Wahl in Berlin Der Frust reicht bis in die Ampel
Alle Parteien der Bundesregierung müssen bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus Federn lassen. Die FDP knöpft sich deshalb die Grünen und die SPD vor. Und die CDU reklamiert den Sieg auch für Parteichef Merz.
Die einen: feiern einen Erfolg, von dem sie noch nicht wissen, wie handfest er sein wird. Die anderen: suchen nach ihrer künftigen Position in der Landesregierung und schauen auf die Folgen für die Bundesregierung. Der Ausgang der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus hat CDU, SPD, FDP und Grüne in höchst unterschiedliche Gemütslagen versetzt, und die Frage, wie das künftig das Miteinander in der Bundesregierung beeinflusst, wurde mit jeder Minute des Wahlabends deutlicher.
Dass die SPD rund eineinhalb Jahre nach der jüngsten Wahl in Berlin die Position als stärkste Partei im Abgeordnetenhaus wieder verlor, setzte auch der Vertretern der Bundespartei sichtlich zu. Ein historisch schlechtes Ergebnis und folglich auch kein Rückenwind aus dem Bund - SPD-Chef Lars Klingbeil konnte im ZDF nicht umhin, einzuräumen, dass das "kein schönes Ergebnis" sei. Auch Generalsekretär Kevin Kühnert gab zu, dass der Wahlausgang "schmerzhaft" sei.
Beide richteten aber den Blick gleich auf die Regierungsbildung in Berlin. Die könnte zwar zu einem Fortbestand der bisherigen Koalition aus SPD, Grünen und Linken führen - aber möglicherweise unter veränderten Vorzeichen.
Auf die Möglichkeit, dass die SPD Juniorpartner der Grünen werden könnte, mochte Kühnert am Abend nicht eingehen - eine heikle Frage für die SPD, auch weil allein die bloße Möglichkeit aufzeigt, wie nah sich beide Parteien in ihrem Stimmenanteil vielerorts inzwischen gekommen sind.
Vorwürfe an die Partner im Bund
Dass der Koalition im Bund schwierigere Zeiten bevorstehen, deutet sich auch in der Reaktion der FDP über ihr schlechtes Abschneiden in Berlin ab. Es habe eine Wechselstimmung in der Stadt gegeben, und seine Partei habe dennoch nicht davon profitieren können, konstatierte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in der "Berliner Runde".
Die Ursachen verortete er auch in der Ampel-Koalition auf Bundesebene. Djir-Sarai knöpfte sich gleich beide Koalitionspartner im Bund vor. Den Grünen hielt er eine Blockadehaltung in der Verkehrspolitik in der Infrastukturpolitik vor, und von der SPD verlangte er, sich in dieser Auseinandersetzung klar zu positionieren. Für seine Partei kündigte er, ihre Stimme werde künftig in der Ampel "deutlicher" zu vernehmen sein.
Das klingt nicht nach mehr Miteinander. Wie die SPD damit umgeht, blieb in der "Berliner Runde" offen. Kühnert umging eine Antwort auf die entsprechende Frage und plädierte dafür, sich in der Landespolitik um mehr Miteinander zu bemühen. Ob dies auch auf den Bund zu münzen ist?
Gesprächsbereit in fast alle Richtungen
Auch die Grünen konzentrierten sich am Abend vor allem auf die landespolitischen Aspekte der Wahl, verteidigten ihre Ideen in der Verkehrs- und Wohnungsbaupolitik, gaben sich geprächsbereit für alle demokratischen Parteien. Gespräche also auch mit der CDU, trotz einer Präferenz für die bisherigen Partner in Berlin.
Für CDU-Generalsekretär Mario Czaja auch eine Frage des "Anstands" - der verbiete es, dass die bisherigen Partner in der Stadt weiter Verwantwortung trügen, erklärte er in der ARD.
Rückenwind dank Merz?
Und dennoch ist es gut möglich also, dass die Christdemokraten sich am Ende weiter in der Opposition befinden und wenig von ihrem Erfolg haben. Ein Erfolg, den der stellvertretende Parteichef Carsten Linnemann auch CDU-Chef Friedrich Merz zuschrieb und dessen kontroversen Äußerungen zu den Krawallen in der Silvesternacht in Berlin-Neukölln. Merz hatte danach in einer Talkshow von "kleinen Paschas" gesprochen, deren Eltern sich gegenüber Lehrerinnen und Lehrern Zurechtweisungen ihrer Söhne verbäten.
Auch das habe der CDU "Rückenwind" verschafft, gab sich Linnemann sicher. Doch ob dieser Auftrieb der Partei am Ende nützt? In Berlin scheint die politische Schnittmenge mit den Grünen klein, und im Bund steht gerade die Kritik der FDP an den Äußerungen von Merz zur Silvesternacht weiter im Raum. Am Wahlabend gab es keine Schonung für die Liberalen seitens der Union. CSU-Generalsekretär Martin Huber stellte fest, die FDP sei von ihren Wählern abgewatscht worden, weil diese enttäuscht seien, dass die Liberalen die "linke Ampel" im Bund unterstützen. Nach Annäherung klang das nicht.