Coronavirus Wie das schwache Impfinteresse die Praxen belastet
Seit Kurzem ist ein angepasster Covid-19-Impfstoff auf dem Markt. Bislang hält sich die Nachfrage jedoch in Grenzen. Für die Praxen bringt das einige Probleme.
In der Praxis von Frank Kennel im rheinland-pfälzischen Gönnheim klingelt das Telefon derzeit noch häufiger als sonst. Viele Patientinnen und Patienten rufen wegen einer Corona-Impfung an. Aber nicht, weil sie sich unbedingt impfen lassen wollten, erklärt der Mediziner. Sondern weil sie nicht wissen, ob sie sich impfen lassen sollen.
Die Verunsicherung bei den Menschen sei groß, sagt Kennel - und die Impfmüdigkeit auch. Die meisten seiner Patientinnen und Patienten seien froh, wenn sie keine weitere Impfung bräuchten.
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine Impfung mit dem angepassten Covid-19-Impfstoff für Menschen ab 60, Bewohnern in Pflegeeinrichtungen, Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, Pflege- und Gesundheitspersonal und Angehörige von Risikopatienten. Aber auch nur dann, wenn sie in den vergangenen zwölf Monaten weder gegen Covid-19 geimpft wurden, noch mit dem Coronavirus infiziert waren.
Doch selbst diejenigen, auf die alle diese Kriterien zutreffen, schreckten oft vor der Impfung zurück, sagt Kennel. Dafür würden sie sich bereitwillig Blut abnehmen lassen - in der Hoffnung, dass sich darin dank vorheriger Impfungen oder Infektionen noch so viele Antikörper befinden, dass eine Impfung nicht notwendig ist.
Hausarzt Frank Kennel stellt eine große Impfmüdigkeit bei seinen Patientinnen und Patienten fest.
Kein Ansturm auf Impfungen
Auch in der Gemeinschaftspraxis von Barbara Römer in Saulheim in der Nähe von Mainz kann von einem Ansturm auf Corona-Impfungen keine Rede sein. Die Ärztin und ihre Kollegen behandeln pro Quartal durchschnittlich 3.500 Patientinnen und Patienten. Derzeit brauchen sie gerade mal ein Fläschchen Covid 19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer täglich. Das enthält sechs Impfdosen, im Moment ist das der einzige angepasste Impfstoff, der auf dem deutschen Markt ist.
Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat den angepassten Impfstoff von Moderna zwar mittlerweile auch zugelassen, bestellt werden kann er jedoch erst ab Anfang Oktober. Wie groß die Nachfrage nach dem Moderna-Impfstoff seitens der Praxen sein wird, ist aber ohnehin fraglich. Denn für diesen Impfstoff müssen Praxen oder Apotheken bezahlen.
Die Kosten für den angepassten Impfstoff von BioNTech/Pfizer übernimmt der Bund, dank eines sogenannten Abnahmevertrags zwischen BioNTech/Pfizer und der EU.
Impfstoff bislang nur in Sechserdosen
Hausärztin Römer hat grundsätzlich überhaupt kein Problem mit dem Impfstoff von BioNTech/Pfizer. Aufwand und deshalb auch Kummer bereitet der Medizinerin aber, dass es den BioNTech/Pfizer-Impfstoff nur in Sechserdosen gibt. Wird das Vial, also das Fläschchen mit dem Impfstoff, morgens angestochen, muss es innerhalb von zwölf Stunden verbraucht werden. Und das sorgt bei Römers Praxisteam für Stress.
"Wenn Sie morgens einen Patienten haben, der sich gegen Corona impfen lassen möchte, dann müssen Sie schauen, dass sie im Laufe des Tages noch irgendwie fünf andere zusammenbekommen", sagt die Ärztin. "Ansonsten müssen Sie den Impfstoff wegschmeißen. Jetzt könnte ich natürlich sagen, zahlt der Bund, ist mir egal, aber das entspricht nicht meiner Vorstellung von einem sorgsamen Umgang mit Ressourcen."
Dass die BioNTech-Impfung nur im Sechserpack verimpft werden kann, erschwert den Praxisalltag für Barbara Römer.
Spontane Impfungen nicht möglich
Die Folge: Patientinnen und Patienten können sich in den Hausarztpraxen nicht spontan gegen Corona impfen lassen. Und die Praxen haben einen zusätzlichen Organisations- und Abstimmungsaufwand, weil sie immer versuchen müssen, sechs Impfwillige auf einmal zusammenzubekommen.
"Das ist eine Mehrbelastung, die wir in Zeiten von Fachkräftemangel und vermehrten Infektionen nicht gebrauchen können", sagt Römer.
Forderung nach Einzeldosen
Die Medizinerin, die auch Vorsitzende des rheinland-pfälzischen Hausärzteverbandes ist, fordert, dass den Praxen möglichst schnell Einzeldosen von BioNTech/Pfizer zur Verfügung gestellt werden. Alles andere bremse die derzeit ohnehin schleppende Impfkampagne weiter aus.
Dass es den jüngst zugelassenen Impfstoff von Moderna in Einzeldosen geben wird, löse das Problem nicht - weil die EU mit Moderna keinen Abnahmevertrag hat und der Bund die Kosten für diese Impfungen nicht übernimmt. Zwar versichert der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen, dass die Kassen auch Impfungen mit Moderna bezahlen - allerdings nur, wenn Ärztinnen und Ärzte das nach Rücksprache mit den Impfwilligen als medizinisch notwendig erachten.
Einzeldosen in Vorbereitung
Beim Mainzer Biotech-Unternehmen BioNTech weiß man, dass viele Ärztinnen und Ärzte aus organisatorischen Gründen lieber Einzeldosen verimpfen möchten. Eine Sprecherin betont, man verstehe den Wunsch durchaus. Derzeit liefen auch Vorbereitungen für die Einführung von Einzeldosisbehältnissen für den COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer, unter anderem für den US-amerikanischen Markt.
Sobald es diesbezüglich Neuigkeiten für den deutschen Markt gebe, werde man diese frühzeitig bekanntgeben. Es sei aufgrund des organisatorischen Aufwandes bei der Abfüllung und Verpackung des Impfserums allerdings davon auszugehen, dass Einzeldosen deutlich teurer sein werden als die bisherigen Sechserdosen.
Und so versuchen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Praxen erst einmal weiter Tag für Tag genügend Impfwillige zusammen zu bekommen, damit möglichst wenig Impfserum weggeschmissen wird. Ein Produkt, das vor noch gar nicht allzu langer Zeit bei vielen so begehrt war wie reines Gold.