Projekt der Großen Koalition Die Rente fit machen - aber wie?
Rentenniveau, Beitragsbemessungsgrenze - die Begriffe sind sperrig, für ein entspanntes Leben im Alter können sie aber entscheidend sein. Die jüngsten Beschlüsse der Koalition und was noch diskutiert wird - ein Überblick.
Rentenniveau
Das Rentenniveau beschreibt die Höhe der gesetzlichen Rente eines Durchschnittsverdieners nach 45 Beitragsjahren im Verhältnis zum aktuellen Durchschnittslohn. Derzeit liegt es bei rund 48 Prozent, bis 2030 darf es nicht unter 43 Prozent sinken. Wenn nicht gegengesteuert wird, fällt es nach Berechnungen des Arbeitsministeriums nach jetziger Gesetzeslage bis zum Jahr 2045 auf 41,6 Prozent.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles will dies verhindern und sicherstellen, dass auch bis 2045 das Niveau nicht unter 46 Prozent sinkt. Der Beitragssatz (derzeit 18,7 Prozent) soll bei 25 Prozent gedeckelt werden. Ein entsprechendes Gesamtkonzept legte sie Ende November vor.
Ost-West-Angleichung
Bis zum Jahr 2025 sollen die Rentenwerte in Ost und West gleich sein. Für einen Rentenpunkt bekommt man dann im Osten monatlich genauso viel Rente wie im Westen. Gegenwärtig liegt der Rentenwert Ost bei 94,1 Prozent des Westwerts - das sind 28,66 Euro im Vergleich zu 30,45 Euro. Die Angleichung soll nicht bis 2020 erfolgen, wie im Koalitionsvertrag festgelegt, sondern in sieben Schritten bis 2025. Gleichzeitig wird die Höherwertung von Ost-Löhnen abgebaut, durch die Ost-Arbeitnehmer bisher für das gleiche Geld mehr Rentenpunkte sammeln können als Beschäftigte im Westen.
Die Angleichung kostet mehrere Milliarden Euro - angefangen mit etwa 600 Millionen Euro 2018 bis hin zu 3,9 Milliarden Euro in der letzten Stufe. Finanziert werden soll dies aus Steuermitteln - sagt die SPD. Das CDU-geführte Finanzministerium widerspricht.
Erwerbsminderungsrente
Wer nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt arbeiten kann, muss eine Erwerbsminderungsrente beantragen. Laut Bundesarbeitsministerium betrug eine volle Erwerbsminderungsrente 2014 durchschnittlich 672 Euro im Monat, weshalb immer mehr dieser Rentner auf die Grundsicherung angewiesen sind. Union und SPD wollen die Erwerbsminderungsrente deshalb von 2018 an bis 2024 in sechs Schritten erhöhen. Das geschieht, indem die Rente nach und nach so berechnet wird, als hätte der Beschäftigte 65 Jahre gearbeitet. Heute sind es 62 Jahre. Das soll laut Bundesarbeitsministerium aber nur für Neurentner gelten. Für die heutigen rund 1,8 Millionen Erwerbsminderungsrentner ändert sich nichts.
Betriebsrente
Die betriebliche Altersvorsorge als zweite Säule neben der gesetzlichen Rentenversicherung soll gestärkt werden. Arbeitgeber sollen einen staatlichen Zuschuss von 72 bis 144 Euro erhalten, wenn sie für Geringverdiener mit einem Einkommen bis zu 2000 Euro 240 bis 480 Euro jährlich in die betriebliche Altersvorsorge einzahlen. Im Rahmen von Tarifverträgen soll es möglich sein, Betriebsrenten ohne Haftung der Arbeitgeber zu vereinbaren.
Riester-Rente
Für die staatlich geförderte Riester-Rente soll ein einfaches Standard-Produkt eingeführt werden, weil das Vertrauen in diese Vorsorgeform gesunken ist und die Vertragsabschlüsse stagnieren (Stand Juni 2016: 16,5 Millionen Riester-Verträge). Die Grundzulage soll von 154 Euro auf 165 Euro erhöht werden. Der Anreiz für Geringverdiener, privat oder betrieblich vorzusorgen, soll durch Freibeträge erhöht werden. Wer also im Alter auf Grundsicherung angewiesen sein sollte, soll den Plänen zufolge künftig dennoch bis zu 200 Euro monatlich von seiner Betriebs- oder Riester-Rente behalten können. Heute werden alle Einkünfte angerechnet.
Was noch diskutiert wird
SPD, CDU und CSU haben bei der Rente noch eine lange Wunschliste. Die Vorstellungen gehen hier weit auseinander. Uneinig bleibt das Regierungsbündnis bei folgenden Punkten:
Solidarrente für Geringverdiener (Nahles-Vorschlag)
Zur Bekämpfung von Altersarmut sollen nach Nahles' Vorstellungen langjährige Beitragszahler, die nur Mini-Renten beziehen, als "neue Sozialleistung" eine Solidarrente erhalten. Wer 35 Jahre an Beitragszeiten aufweisen kann - darunter auch Zeiten der Pflege und kurzer Arbeitslosigkeit - soll in der regional unterschiedlich hohen Grundsicherung einen Aufschlag von zehn Prozent erhalten. Auf eine Bedürftigkeitsprüfung will Nahles verzichten. Allerdings wird das Einkommen des Partners gegenrechnet, soweit dessen Einkünfte monatlich 1600 Euro übersteigen. Die Koalition hat hier noch Gesprächsbedarf.
Selbstständige (Nahles-Vorschlag)
Etwa drei Millionen Selbstständige sind laut Nahles mit Blick auf die Altersvorsorge nicht ausreichend abgesichert. Die SPD-Politikerin will sie in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen, was auf kurze Sicht die Finanzlage der Rentenkasse verbessert, auf lange Sicht aber zu höheren Rentenausgaben führt. Sie will vermeiden, dass Selbstständige wegen mangelnder Vorsorge der staatlichen Grundsicherung zur Last fallen. Selbstständige sollen sich von der Versicherungspflicht befreien lassen können, wenn sie anderweitig für das Alter vorgesorgt haben. Die Union will die Vorsorge auch verbessern, lehnt aber eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung ab.
Renteneinstiegsalter
Laut Gesetz steigt das Renteneinstiegsalter bis 2029 auf 67 Jahre. Während Finanzminister Wolfgang Schäuble sich dafür ausspricht, dass mit steigender Lebenserwartung das Renteneintrittsalter weiter steigt, lehnt die SPD dies ab. Worauf sich die Koalition bereits geeinigt hatte, ist der flexiblere Übergang von der Arbeitswelt ins Rentnerleben, Stichwort: Flexi-Rente.
Die Flexi-Rente soll es erleichtern, ab dem 63. Lebensjahr - also vor Erreichen der Regelaltersgrenze - eine Teilzeitarbeit mit einer Teilrente zu ergänzen. Teilrente und Hinzuverdienst werden flexibel und individuell miteinander kombinierbar. Grundsätzlich können zur vorgezogenen Rente ab 63 jährlich 6300 Euro ohne Abzüge hinzuverdient werden. Darüber hinausgehende Verdienste werden zu 40 Prozent auf die Rente angerechnet. Das bereits vom Bundestag beschlossene Gesetz soll Mitte 2017 in Kraft treten.
Mütterrente (CSU-Vorschlag)
Bereits seit Mitte 2014 werden Müttern älterer Kinder zwei Erziehungsjahre für die Rente zugesprochen - und damit eines mehr als zuvor. Mütter, die ihre Kinder nach 1992 zur Welt brachten, bekommen allerdings drei Jahre angerechnet. Die CSU will das dritte Erziehungsjahr bei allen anerkennen. Im Koalitionsvertrag ist dazu nichts vorgesehen. CDU und vor allem SPD sind wegen der hohen Kosten dagegen. Laut Nahles geht es um 6,6 Milliarden Euro im Jahr. Den einzelnen Müttern würde die Aufstockung einem Bericht zufolge 30,45 Euro pro Monat und Kind zusätzlich bringen.