Hintergrund

Acht Euro mehr in zwei Etappen Der Hartz-IV-Kompromiss

Stand: 23.02.2011 14:57 Uhr

Vertreter von Bund und Ländern haben nach wochenlangem Ringen um die Hartz-IV-Reform eine Einigung erzielt. Mehrere zentrale Leistungen werden dem Kompromiss zufolge neu geregelt. Die wichtigsten Beschlüsse im Überblick:

Regelsatz: Das Arbeitslosengeld II für derzeit etwa 4,7 Millionen erwachsene Hartz-IV-Bezieher steigt rückwirkend ab Jahresanfang 2011 um fünf auf 364 Euro im Monat. In einem zweiten Schritt zum 1.Januar 2012 gibt es drei weitere Euro mehr - und zwar zusätzlich zu der dann ohnehin anstehenden, regulären jährlichen Anpassung aufgrund der Preis- und Lohnentwicklung. Ehrenamtlich tätige Hartz-IV-Bezieher dürfen ihre Aufwandsentschädigung bis zur Höhe von 175 Euro monatlich behalten. Das entspricht dem monatlichen Steuerfreibetrag für freiwilliges Engagement.

Bildungs- und Teilhabepaket: Für rund 2,5 Millionen Kinder von Hartz-IV-Empfängern oder Geringverdienern, die den Kinderzuschlag oder Wohngeld erhalten, gibt es neue Leistungen: Zuschüsse für ein warmes Mittagessen in Schule oder Kita in Höhe von bis zu zwei Euro sowie monatlich zehn Euro Zuschuss für Freizeitaktivitäten. Einen Euro zahlen sie selbst. Für Wandertage gibt es 30 Euro pro Schuljahr, bei Bedarf Nachhilfestunden und Schülerfahrkarten. Die 100 Euro für Schulsachen, die bereits gewährt werden, sind ebenfalls in dem Paket enthalten.

Die Regelsätze für Kinder und Jugendliche bleiben unverändert. Sie betragen für Kinder unter sechs Jahren 215, für Sechs- bis 13-Jährige 251 Euro und für 14- bis 18-Jährige 287 Euro monatlich.

Zur Finanzierung stockt der Bund seinen Anteil an den Miet- und Heizkosten der Hartz-IV-Bezieher (Kosten der Unterkunft) auf Dauer um 1,2 Milliarden Euro auf rund ein Drittel auf. Für drei Jahre befristet bis 2013 gibt der Bund nochmals 400 Millionen Euro: Diese Summe sollen die Kommunen für den Ausbau der Jugendsozialarbeit nutzen oder für Essen in Kinderhorten.

Ausgleich für Kommunen: Zur Entlastung der Kommunen hat die Koalition ein Milliardenpaket geschnürt: Der Bund nimmt ihnen in drei Schritten und ab 2014 komplett die Kosten der Grundsicherung im Alter ab. Derzeit wenden die Kommunen dafür jährlich rund 3,5 Milliarden Euro auf. Ihre Entlastung bis zum Jahr 2015 beziffert der Bund auf 12,24 Milliarden Euro netto. Bis zuletzt strittig war die finanzielle Abwicklung des Bildungspaketes zugunsten der Kommunen: Die Bundesregierung wollte die Mehrausgaben aus abrechnungs- und haushaltstechnischen Gründen mit bis zu zweijährigem Zeitverzug erstatten. Das lehnten die Länder ab. Nun soll das Geld "zeitnah" bei Städten und Gemeinden ankommen. Umgekehrt gilt aber auch: Wenn die Kommunen zu viel Geld vom Bund für Leistungen aus dem Bildungspaket erhalten haben, müssen sie es künftig auch rascher zurückzahlen.

Mindestlöhne: Für etwa 1,2 Millionen weitere Arbeitnehmer wird es künftig Mindestlöhne geben. Das betrifft vor allem die knapp eine Million Beschäftigten in der Zeitarbeit. Für sie wird im Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz auf der Grundlage der tariflich vereinbarten Mindestlöhne eine Lohnuntergrenze festgelegt, die ab 1. Mai greifen soll. Zeitarbeiter sollen auch dann den Mindestlohn erhalten, wenn in dem Betrieb, an den sie ausgeliehen sind, niedrigere Löhne gezahlt werden.Weitere Mindestlöhne für das Wach- und Sicherheitsgewerbe sowie für den Bereich Weiterbildung werden im Entsendegesetz geregelt.

Bundesetat und Arbeitsagentur: Im Bundeshaushalt wird damit ein Milliardenloch aufgerissen. Dies will der Bund stopfen, indem er rund vier Milliarden Euro bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) kürzt. Bisher überweist der Bund jährlich die Einnahmen aus einem Mehrwertsteuerpunkt an die Behörde. Das sind rund acht Milliarden Euro - schrittweise ansteigend soll es künftig nur noch die Hälfte sein. Damit drohen in der BA neue Milliardendefizite, für die dann die Beitragszahler - also Arbeitnehmer und Arbeitgeber - aufkommen müssten: Nach BA-interner Rechnung würde sich bis 2014 ein Schuldenberg von 9,6 Milliarden Euro auftürmen.