Bevölkerungsforschung Viele vermeidbare Todesfälle in Deutschland
Schlechtes Gesundheitsverhalten und Defizite bei der Früherkennung: In Deutschland kommt es laut einer Studie häufiger zu vermeidbaren Todesfällen als in deutschsprachigen Regionen anderer Länder. Aber auch hierzulande gebe es Unterschiede.
Laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung sterben in Deutschland mehr Menschen an vermeidbaren Todesursachen als in deutschsprachigen Regionen anderer europäischer Länder. So sei die Lebenserwartung in vielen Regionen Deutschlands deutlich niedriger als in deutschsprachigen Gebieten in der Schweiz, in Südtirol und in Österreich, teilte das Institut in Wiesbaden mit. Grund seien vermeidbare Todesfälle durch ein schlechteres Gesundheitsverhalten und ein weniger effektives Gesundheitssystem.
Dabei gebe es innerhalb Deutschlands ein Nord-Süd- und ein Ost-West-Gefälle, hieß es weiter. In Ostdeutschland, vor allem in Vorpommern und Sachsen-Anhalt, ist die Lebenserwartung demnach im Vergleich besonders niedrig - trotz Fortschritten bei der Reduzierung der sogenannten vermeidbaren Sterblichkeit seit der Wiedervereinigung. "Aber auch einige von wirtschaftlichem Strukturwandel geprägte Regionen in Westdeutschland wie Ostfriesland, das Ruhrgebiet und das Saarland weisen eine ähnlich hohe vermeidbare Sterblichkeit auf", hieß es.
Die Metropolregion München und das südliche Baden-Württemberg stünden hingegen im deutschlandweiten Vergleich gut da. In der Schweiz und in Südtirol sei die vermeidbare Sterblichkeit aber noch einmal deutlich geringer. Auch in Österreich verzeichneten die Forscher ein Ost-West-Gefälle zuungunsten des Ostens. Die meisten vermeidbaren Todesfälle gibt es dort in Wien. In der Schweiz sind die regionalen Unterschiede nicht so groß.
Mehr Prävention und Früherkennung gefordert
Der Abstand zur Schweiz und zu Südtirol sei in den vergangenen Jahren gewachsen, erklärte der Mortalitätsforscher Michael Mühlichen vom Bundesinstitut. Ihm zufolge besteht in allen Regionen Deutschlands noch Potenzial, vermeidbare Todesfälle zu reduzieren - etwa durch mehr Prävention und bessere Früherkennung.
Die hohe Zahl an vermeidbaren Todesfällen steht nach Einschätzung der Wissenschaftler im Kontrast zu den Ausgaben der deutschen Gesundheitsversorgung, die pro Kopf im weltweiten Vergleich mit zu den höchsten gehörten. Die Autoren sehen unter anderem Verbesserungsbedarf im Kampf gegen Rauchen oder Alkoholmissbrauch. Auch bei der Früherkennung hinke Deutschland hinterher, viele Behandlungen setzten erst spät an. Zudem gebe es Defizite bei der Sterblichkeit im höheren Alter, vor allem im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
19 Prozent der Sterbefälle laut Studie vermeidbar
Das Konzept der vermeidbaren Sterblichkeit stuft alle jene Todesfälle als vermeidbar ein, die auf Basis des aktuellen Stands des medizinischen Wissens durch Vorbeugung, Früherkennung sowie eine optimale Behandlung verhinderbar wären. Nach Angaben des Bundesinstituts betrug zwischen den Jahren 2017 und 2019 der Anteil der vermeidbaren Todesursachen an allen Sterbefällen 19 Prozent. Männer seien davon mit 24 Prozent stärker betroffen als Frauen mit 13 Prozent.
Die Forscher stuften in ihrer Untersuchung nur Todesfälle im Alter unterhalb von 75 Jahren als vermeidbar ein. Dabei unterschieden sie zwischen medizinisch und präventiv vermeidbaren Todesfällen. Sie berechneten die Höhe der vermeidbaren Sterblichkeit auf der Basis standardisierter Sterbeziffern, um Verzerrungen durch regional unterschiedliche Altersstrukturen zu vermeiden.