Gewalt gegen Frauen Jeder Tag eine Tortur
Gewalt in Partnerschaften nimmt zu. Jede dritte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexualisierter Gewalt. Der Weg raus ist oft schwer.
Gabi B. hat Angst, noch immer. Sie hat es geschafft, ihren Mann zu verlassen und sich aus einer jahrelangen Tortur zu befreien. Doch sie fürchtet, ihr Ex-Partner könnte sie finden. Deswegen schaut sie sich ständig um, sobald sie draußen unterwegs ist.
Sie spricht leise, wenn sie von den Jahren erzählt, in denen sie "ständig Herzrasen" hatte, weil sie täglich mit Drohungen, Erniedrigungen und Erpressungen leben musste. "Einmal ist er mir hinterhergerannt und hat mich gewürgt", schildert sie einen seiner Gewaltausbrüche. Ihr Mann sei eine "tickende Zeitbombe" gewesen.
Inzwischen lebt sie in einem kleinen Ort in Rheinland-Pfalz, hat eine eigene Wohnung und sich ein neues Leben aufgebaut. Doch der Weg dorthin war schwer, erzählt sie: "Zwischenzeitlich hatte ich keine Hoffnung mehr, rauszukommen." Es koste sehr viel Mut und Kraft, einen gewalttätigen Partner zu verlassen, beschreibt sie. Noch immer müsse sie aufpassen, wo sie hingehe, um ihm nicht zu begegnen.
Täter oft im engen sozialen Umfeld
"Gewalt beginnt oft schleichend", erläutert Christine Grundmann, Koordinatorin der "Interventionsstellen" in Rheinland-Pfalz, die Betroffene von Gewalt in engen sozialen Beziehungen und Stalking beraten. "Es fängt an mit Beleidigungen und psychischem Druck und eskaliert dann immer weiter, bis es zu körperlicher oder sexualisierter Gewalt kommt", erläutert Grundmann, die selbst viele Jahre als Beraterin tätig war.
Oft vergehe viel Zeit, bis Frauen realisierten, dass sie in einer toxischen Beziehung gefangen seien: Im Durchschnitt bräuchten Frauen sieben Jahre, um sich von ihrem gewalttätigen Partner zu befreien.
"Viele Frauen hoffen noch, dass sich die Beziehung wieder bessert oder sie wollen ihren Kindern nicht den Vater wegnehmen", sagt Grundmann. Auch Scham sei ein Grund, warum sich Frauen schwertun, Hilfe zu suchen. "In solchen Beziehungen bekommen Frauen oft vermittelt, sie seien schuld daran, dass der Partner Gewalt anwendet", erklärt Grundmann. Deswegen sei es umso wichtiger, sensibel und offen zu sein für das Thema Gewalt gegen Frauen.
Formen von Gewalt erkennen
Dazu gehöre auch, Gewalt als solche zu erkennen und auch zu benennen. Denn Gewalt beginne nicht erst mit Schlägen. Auch Bedrohungen, Beschimpfungen und Belästigungen seien Formen von Gewalt. Nach Angaben des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Jugend und Senioren betrifft häusliche Gewalt Frauen aller sozialen Schichten und aller Altersgruppen. "In Deutschland wird jede dritte Frau einmal in ihrem Leben Opfer von physischer oder sexualisierter Gewalt; etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder durch ihren früheren Partner", so ein Sprecher des Ministeriums.
Dabei sei körperliche Gewalt nur eine Facette eines komplexen Verhaltensmusters, das auf Macht und Kontrolle abziele. Häufig seien Frauen auch sozialer Isolation oder wirtschaftlichem Druck durch Täter ausgesetzt.
Hilfe durch "Interventionsstellen"
Grundmann ermutigt Betroffene, sich frühzeitig Hilfe zu holen. Und zugleich kann sie gut verstehen, dass Opfern der Ausstieg aus der Gewaltspirale schwerfällt. In Rheinland-Pfalz gibt es insgesamt 18 Interventionsstellen, die von Gewalt betroffene Frauen beraten. Dabei gehen Sozialarbeiterinnen proaktiv auf Frauen zu, die Gewalt erlebt haben. Etwa nach einem Polizeieinsatz.
"Eine umfassende Beratung kann die Polizei in der Krisensituation nicht anbieten. Deswegen nehmen wir nach einem solchen Einsatz mit Einverständnis der Frau Kontakt zu ihr auf. Wir informieren zum Gewaltschutzgesetz, vermitteln weitere Hilfsangebote und bei Bedarf auch den Kontakt zum Frauenhaus", erklärt Grundmann.
Rund 400 Frauenhäuser
In Deutschland stehen von Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern rund 400 Frauenhäuser offen. Außerdem gibt es nach Angaben des Bundesfamilienministeriums 40 Schutz- oder Zufluchtswohnungen mit mehr als 6000 Plätzen. Viele von jahrelangen Demütigungen und Gewalt betroffene Frauen wüssten gar nicht, dass das sogenannte Gewaltschutzgesetz ihnen rechtliche Möglichkeiten biete, sich zu wehren, erläutert Grundmann.
Das Gewaltschutzgesetz ist in Deutschland seit 2002 in Kraft. Auf seiner Grundlage kann eine Person, von der eine Gewaltgefährdung ausgeht, polizeilich der Wohnung verwiesen werden. Entsprechende Entscheidungen treffen Familiengerichte auf Antrag der Opfer. Das Gesetz gilt für alle von häuslicher Gewalt betroffenen Menschen, unabhängig davon, ob es sich um Gewalt in einer Paarbeziehung oder um Gewalt gegen andere Familienangehörige handelt.
So habe die Polizei bei einem Einsatz auch die Möglichkeit, dem Täter sofort einen "Platzverweis" zu erteilen. Der Täter dürfe dann die Wohnung für eine bestimmte Zeit nicht mehr betreten und sich seinem Opfer nicht nähern. Dies könne betroffenen Frauen Zeit verschaffen, um sich Hilfe zu holen und die Gewaltspirale endgültig zu durchbrechen.
So wie Gabi B. aus Rheinland-Pfalz. Sie hat den Ausstieg geschafft. Nun will sie Frauen, die in einer ähnlichen Situation sind, wie sie es war, Mut machen: "So dunkel es auch ist, es gibt einen Weg aus der Gewalt. Es ist viel besser, frei zu sein und wieder atmen zu können."