Gesundheitsämter nach der Pandemie Schluss mit Faxen
In der Corona-Pandemie wurden die Mängel in den Gesundheitsämtern deutlich sichtbar: Faxgeräte, Papierkram, Personalnot. Die Politik gelobte Besserung. Was hat sich seither getan?
Wenn Sachbearbeiter Marvin Böhm morgens seinen Rechner anschaltet, kann er auf alle Daten zugreifen. Auch Homeoffice ist kein Problem mehr oder die Übernahme eines fremden Vorganges. Im Gesundheitsamt Oranienburg hat sich viel getan. "Befunde und Arztmeldungen würden jetzt ausschließlich digital versendet", erzählt Marvin Böhm. "Wenn man nicht erst alle Papiere einscannen muss, ist das sehr zeitsparend."
Während der Corona-Pandemie lief hier noch das Fax heiß und zwischendurch musste das Amt ganz die Segel streichen, weil die Mitarbeiter einfach nicht mehr hinterherkamen. Kontaktverfolgung, Bescheinigungen für Arbeitgeber, Testergebnisse ausstellen - damals unmöglich.
Und das war keine Ausnahme, sondern der Regelfall. Der "Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst", den Bund und Länder am 29. September 2020 beschlossen haben, hat zumindest im brandenburgischen Oranienburg einen Digitalisierungsschub ausgelöst.
Vier Milliarden fürs Gesundheitswesen
Bis 2026 stellt der Bund vier Milliarden Euro für den öffentlichen Gesundheitsdienst zur Verfügung. Ziel des Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD): mehr Personal, Digitalisierung und moderne Strukturen. Denn in der Pandemie ist klar geworden, dass es so nicht funktioniert.
Für die Zukunft müssten die Ämter besser zusammenarbeiten, heißt es. Es müssten Schnittstellen zwischen den einzelnen Ämtern, den Ländern und dem Bund geschaffen werden, vor allem aber brauche es neues Personal. Deshalb sollten im ersten Schritt bis 2021 mindestens 1.500 neue, unbefristete Stellen geschaffen werden. Das wurde erreicht, sogar übererfüllt. Bis 2025 sollen 3.500 weitere folgen.
Fachkräfte - Mangelware
Doch gerade bei den medizinischen Berufen reicht Stellen schaffen allein nicht. Sie müssen auch besetzt werden. Eine rbb-Umfrage unter den 18 Ämtern in Brandenburg zeigt: 200 neue Stellen wurden geschaffen. Mehr als die Hälfte sind besetzt. "Das Problem ist, dass wegen des Paktes alle Ämter gleichzeitig suchen", sagt die Oranienburger Amtsärztin Simone Daiber.
Aber bei der Personalsuche konkurrieren die Gesundheitsämter nicht nur miteinander, sondern mit dem kompletten Gesundheitssystem - und da können sie bei der Vergütung nicht mithalten. Nach wie vor fehlen vor allem Fachärztinnen und -ärzte. Dieses Problem dürfte sich in den nächsten Jahren noch verschärfen. Eine Studie der Bundesärztekammer ergab Ende 2022, dass fast die Hälfte der im öffentlichen Gesundheitsdienst arbeitenden Fachmediziner mindestens 60 Jahre alt sind. Die sind also demnächst im Ruhestand und damit weg. Zum Vergleich: Betrachtet man alle berufstätigen Mediziner, beträgt der Anteil der über 60-Jährigen nur 22 Prozent.
"Eine langfristige Perspektive bieten"
Daher fordert der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) attraktive Arbeitsbedingungen und verstärkte Weiterbildungsanstrengungen, um Nachwuchs für die Gesundheitsämter zu gewinnen. "Gleichzeitig müssen wir den Fachkräften eine langfristige Perspektive bieten, die durch den ÖGD-Pakt in die Ämter gekommen sind", sagt der Vorsitzende Dr. Johannes Nießen.
Nach wie vor ist unklar, wie die Stellen nach dem Ende des Paktes finanziert werden können. Ein Großteil der neuen Stellen ist befristet. Daher verlangt Johannes Nießen, "der in der Corona-Pandemie begonnene Wiederaufbau des Öffentlichen Gesundheitsdienstes dürfe kein kurzes Strohfeuer bleiben".
Neue Wege gegen den Personalmangel
Der "Beirat zur Beratung zukunftsfähiger Strukturen im Öffentlichen Gesundheitsdienst", der den Pakt begleitet, empfiehlt in seinem vierten Bericht, dass die unterschiedlichen Professionen und Disziplinen im ÖGD noch enger zusammenarbeiten müssten. Weiter heißt es: "Tätigkeiten, die bisher streng an vorgegebene Berufsgruppen gebunden waren, können teilweise auch von anderen Professionen übernommen werden." Oder - wie in Oranienburg - digital erledigt werden.
Zum Beispiel die Hygieneschulungen - sie sind für ganze Berufsgruppen Pflicht und finden noch in der Kreisverwaltung statt, betreut von Mitarbeitenden, nach telefonischer Terminvereinbarung. Die soll es demnächst online geben, einen entsprechenden Film und die dazugehörende Plattform haben sie schon. Die Vorteile: Die Menschen können sich allein ihre Termine buchen, die Belehrung schauen und ihr Zertifikat digital erstellen.
Es wird viele solche Lösungen brauchen, um die vorhandenen Fachkräfte zu entlasten. An einer Stelle ist man sich aber in Oranienburg jetzt schon sicher: Auf eine neue Pandemie wären sie besser vorbereitet.