Nah dran im Stadion Wie freiwillige Helfer die EM erleben
Etwa 16.000 Freiwillige helfen bei der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland mit. Was motiviert sie? Hier teilen vier von ihnen ihre bisherigen Erlebnisse - vom Studenten bis zur Ärztin.
Ein Kindheitstraum geht in Erfüllung
Schon als kleiner Junge im Irak hat sich Karrar Alrubayee in den Fußball verliebt. "Aber alle meine Fußballerfahrungen damals waren vor dem Fernseher", sagt der heute 24-Jährige. Große Turniere live mitzuerleben - das schien überhaupt nicht denkbar.
Inzwischen lebt er seit sechs Jahren in Deutschland und studiert Betriebswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Als feststand, dass die Europameisterschaft in sein Land kommt, wollte er möglichst nah dabei sein. Er bewarb sich als freiwilliger Helfer und wurde angenommen. "Damit hat sich für mich ein Traum verwirklicht", sagt Alrubayee.
In den Fanzonen in Düsseldorf, wo Besucher die Spiele auf Leinwänden verfolgen können, dient er als Ansprechpartner. "Ich sorge dort für gute Stimmung, verteile positive Energie an die Fans", beschreibt er seine Aufgabe.
Ein besonders schönes Erlebnis hatte er mit einer Gruppe spanischer Fans, die von Düsseldorf aus zum Spiel nach Gelsenkirchen wollten. Alrubayee fuhr mit ihnen zum Hauptbahnhof und setzte sie in die richtige Bahn. "Die Spanier waren sehr süß, sie haben mir Pommes gekauft, weil sie sich bedanken wollten", erzählt er. "Das hat meinen Tag versüßt."
Nächste Woche hat er seine letzte Schicht, dann ist die EM für ihn als Volunteer vorbei. Nach all den schönen Erfahrungen und Begegnungen ist er darüber ein bisschen traurig.
Karrar Alrubayee hat sich als freiwilliger Helfer bei der EM einen Traum erfüllt.
Drei Kinder, Job, Ehrenamt
Ob sie denn einen Knall habe, wurde Birgit Busch von ihren Freundinnen gefragt, als sie erzählte, dass sie sich als Volunteer bewirbt. Busch hat drei Kinder und einen Job als Datenmanagerin bei einem Gebäudetechnikunternehmen. Und dann noch zusätzlich unbezahlt als freiwillige Helferin arbeiten?
Für sie war die Sache aber klar. "Eine EM direkt vor der Haustür, das kann man sich gar nicht entgehen lassen", sagt die 47-Jährige, die ebenfalls in Düsseldorf im Einsatz ist. Nach einem Bewerbungsgespräch im November bekam sie im Januar die Rückmeldung, dass sie dabei ist.
Ihre Entscheidung hat sie nicht bereut. "Ich fand das eine ganz tolle Erfahrung, so viele Nationalitäten zu treffen." Auch die Gemeinschaft mit den anderen Freiwilligen sei großartig gewesen. Sie war zum ersten Mal als Volunteer bei einem Turnier dabei, würde es aber sofort wieder machen.
Birgit Busch hat trotz Kindern und Job freiwillig bei der EM geholfen. Sie spricht von einer "ganz tollen Erfahrung".
Schon lange als Volunteer im Einsatz
Für Lothar Will fing es schon 2006 an. Bei der WM im eigenen Land war er erstmals als Volunteer im Einsatz und kam auf den Geschmack. Danach erlebte er viele weitere Großveranstaltungen als freiwilliger Helfer vor Ort mit, unter anderem die EM 2008 in Österreich und die Olympischen Spiele 2012 in London. Dafür hatte er einen Deal mit seiner Frau: "Urlaub ist Urlaub, aber meine Überstunden darf ich für die ehrenamtlichen Aktivitäten nutzen."
Viele unvergessliche Momente habe er auf diese Weise erlebt, bei der diesjährigen EM half er in Gelsenkirchen mit. "Das bildet, man hängt nicht daheim rum und sieht was von der Welt", sagt Will über seine Leidenschaft.
Der 67-Jährige war Projektmanager im IT-Bereich, seit einigen Jahren ist er im Ruhestand. Um die Unterbringung muss er sich meist selbst kümmern. Will wohnt in Limburg an der Lahn, für seinen Einsatz bei der EM hat er sich in der Nähe von Gelsenkirchen eine Ferienwohnung genommen.
Die nächste Veranstaltung als Volunteer steht bereits fest - das Konzert von Weltstar Taylor Swift in Gelsenkirchen. "Da dürfen wir alle mit in die Arena", freut sich Will. Zu diesem Event kommt dann auch seine Frau als freiwillige Helferin mit.
Lothar Will ist schon seit der WM 2006 als freiwilliger Helfer im Einsatz.
Mal etwas anderes als Alltag
Mit in die Arena, um das Spiel zu schauen, dürfen die Volunteers bei der EM nicht. Auch diejenigen nicht, die wie Julia Weishaupt als Freiwillige im Stadion mithelfen.
Für sie war das aber auch nicht die Motivation, als sie sich als Helferin beworben hatte. "Ich wollte mal was anderes machen als den normalen Alltag", sagt die 44-Jährige. Sie wohnt nur wenige Radminuten vom Stadion in Köln entfernt und wollte die internationale Stimmung in ihrer Heimatstadt aufsaugen.
Weishaupt ist Ärztin, da war es naheliegend, dass sie bei der EM im medizinischen Bereich mithilft. Sie war vorrangig als Übersetzerin eingeteilt, um den Mitarbeitern des Roten Kreuzes bei der Verständigung auf Englisch zu helfen. Bei größeren Notfällen hätte sie auch als Ärztin ausgeholfen, dazu kam es aber nicht. "Es beschränkte sich eigentlich auf kleine Platzwunden", erzählt Weishaupt.
Wie die anderen Volunteers hat auch sie für ihre Tätigkeit kein Geld bekommen. "Wenn man bedenkt, was die UEFA mit der EM einnimmt, finde ich es schwierig, dass die Volunteers nicht bezahlt werden", sagt sie. Für sie persönlich sei es aber kein Problem gewesen. Sie habe ja gewusst, worauf sie sich einlässt.
Viele Fans wussten den Einsatz offenbar zu schätzen. Immer wieder seien Menschen auf sie zugekommen, um sich zu bedanken, erzählt die Ärztin.
Julia Weishaupt (rechts) wollte mal etwas anderes machen - und hat als Ärztin und Übersetzerin bei der EM geholfen.