Nach Silvester-Krawallen Giffey plant Gipfel gegen Jugendgewalt
Berlins Bürgermeisterin Giffey hat einen Gipfel gegen Jugendgewalt angekündigt. Die Täter aus der Silvesternacht sollten zudem schnell bestraft werden, sagte sie bei tagesschau24. Gewaltforscher warnen vor einer Vorverurteilung von Migranten.
Nach den gewalttätigen Krawallen in der Silvesternacht hat Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey einen Gipfel gegen Jugendgewalt angekündigt. Wann das Treffen stattfinden und wer daran teilnehmen soll, ist noch nicht bekannt.
Im Interview mit tagesschau24 sagte Giffey, es gebe bestimmte Stadtgebiete, in denen es zu Vorfällen gekommen sei. Nun müsse man etwa gemeinsam mit Sozialarbeitern oder Präventionsbeauftragten vor Ort beraten, die die Jugendlichen und deren Umfeld kennen:
Ich finde ganz wichtig, dass wir die Maßnahmen nicht nur vom Tisch der Politik entscheiden, sondern dass wir die Leute, die im Einsatz waren, die in der Arbeit täglich vor Ort sind, einbeziehen in die zusätzlichen Maßnahmen, die jetzt erfolgen. Ganz klar ist: Es braucht hier eine konzertierte Aktion in gemeinsamer Anstrengung gegen diese Form von Jugendgewalt.
Schnelle und konsequente Strafen
Auch müsse es eine schnelle und konsequente Bestrafung der Täter geben. Als Antwort auf die "massive Respektlosigkeit" und die Gewalt brauche es einen "Mix aus ausgestreckter Hand und Stopp-Signal", sagte Giffey. Bereits jetzt sei eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft gebildet worden, damit sofort agiert werden könne, wenn die Verfahren übermittelt würden. Jugendliche Täter müssten zeitnah zu der Tat die passende Strafe bekommen. "Das ist ganz entscheidend, dass das auch bekannt ist, dass es ein Bewusstsein dafür gibt."
Giffey kündigte zudem weitere Maßnahmen zum Schutz der Einsatzkräfte an - etwa Bodycams, die ausgeweitet würden, auch Dashcams in Einsatzfahrzeugen seien ein wichtiger Punkt. Auf Innenministerebene müsse bundesweit auch das Thema Schreckschusswaffen oder bestimmte Böller, die schwere Verletzungen hervorrufen könnten, besprochen werden.
Mehrheit der Festgenommenen unter 25 Jahren
In der Silvesternacht waren Einsatz- und Rettungskräfte in Berlin und anderen Städten massiv angegriffen worden. Zum Teil musste die Polizei ausrücken, um Feuerwehrleute beim Löschen von Bränden gegen Angriffe zu schützen. Allein in Berlin gab es 33 verletzte Einsatzkräfte.
145 Menschen wurden vorläufig festgenommen, jedoch nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen alle wieder entlassen. Wie die Polizei inzwischen mitteilte, sind etwa zwei Drittel der Festgenommenen unter 25 Jahre alt, 27 davon seien noch minderjährig. 139 der 145 Verdächtigen seien männlich.
Merz und Söder geben Landesregierung Mitschuld
Die Vorsitzenden von CDU und CSU, Friedrich Merz und Markus Söder, gaben der Berliner Landesregierung eine Mitschuld an den Krawallen in der Silvesternacht. "Die Chaoten, viele davon mit Migrationshintergrund, fordern mit ihrer Randale den Staat heraus, den sie verachten", sagte Merz dem "Münchner Merkur". Das Land Berlin werde jedoch "mit der Lage nicht fertig".
Merz sagte, dass der Berliner Senat "aus politischen Motiven seit Jahren die Rechte und Einsatzmöglichkeiten der Polizei begrenzt" habe. "So lange dieses Verhalten des Berliner Senats anhält, dürfen wir uns nicht wundern, wenn zweimal im Jahr - am 1. Mai und zu Silvester - diese schweren Straftaten gegen Rettungskräfte und gegen Polizeibeamte verübt werden", fügte er hinzu. Ähnlich äußerte sich auch der CSU-Vorsitzende Markus Söder.
Wahlkampf in Berlin
Giffey wies die Vorwürfe zurück. Alle Kräfte seien mobilisiert worden, man habe dreimal so viel Feuerwehrleute gehabt wie sonst, auch Bundespolizisten hätten unterstützt. Sie könne nicht erkennen, dass die Polizei in ihrer Arbeit eingeschränkt worden sei, es habe vielmehr die volle Rückendeckung der Politik für die Einsatzkräfte gegeben. In den vergangenen Jahren sei die Polizei "unter sozialdemokratischer Verantwortung" massiv aufgestockt worden, so Giffey. Die Gewaltausbrüche seien zudem kein "Berlin-Phänomen". Ähnliches sei auch in anderen Städten passiert.
Zum Thema Integration betonte Giffey die Bedeutung des sozialen Umfelds. "Wir haben hier Menschen, die in sozialen Problemlagen leben." Daher müsse man sich nun die Situation in den betreffenden Stadtvierteln ansehen und mit den Leuten vor Ort über mögliche Schritte sprechen. "Wir reden hier nicht über Menschen, die frisch eingewandert sind, sondern wir reden in vielen Fällen über in Berlin geborene Kinder und Jugendliche." Das müsse man sich genau ansehen, die Polizei analysiere das Täterbild. "Egal, wer solche Taten begeht, muss mit Konsequenzen rechnen."
In Berlin laufen sich die Parteien gerade für den Wahlkampf warm. Wegen massiver Pannen muss die Abgeordnetenhauswahl am 12. Februar wiederholt werden, Giffey tritt für die SPD wieder an. Die Berliner Opposition sieht Versäumnisse der rot-grün-roten Landesregierung in der Silvesternacht.
Städte- und Gemeindebund: Mehr Prävention
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) kritisierte politische Forderungen nach härteren Strafen und beklagte eine zu zögerliche Ausschöpfung bereits vorhandener rechtlicher Möglichkeiten. "Der Strafrahmen interessiert doch die Leute überhaupt nicht, aber wenn sie dafür zu zehn Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt werden, das spricht sich herum", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Es gebe ganz offensichtlich "ein Vollzugsproblem".
DStGB-Präsident Uwe Brandl sagte, er sei darüber "beschämt", dass von den 145 vorläufig festgenommenen Verdächtigen alle wieder auf freien Fuß gesetzt worden seien. Er forderte eine offene Analyse der Ausschreitungen und ihrer Ursachen. "Wir müssen zunächst einmal deutlich analysieren, was die Motivationslage dieser Täter war", so Brandl.
Die "Entgleisungen" seien "eindeutig zuordenbar", sagte er. "Verschämtes Wegschauen" bringe nicht weiter und gefährde letztlich nur die gesellschaftliche Akzeptanz. Generell sehe er dabei in "Prävention und Abschreckung" die einzige Möglichkeit, "mit diesem Phänomen aufzuräumen".
Gewaltforscher warnt vor Vorverurteilung
Der Bielefelder Gewaltforscher Andreas Zick warnte unterdessen vor einer Vorverurteilung von Menschen mit Migrationshintergrund. "Dass Silvester so gewalthaltig war, reiht sich ein in einen Anstieg an Gewalt in der gesamten Gesellschaft." Es gebe viele Gruppen, die solche Gewaltdynamik erzeugten, so der Leiter des Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld. Zudem beleidigten solche Aussagen Millionen von Menschen, die sich als Einwanderer verständen. Schließlich blende eine solche Schuldzuweisung aus, "wie viele Menschen mit Migrationsgeschichte selbst in den Rettungs- und Polizeidienststellen arbeiten und ebenfalls Opfer sind".
Bei Verdächtigen mit Migrationshintergrund müsse nun geklärt werden, inwieweit die Migration einen entscheidenden erklärenden Einfluss auf die Gewalt habe, so Zick. Hinter dem Faktor "Migrationshintergrund" steckten Faktoren, die ergründet werden müssten - wie ein anderes Rechts- und auch Ordnungsverständnis oder Männlichkeitsbilder, die mit weiteren entscheidenden Faktoren wie Gruppendynamiken oder Alkohol erklärend seien.
Mit Blick auf die Ausschreitungen vor allem in Großstädten wie Berlin fügte Zick hinzu: "Selbst wenn junge Männer aus migrantischen Milieus beteiligt sind: Es sind gewaltorientierte Gruppen, die ein Feindbild von Polizei teilen, und viele andere, die die Gelegenheit nutzen oder sich anheizen lassen." Überdies seien die Täter mehrheitlich junge Männer, die "irgendwelchen traditionellen Rollenklischees folgen", von Drogen aufgeputschte Menschen sowie solche, "die Spaß an Gewalt haben und andere darin bestätigen, dass Gewalt Spaß macht".
Festgenommene mit 18 unterschiedlichen Nationalitäten
Bei den 145 Festgenommenen wurden den Angaben der Polizei zufolge 18 Staatsbürgerschaften erfasst. Demnach hatten 45 der Verdächtigen die deutsche Nationalität. Danach folgten 27 mit afghanischem und 21 mit syrischem Pass.