Vorschläge von Experten Wen zuerst gegen Corona impfen?
Im Kampf gegen Corona liegt die Hoffnung auf einem baldigen Einsatz von Impfstoffen. Doch wer wird zuerst geimpft? Eine Empfehlung geben heute wissenschaftliche Berater ab. Minister Spahn wünscht sich aber auch eine gesellschaftliche Debatte.
Ende diesen oder Anfang nächsten Jahres könnte es nach Schätzung der Bundesregierung einen ersten Corona-Impfstoff geben. Doch wer soll dann zuerst geimpft werden?
Angesichts der zunächst erwarteten vergleichsweise geringen Mengen dürfte er nicht für alle reichen, doch ein Rennen um eine Impfung innerhalb der Bevölkerung wollen Politik und Wissenschaft verhindern.
Wissenschaftliche Berater der Bundesregierung stellen daher heute in Berlin entsprechende Vorschläge vor: Der Deutsche Ethikrat, die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina und die am Robert Koch-Institut (RKI) angesiedelte Ständige Impfkommission wollen ein gemeinsames Papier zur Impfstrategie vorlegen.
Risikogruppen im Blick
Die Bundesregierung hatte bereits erkennen lassen, dass Risikogruppen wie Senioren und Vorerkrankte sowie Personal aus wichtigen Bereichen wie dem Gesundheitswesen im Blick stehen. "Ganz vorn dran sind natürlich Pflegekräfte, Ärzte und auch Menschen, die zu einer Risikogruppe gehören. Das sind dann allerdings schon recht viele in unserem Land", sagte Kanzlerin Angela Merkel.
Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zählen bis zu 40 Prozent der Menschen in Deutschland in der Corona-Krise zur Risikogruppe. "Bei uns sind 23 Millionen Deutsche über 60", sagte der CDU-Politiker der "Bild"-Zeitung. "Wir sind ein Wohlstandsland mit Zivilisationskrankheiten: Diabetes, Bluthochdruck, Übergewichtigkeit. Alles Risikofaktoren für dieses Virus, wie für viele Infektionskrankheiten übrigens auch."
Spahn rief alle Deutschen zu einer breiten Diskussion auf, welche Bevölkerungsgruppen zuerst gegen Corona geimpft werden sollten, wenn ein Impfstoff zur Verfügung steht. "Ich finde es wichtig, dass es eine politische, aber auch gesellschaftliche Debatte gibt an jedem Mittagstisch, in der Familie oder auf der Arbeit", sagte Spahn der "Bild". Zu entscheiden sei, wer zuerst geimpft werden soll: Derjenige, der beruflich das größte Risiko hat. Derjenige, der Risikogruppe ist. Oder derjenige, der besonders viel Kontakt zu anderen hat. Der CDU-Politiker kündigte an, dass sich auch der Bundestag mit dieser Frage befassen werde.
Die Nationale Impfstrategie des Bundesgesundheitsministers soll einem Bericht des Nachrichtenportal "ThePioneer" zufolge noch heute vom Corona-Kabinett beschlossen werden.
Offenbar Online-Datenportal zur Erfassung von Impfdaten geplant
Demnach plant die Bundesregierung eine zentrale Dokumentation der Impfungen. "Hierzu soll ein webbasiertes Datenportal verwendet werden, welches bis zum Beginn der Impfaktivitäten in Deutschland durch das RKI (Robert Koch-Institut) entwickelt werden soll", zitiert das Portal aus dem Dokument. Die Regierung beabsichtigt damit einen möglichst umfassenden und aktuellen Überblick darüber, welche Bevölkerungsgruppen bereits geimpft sind. Erfasst werden sollen demnach nicht-personenbezogene Angaben wie Alter, Geschlecht, Wohnort und Impf-Indikation, außerdem Ort und Datum der Impfung sowie das Impfstoff-Produkt mit Chargennummer.
Zudem werden demnach sieben mögliche Impfstoffe genannt, für die eine Zulassung innerhalb der EU angestrebt wird. Darunter ist der des Mainzer Unternehmens Biontech, das mit dem US-Pharmariesen Pfizer kooperiert, und der von Curevac aus Tübingen. "Einige Impfstoffhersteller haben noch im Jahr 2020 eine mögliche erste Auslieferung von Impfstoffdosen an die EU-Mitgliedstaaten in Aussicht gestellt", heißt es. "Sobald ausreichende Impfstoffmengen zur Verfügung stehen, wird angestrebt, die Impfaktivitäten in das Regelsystem übergehen zu lassen."
Auf ein einheitliches und abgestimmtes Vorgehen zur Versorgung mit Impfstoffen hatten sich die Gesundheitsminister der Länder und Spahn am Freitag geeinigt. Der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz sieht etwa vor, dass der Bund die Impfstoffe beschafft und finanziert und die Länder Impfzentren einrichten. Die Impfstoffe sollen den Angaben zufolge durch die Bundeswehr oder durch die Hersteller angeliefert werden. Die Impfdosen sollen dem Bevölkerungsanteil entsprechend an die Länder verteilt werden.
13.363 Neuinfektionen in Deutschland
Noch aber ist kein Impfstoff auf dem Markt und die Zahl der Corona-Neuinfektionen weiter hoch. So meldeten die Gesundheitsämter in Deutschland dem RKI 13.363 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden. Das sind rund 2650 Fälle weniger als am Sonntag, wie aus Angaben des RKI vom Montagmorgen hervorgeht. An Montagen sind die erfassten Fallzahlen meist niedriger, unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird. Am vergangenen Montag hatte die Zahl gemeldeter Neuinfektionen bei 12.097 gelegen. Der Höchststand war am Samstag mit 23.399 gemeldeten Fällen erreicht worden.
Insgesamt haben sich dem RKI zufolge seit Beginn der Pandemie bundesweit 671.868 Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert (Stand: 09. 11., 00.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg bis Montag um 63 auf insgesamt 11 352. Das RKI schätzt, dass rund 429.600 Menschen inzwischen genesen sind.
Das sogenannte Sieben-Tage-R lag laut RKI-Lagebericht vom Sonntagabend bei 1,01 (Vortag: 1,04). Das heißt, dass zehn Infizierte im Mittel etwa zehn weitere Menschen ansteckten. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab.
Warnung vor Überlastung des Gesundheitswesens
Angesichts der aktuellen Corona-Zahlen warnte Spahn vor einer Überlastung nicht nur bei Gesundheitsämtern. "Wir sehen eine immer größere Überlastung des öffentlichen Gesundheitswesens, also der Gesundheitsämter", sagte Spahn dem Bericht aus Berlin. "Wir sehen jetzt zunehmend auch bei der Intensivmedizin, in den Krankenhäusern, bei den Arztpraxen eine steigende Belastung und eine drohende Überlastung."