Studie an Nord- und Ostsee "Mikroplastikdetektive" werden fündig
Für ein wissenschaftliches Forschungsprojekt haben Bürgerinnen und Bürger ein Jahr lang Sand entlang der gesamten deutschen Küste gesammelt. Der wurde auf Mikroplastik untersucht. Das Ergebnis überrascht.
Wie viel Mikroplastik befindet sich an den Stränden entlang der deutschen Ost- und Nordseeküste und auf den Inseln? Das haben Forschende des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts (AWI) erstmals in einer großangelegten Studie erforscht - mit Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern. An 71 Stränden seien mehr als 1.100 Proben genommen worden, teilte das AWI mit. Dabei seien innerhalb eines Jahres insgesamt 2,2 Tonnen Sand zusammengekommen.
Der wurde dann im Labor auf größeres Mikroplastik untersucht, das zwischen einem und fünf Millimeter groß ist. So habe man eine Verunreinigung mit kleineren Teilchen aus der Luft oder von der Kleidung der Helfer ausgeschlossen. Das überraschende Ergebnis veröffentlichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift "Frontiers in Environmental Science".
Belastung geringer als angenommen
"Obwohl wir an 52 von 71 Stränden Plastik gefunden haben, war die Belastung durch großes Mikroplastik an der Nord- und Ostsee mengenmäßig geringer im Vergleich zu anderen Studien", sagte Erstautor Bruno Walther. Co-Autorin Melanie Bergmann erklärte das unter anderem damit, dass die Orte der Probenentnahme an den Stränden zufällig ausgewählt wurden. Andere Studien hätten vor allem Anreicherungsorte wie Spülsaume im Blickfeld gehabt.
"Hätten wir kleinere Mikroplastikteilchen mit untersucht, wären wir sicherlich auf deutlich höhere Konzentrationen gekommen", fügte die AWI-Biologin hinzu. In früheren AWI-Untersuchungen in der Nordsee und in der Arktis machten Teilchen, die kleiner als einen Millimeter sind, mehr als 90 Prozent des gefundenen Mikroplastiks in Sedimenten aus.
Erstmals vergleichbare Daten
Wie stark die Strände an der Nord- und Ostsee verschmutzt sind, war bisher nur für einzelne Gegenden untersucht worden, nicht für die gesamte deutsche Küste und die Inseln. "Unsere Studie liefert erstmals vergleichbare Daten zur großräumigen Verteilung der Plastikbelastung entlang der gesamten deutschen Küste mit einheitlichen Methoden", betonte Bergmann.
Einheitliche Methoden seien notwendig, um den gegenwärtigen Zustand zu kennen und den Erfolg politischer Maßnahmen zur Begrenzung der Plastikverschmutzung beurteilen zu können. So deuteten Monitoring-Ergebnisse darauf hin, dass möglicherweise Gesetzesänderungen dazu führten, dass in den vergangenen 25 Jahren weniger Plastiktüten auf dem Meeresboden in Nordwesteuropa gefunden wurden.
Weitere Maßnahmen zur Plastikvermeidung gefordert
Trotzdem müsse noch viel getan werden, so Bergmann. "Wir brauchen strengere Vorgaben, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und verbindlich regeln, wie wir Plastik vermeiden, verringern und verwerten".
Konkret gehe es um Maßnahmen, die die Herstellung und Verwendung von Plastik auf unverzichtbare Anwendungen beschränken, gefährliche Inhaltsstoffe verbieten, die Abbaubarkeit in der Natur erhöhen und so einen echten Kreislauf ermöglichen.
Projekt "Mikroplastikdetektive" mit Bürgerbeteiligung
Das Bürger-Projekt "Mikroplastikdetektive" lief von September 2021 bis November 2022. Bürgerinnen und Bürger konnten in ihrer Nähe von Sandstränden Proben nehmen. Die gefüllten Metallbehälter schickten sie an das AWI zurück.
Die Wissenschaftler werten das Projekt als Erfolg: "Wir waren überrascht, wie viele Bürgerforschende mit vollem Enthusiasmus mehrere Stunden am Strand verbrachten, um die Proben gewissenhaft zu sammeln, sie zu verpacken und zu versenden", so Walther. Das Projekt zeige den Wert von Monitoringprogrammen, die Laien für eine breite und zeitnahe Datenerhebung einbeziehen.