Generaldebatte im Bundestag Die Union attackiert, der Kanzler wird laut
Haushalt, Migration, Wirtschaft - die Opposition hat sich bei der Generaldebatte im Bundestag an der Regierung abgearbeitet. Kanzler Scholz wiederum griff die Union an - und wurde dabei für seine Verhältnisse deutlich.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat Bundeskanzler Olaf Scholz und die Bundesregierung scharf angegriffen. Zum Auftakt der Generaldebatte im Bundestag warf Dobrindt dem Kanzler Ignoranz und Arroganz vor. Dass Scholz immer wieder behaupte, die Regierung mache gute Arbeit, sei eine Respektlosigkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Deutschlands.
"Ihre Koalition ist keine Koalition des Fortschritts, es ist eine Koalition des Abstiegs in diesem Land", sagte Dobrindt, der die Debatte anstelle von Unions-Fraktionschef und Oppositionsführer Friedrich Merz eröffnete. Deutschland sei seit Antritt der Ampel weder sicherer geworden noch wettbewerbsfähiger, sagte der CSU-Politiker.
Kritik an Haushaltspolitik
Dass die Migrationsgespräche zwischen Regierung und Union am Dienstag gescheitert seien, sei ein weiterer Tiefpunkt in der "Abstiegsbilanz" der Regierung. Das unzureichende Vorgehen gegen irreguläre Migration stärke die extremen politischen Kräfte in Deutschland. Unerwähnt ließ Dobrindt dabei, dass unter der unionsgeführten Bundesregierung von Angela Merkel deutlich mehr Menschen nach Deutschland kamen als in den vergangenen drei Jahren unter der Ampelkoalition.
Er kritisierte zudem die Haushaltspolitik der Regierung. Deutschlands Wirtschaft habe ein "Nullwachstum" und Finanzminister Christian Lindner (FDP) erkläre dies mit "strukturellen Schwächen unseres Landes". Tatsächlich sei aber die Regierung Schuld. "Ihr permanenter Streit, ihr Energiedesaster, ihr Haushaltsdesaster, das verunsichert die Bürger, das verunsichert den Mittelstand, das verunsichert die Unternehmen", rief Dobrindt der Regierungsbank zu.
Scholz wird laut und deutlich
Als zweiter Sprecher im Plenum wies Kanzler Scholz die Vorwürfe von sich - und griff seinerseits die Union in einem für ihn äußerst deutlichen Ton an. Nach den geplatzten Migrationsgesprächen machte er CDU-Chef Friedrich Merz scharfe Vorwürfe. "Sie sind der Typ von Politiker, der glaubt, mit einem Interview in der 'Bild am Sonntag' hätte er schon die Migrationsfrage gelöst", kritisierte er. Kaum habe Merz die Redaktionsräume verlassen, habe er aber schon vergessen, was er vorgeschlagen habe. "Weil Sie niemals vorhatten, sich darum zu kümmern."
Merz und die Union hätten sich in die Büsche geschlagen, statt Verantwortung zu übernehmen. "Sprücheklopfen, nichts hingekriegt", rief Scholz der Union zu. Die Bürger wollten keine Theateraufführungen erleben, sondern, dass ernsthaft und seriös Politik gemacht werde. Es wäre gut gewesen, in der Migrationsfrage zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, so der Kanzler. Gleichzeitig machte er der Union aber das Angebot, die Gespräche doch noch fortzusetzen. "Die Tür ist nicht zu."
"Wir müssen uns aussuchen können, wer kommt"
Scholz verteidigte auch die Migrationspolitik seiner Regierung und betonte die Notwendigkeit von Zuwanderung. "Es gibt kein Land der Welt mit schrumpfender Erwerbsbevölkerung, das wirtschaftliches Wachstum hat. Das ist die Wahrheit, mit der wir konfrontiert sind", sagte er.
Zugleich sei Steuerung und Kontrolle nötig. "Wir sind ein Land, das denjenigen, die politisch verfolgt werden, Schutz bietet und das steht in unserem Grundgesetz und das stellen wir nicht zur Debatte", sagte Scholz. "Weltoffenheit ist also notwendig. Aber Weltoffenheit bedeutet nicht, dass jeder kommen kann, der das möchte. Wir müssen uns aussuchen können, wer nach Deutschland kommt."
FDP macht ebenfalls Gesprächsangebot
FDP-Fraktionschef Christian Dürr rief die Union nach dem Abbruch der Migrationsgespräche zur Zusammenarbeit mit der Bundesregierung auf. "Ich glaube, für eine Blockade in der Frage der Ordnung und Begrenzung der Migration haben die Menschen in Deutschland kein Verständnis mehr", sagte Dürr im Bundestag.
Die Migrationspolitik sei das Top-Thema für die Bürger. "Die Migrationspolitik steht bei vielen Menschen in Deutschland im Zentrum dessen, was sie bewegt, bereits seit dem Jahr 2015", sagte Dürr. Notwendig sei, dass Demokraten, der Bund und die Länder in der Migrationspolitik an einem Strang ziehen.
Merz lehnt Asyl-Gespräche mit Regierung ab
Das Gesprächsangebot der Regierung wies Unionsfraktionschef Friedrich Merz jedoch zurück. "Wir begeben uns mit Ihnen nicht in eine Endlosschleife von Gesprächen", sagte er bei seiner Rede. Er beharrt - trotz aller rechtlichen Bedenken und der Kritik von Nachbarstaaten - an der Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze.
Damit begründete er auch den Abbruch der Gespräche seiner Union mit der Regierung. Die von der Regierung in dem Gespräch auf den Tisch gelegten Vorschläge seien unzureichend gewesen. Deshalb habe die Union das Treffen verlassen. Vorwürfe des Kanzlers, er habe die Runde aus taktischen Gründen platzen lassen, wie er zurück. Die Behauptung, das Scheitern der Gespräche sei "sozusagen mein Drehbuch" und "eine Inszenierung von mir gewesen, (...) ist infam", sagte er.
Grüne: Union verfolgt "Politik ohne Sinn und Verstand"
Die Grünen warfen der Union Angstmacherei vor. Die Merz-Vorschläge seien eine "Politik ohne Herz" und "ohne Sinn und Verstand". "Wer einen Vorschlag macht, der nicht mehr differenziert zwischen den Terroristen und ihren Opfern, der scheitert zurecht", sagte Fraktionschefin Katharina Dröge. Gefährder und Verbrecher verdienten keinen Schutz in Deutschland und müssten das Land verlassen. Hier hätten auch die Grünen "null Toleranz".
Nötig sei hier ein Sofortprogramm insbesondere zur besseren Unterstützung der Polizei. "Naiv" sei es hingegen wie Merz zu glauben, dass die Schließung der Grenzen zu EU-Nachbarstaaten, die Probleme löse. Folge wäre "absolutes Chaos" in Europa, sagte Dröge. "So kann man im Kern die Europäische Union kaputt machen."
AfD will kompletten Einwanderungsstopp
Die Vorsitzende der AfD, Alice Weidel, warf der Ampel und der CDU-geführten Vorgängerregierung vor, mit einer migrationsfreundlichen Politik die deutsche Gesellschaft gespalten zu haben. "Sie alle haben das migrationspolitische Staatsversagen in den letzten Jahren und Jahrzehnten aktiv vorangetrieben", sagte sie. Weidel attackierte Scholz scharf und bezeichnete ihn als "Kanzler des Niedergangs".
Die Bürger würden mit Alibipolitik und Migrationsgipfeln beschwichtigt, so Weidel. Sie forderte den kompletten Stopp des Zuzugs von Migranten für mindestens fünf Jahre, die "sofortige Ausweisung aller Illegalen und Straftäter" und die Beseitigung "aller sozialstaatlichen Anreize" für die Migration.
Linke und BSW: Nicht nur über Migration reden
Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kritisierten, dass die Regierung politisch die falschen Schwerpunkte setze. Die Co-Vorsitzende der Linken im Bundestag, Heidi Reichinnek, sagte, die Regierung habe keine Lösungen für Themen wie hohe Mieten, Kliniken oder Arbeitsplatzsicherung. Migration sei nicht das einzige Thema, vor dem Deutschland stehe, so Reichinnek.
BSW-Gründerin Wagenknecht sagte, die Politik der Ampel lasse Menschen an der Demokratie verzweifeln. "Demokratische Politik beginnt damit, sich einmal wieder für die Probleme im Land zu interessieren, statt sich in einer abgehobenen Blase einzurichten", sagte sie. Wagenknecht warf Scholz vor, seine Regierung sei eine Gefahr für Demokratie, Wohlstand, Sicherheit und Frieden in Deutschland.