Ausschreitungen in Gießen 125 Strafanzeigen nach Eritrea-Festival
26 verletzte Polizisten, 131 Menschen zeitweise in Gewahrsam, 125 Strafanzeigen: Das ist die Bilanz der Polizei nach den Ausschreitungen am Samstag am Rande des Eritrea-Festivals in Gießen. Am Sonntag blieb es dort ruhig.
Nach den Ausschreitungen am Rande des Eritrea-Festivals in Gießen sind bisher 125 Strafanzeigen erstattet worden. Wie die Polizei mitteilte, sei es dabei fast ausschließlich um Fälle von Landfriedensbruch gegangen. 131 Menschen wurden demnach in Gewahrsam genommen. 26 Polizeibeamte seien verletzt worden, hieß es am Abend in der vorläufigen Bilanz. Die ursprünglich angegebene Zahl von 28 Verletzten wurde damit leicht nach unten korrigiert. Von den Besuchern und Gegnern des Festivals sei nach derzeitigem Stand niemand schwerer verletzt worden.
Ungeachtet der Ausschreitungen am Samstag wurde das Festival am Sonntag fortgesetzt. Dabei blieb es ruhig. Dennoch blieb die Polizei bis zum Schluss mit einer größeren Zahl von Beamten aus mehreren Bundesländern vor Ort.
Am Samstag hatten Gegner der Veranstaltung Polizisten mit Stein- und Flaschenwürfen attackiert und Rauchbomben gezündet. Sie durchbrachen Absperrungen und versuchten, auf das Festivalgelände zu gelangen. Die Polizisten setzten Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Auch in der Stadt kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei.
Oberbürgermeister fordert Aufarbeitung der Ereignisse
Gießens Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) fordert eine Aufarbeitung der Geschehnisse rund um das Eritrea-Festival. "Die Bilder, die aus unserer Stadt am Wochenende durch die Welt gingen, sind unerträglich", sagte Becher laut einer Mitteilung der Stadt. Tausende unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger seien in ihrem alltäglichen Leben mehr als einen ganzen Tag massiv eingeschränkt worden. "Man muss angesichts dessen tatsächlich die Frage stellen: Stehen diese Einschränkungen noch im richtigen Verhältnis zu dem Wunsch des Veranstalters, ein Fest zu feiern? Diese Frage gehört auf allen Ebenen - politisch wie juristisch - aufgearbeitet", sagte Becher.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte die Gewalt. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) forderte die Bundesregierung auf, den Botschafter des Landes einzubestellen. "Unsere Polizistinnen und Polizisten sind nicht der Prellbock für Konflikte von Drittstaaten." Thorsten Frei, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, forderte ein "Ende der Naivität in der Migrationspolitik". Er sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Wer ungesteuerte Migration akzeptiert oder - wie die Grünen - sogar regelmäßig befördert, sollte sich über die Konsequenzen nicht wundern." Der AfD-Vizevorsitzende Stephan Brandner kritisierte, dass das Eritrea-Festival in Deutschland stattfinden dürfe. "Die Diktatur möge sich selbst in Eritrea feiern. So etwas hat in unserem Land nichts verloren."
Gerichte hatten Festivalverbot aufgehoben
Die Stadt hatte versucht, das Festival zu verhindern. Die Verwaltungsgerichte hoben das Verbot jedoch wieder auf. Veranstalter des Festivals war der Zentralrat der Eritreer in Deutschland, der wegen seiner Nähe zu dem Regime in dem Land am Horn von Afrika umstritten ist. Schon im August 2022 war es bei der vorangegangenen Veranstaltung zu gewaltsamen Ausschreitungen mit verletzten Besuchern und Polizisten gekommen.
In diesem Jahr habe es in sozialen Medien Aufrufe gegeben, die Veranstaltung gewaltsam zu verhindern, teilte die Polizei mit. Diese hätten sich gegen die Besucher der Veranstaltung sowie gegen die Polizei gerichtet. Bei Beratungen mit der Kommune habe man die Gefahrenprognose im Zuge der Anreise gewalttätiger Störer auch aus dem europäischen Ausland skizziert für den Fall, dass die Veranstaltung stattfindet. "Die polizeiliche Gefährdungslagenbewertung wurde durch den Verlauf des gestrigen Tages leider bestätigt."
In Eritrea regiert Präsident Isayas Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Meinungs- und Pressefreiheit sind stark eingeschränkt. Erst im März hatten die UN wegen der "katastrophalen" Menschenrechtslage Alarm geschlagen. Viele Menschen flüchten aus Eritrea, um beispielsweise dem langen Wehrdienst zu entgehen. Nach Angaben des Auswärtigen Amts leben etwa 70.000 eritreische Staatsangehörige in Deutschland. Der Bundeszentrale für politische Bildung zufolge versucht die eritreische Regierung, mit einer Auslandsjugendabteilung junge Eritreer im Ausland zu beeinflussen und unter anderem bei Festivals Spenden zu sammeln. Gegner des eritreischen Regimes halten das Festival in Gießen für eine Propagandaveranstaltung der Regierung des Landes.