Ostdeutsche Autoren zu Döpfner-Aussagen "Weitergabe an Ressentiments"
In Leipzig treffen sich Autorinnen und Autoren auf der Buchmesse. Was halten junge Autorinnen und Autoren aus Ostdeutschland von Döpfners "Ossi"-Aussagen?
Als die Chatnachrichten von Springer-Chef Mathias Döfpner vor zwei Wochen veröffentlicht wurden, war die Empörung groß. Vor allem unter Politikerinnen und Politikern in Ostdeutschland. Schließlich waren Döpfners Aussagen über die "Ossis" beleidigend: "Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig", hieß es da unter anderem.
In der jungen Literaturszene Ostdeutschlands werden Döpfners Aussagen teilweise wütend, teilweise besorgt oder auch spöttisch aufgenommen. Auch dass der Springer-Vorstandsvorsitzende inzwischen zur Schadensbegrenzung erklärte, er habe keinerlei Vorurteile gegen Menschen aus dem Osten Deutschlands, beeindruckt hier wenig.
Es braucht eine Machtumverteilung
Im Gegenteil. Die Autorin Valerie Schönian machen die Aussagen vor allem wütend. "Was ich mir wünsche, ist, dass sich jetzt nicht alle ein paar Tage lang empören und dann so tun, als ob es dieses Denken nicht mehr geben würde."
Nicht Döpfner sei das Problem, sondern die Strukturen, die dahinter stehen. Über die will die 33-jährige Autorin, die in Magdeburg aufwuchs, reden: "Es kann nicht sein, dass ein einziger Mann so viel (diskursive, wirtschaftliche, ja, auch politische und historische) Macht auf sich konzentriert", sagt sie. "Es braucht eine Machtumverteilung. Und im ersten Schritt braucht es dafür mehr Repräsentanz: von Ostdeutschen und allen anderen, die nicht in das Weltbild eines Mathias Döpfners passen."
Schönian, die in ihrem Buch "Ostbewusstsein" der Frage nachging, warum Nachwendekinder für den Osten streiten und was das für die Deutsche Einheit bedeutet, schließt aus Döpfners Aussagen, dass dieser offenbar nicht eine einzige ostdeutsche Person kenne.
Nur ein Symptom?
"Denn - bei allen Problemen, die es im Osten gibt und mit denen man umgehen muss - haben diese Aussagen Döpfners mit der Realität nichts zu tun", sagt sie. "Deswegen habe ich auch überhaupt keine Lust ihnen meine Lebensgeschichte oder die meiner Eltern oder Großeltern entgegenzusetzen: Wer will, der kann sich mittlerweile reichlich und überall über tatsächliche ostdeutsche Lebensrealitäten informieren."
Wenn das wie bei Döpfner nicht passiere, seien nicht die zu wenig erzählten Geschichten das Problem, sondern dass er sie nicht hören will. "Die Aussagen Döpfners sind nur Symptom eines größeren strukturellen Problems", betont Schönian. "Die ganze Debatte sollte ein Ansporn sein mit diesem umzugehen."
"Weitergabe an Ressentiments"
Dem Schriftsteller Lukas Rietzschel, der 1994 in Ostsachsen geboren wurde und in seinem viel gelobten Debütroman "Mit der Faust in die Welt schlagen" Perspektivlosigkeit und Radikalisierung in der sächsischen Provinz beschreibt, fällt an Döpfners Nachrichten die Bezugnahme auf seine Mutter auf: "Hier scheint zwischen den Generationen eine Weitergabe an Ressentiments zu erfolgen, die mich jedoch nicht überrascht hat, im Gegenteil: Ich gehe fest davon aus, dass Döpfner sie seinerseits an seine Kinder weitergibt."
Döpfner hatte geschrieben, dass ihn seine Mutter immer vor den Ossis gewarnt habe: "Von Kaiser Wilhelm zu hitler zu honnecker ohne zwischendurch us reeduction genossen zu haben. Das führt in direkter Linie zu AFD."
Rietzschel glaubt, dass man es nicht nur in der Familie Döpfner nach wie vor mit hartnäckigen Vorurteilen über "den Osten" in weiten Teilen der Gesellschaft zu tun habe. "Meine fast zur Selbstbeschäftigung avancierte Auseinandersetzung mit 'dem Osten' hat mich glauben lassen, dass sich die Vorurteile über eine politische und gesellschaftliche Rückständigkeit der 'neuen Länder' mit den Jahren verwässert hätten. Döpfners Auslassungen haben mich gezwungen, meine Einschätzungen zu überdenken. Ich wünschte, er täte das auch."
"Eine breit aufgestellte antifaschistische Zivilgesellschaft"
Die Schriftstellerin Bettina Wilpert wurde 1989 in Bayern geboren, wohnt und arbeitet aber seit vielen Jahren in Leipzig. Hier spielt sowohl ihr aktueller Roman "Herumtreiberinnen" als auch ihr Debüt "nichts was uns passiert", das von dem Vorwurf einer Vergewaltigung erzählt und zuletzt für die ARD verfilmt wurde. "Dass Ostdeutsche weniger demokratiefähig seien, ist einfach falsch. Gerade in Leipzig gibt es eine breit aufgestellte antifaschistische Zivilgesellschaft", betont Wilpert.
"Rechtsradikales Denken gibt es aufgrund des Nationalsozialismus in ganz Deutschland, nur die Ausprägungen sind in allen Himmelsrichtungen unterschiedliche."
Mit Humor
Die Autorin Manja Präkels hat mit ihrem Buch "Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß" 2018 einen treffsicheren Roman über die 1990er-Jahre in Brandenburg geschrieben, wo Gewalt und Angst vor rechten Übergriffen zum Alltag gehörten.
Döpfners Aussagen könne sie bei allem Ernst nur mit den Mitteln des Humors trotzen: "So ein Denken in Schlagzeilen stelle ich mir sehr anstrengend vor. Da hilft kein Geld dagegen", sagt Präkels. "Und da ich mich zur kommunistischen Hälfte der Ostdeutschen zähle, fordere ich bei dieser Gelegenheit die Enteignung des Springer-Konzerns. Einfach, weil das von mir erwartet wird", sagt sie ironisch.