einer Reduktion um 1,9 Prozent. Die Zahlen des UBA sind vorläufig - endgültige Werte stehen erst zu Beginn des kommenden Jahres fest.
Der Expertenrat für Klimafragen prüft die durch das Umweltbundesamt erstellten Daten der Treibhausgasemissionen, die jährlich im März für das Vorjahr vorgelegt werden. Der Rat setzt sich zusammen aus fünf unabhängigen Sachverständigen - der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, Hans-Martin Henning, ist aktuell Vorsitzender.
Klima profitierte von stagnierendem Wirtschaftswachstum
"Es könnte der Eindruck entstehen, dass Deutschland auf einem sicheren Weg ist bei der Einhaltung der Klimaziele", sagte Hans-Martin Henning, der Vorsitzende des Expertenrates. "Dieser Eindruck relativiert sich aber bei einer genaueren Betrachtung."
Deutschland erreichte sein Klimaziel 2022, weil die Industrie wegen des Angriffskrieges in der Ukraine, der Energiekrise und Problemen mit den Lieferketten weniger Emissionen produzierte, betonte Henning. Wäre das Wirtschaftswachstum nicht gemindert worden, so hätte der Ausstoß um neun Millionen Tonnen höher gelegen. Der Rückgang könnte nur temporär sein.
Verkehr und Gebäude verfehlen Ziele
Vor allem die Bereiche Verkehr und Gebäude bereiten den Experten Sorgen - beide verfehlten ihr jährliches Klimaziel. Vermutlich wegen der milden Witterung und einem zeitweise geänderten Heizverhalten stieß der Gebäudesektor sechs Millionen Tonen CO2 weniger aus. Das ist jedoch nicht genug, zum dritten Mal in Folge konnte der Sektor die jährlichen Klimavorgaben nicht erfüllen.
Auch der Verkehrssektor überschritt erneut die Klimaziele um 9,7 Millionen Tonen. Bereits zum zweiten Mal in Folge riss der Sektor damit die Vorgaben. Eine Trendumkehr sei nicht zu erkennen, so die Wissenschaftler. Die Fahrleistung habe 2022 auf dem Niveau von 2019 gelegen.
Im Bereich der Energiewirtschaft wurden die Ziele gemäß der vorläufigen Zahlen nur knapp erreicht - trotz deutlichem Anstieg der Emissionen von 245 in 2021 auf 256 Millionen Tonnen CO2 in 2022. Als Grund dafür wurden Einsparungen beim Erdgas genannt - stattdessen setzte die Industrie vermehrt auf Stein- und Braunkohle, aber auch auf mehr Erneuerbare Energien.
Expertenrat warnt vor Lockerung der Klimaschutzgesetze
Mit Blick auf die Einhaltung der Klimaschutzziele 2030, 2035 und 2045 warnte der Expertenrat vor einer Lockerung der Klimaschutzgesetze. Im aktuellen Gesetz hat jeder Sektor - wie Energie, Gebäude oder Verkehr -pro Jahr CO2-Vorgaben, die erfüllt werden müssen. Die Ampelkoalition plant, das zu ändern. Anhand einer sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtrechnung sollen die Einhaltung der Ziele überprüft werden. Ein Sektor kann damit die Verfehlungen eines anderen ausgleichen.
Diese mögliche Aufweichung der ausdrücklichen Ressortverantwortung sowie die Überlegungen zur Änderung des Steuerungsmechanismus erhöhten das Risiko, die Klimaziele nicht zu erreichen, bemängelten die Sachverständigen. Der Vorsitzende Henning appellierte an die Bundesregierung, die Vor- und Nachteile der geplanten Reform noch einmal zu überprüfen.