Migrationspolitik Bundestag beschließt neues Aufenthaltsrecht
Der Bundestag hat das "Chancen-Aufenthaltsrecht" beschlossen. Es soll laut Ampel-Koalition gut integrierten Ausländern ohne gesicherten Status eine Perspektive bieten. Die Union fürchtet jedoch nach wie vor die Schaffung falscher Privilegien.
Die Abgeordneten des Bundestags haben mit der Mehrheit der Ampel-Parteien das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht auf den Weg gebracht. Von 654 Abgeordneten, die an der Abstimmung teilnahmen, votierten 371 für den Gesetzentwurf, 226 stimmten dagegen, 57 Parlamentarier enthielten sich.
Aus Sicht des SPD-Politikers Helge Lindh ist es "ein Kompliment für dieses Land", dass sich viele Menschen in Deutschland niederlassen und integrieren wollten. Auch im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP hatte Lindh die neuen Regelungen gegen Kritik verteidigt: Durch sie erhielten langjährig geduldete Ausländerinnen und Ausländer endlich mehr Sicherheit und damit Menschen, "die faktisch längst ein Teil unserer Gesellschaft sind, aber in dem unwürdigen Zustand der massenhaften Kettenduldung lebten".
Von "lose-lose" zu "win-win"
"Die Migrationspolitik krankt oft daran, dass sie Projektionsfläche für ideologische Kämpfe und Selbstdarstellung ist, aber die Praxis und Lebensrealität vor Ort aus dem Blick verliert", warnte Lindh. Durch das Chancen-Aufenthaltsgesetz werde eine "lose-lose Situation in eine win-win Situation" umgewandelt, was ein "humanitär, migrationspolitisch, volkswirtschaftlich sowie sicherheitspolitisch" sinnvoller Schritt sei.
Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt von den Grünen warb für "pragmatische und zeitgemäße Lösungen", welche durch das neue Gesetz geschaffen würden. Es gehe darum, "wie wir Menschen entgegentreten, die sich hier gemeinsam mit uns etwas aufbauen wollen". "Lassen Sie uns Weltmeister der Chancen werden. Dieses Land und seine Menschen haben es verdient", betonte Göring-Eckardt.
Auch die Grünen-Migrationsexpertin Filiz Polat hob in der Bundestagsdebatte die von der Ampel erwarteten wirtschaftlichen Vorteile durch die Neuregelungen hervor. In vielen Unternehmen arbeiteten Menschen, die davon profitieren könnten - auch in Wahlkreisen von vielen Unionsabgeordneten.
Union fürchtet "Fehlanreize" durch neue Regelungen
Der Seitenhieb zielte auf die anhaltende Kritik von CDU und CSU an den Plänen der Ampel-Koalition. In ihrer Rede vor dem Bundestag warf die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz, der Bundesregierung erneut vor, mit den Neuerungen "Fehlanreize" für den Verbleib in Deutschland zu liefern. "Sie wollen aus ideologischen Gründen keine Rückführung. Sie belohnen die Falschen", warnte sie. Für gut integrierte langjährig Geduldete gebe es heute schon genügend Ausnahmen und pragmatische Lösungen. Daher müsse sich die Ampel-Koalition in ihrer Politik "auf die wirklich Schutzberechtigten" fokussieren.
Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, hatte im Vorfeld der Bundestagsdebatte gewarnt, das neue Aufenthaltsgesetz drohe falsche Privilegien zu schaffen. "Der deutsche Arbeitsmarkt steht den Ausreisepflichtigen schon jetzt weit offen. Tausende ehemalige Ausreisepflichtige, die hier arbeiten und gut integriert sind, haben zudem längst ein Aufenthaltsrecht", sagte der CDU-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Ampel will Perspektive für gut integrierte Ausländer schaffen
Nach den Plänen der Bundesregierung soll das Chancen-Aufenthaltsrecht gut integrierten Ausländern, die schon mehrere Jahre ohne gesicherten Status in Deutschland leben, eine Perspektive bieten. Straftäter und Menschen, die ihre Identität verschleiern, um einer Abschiebung zu entgehen, sind ausgeschlossen.
Wer zum Stichtag 31. Oktober 2022 fünf Jahre im Land lebt und nicht straffällig geworden ist, soll 18 Monate Zeit bekommen, um die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen - dazu gehören etwa Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts. Von den neuen Regelungen könnten laut Bundesregierung in ganz Deutschland mehr als 136.000 Menschen profitieren.
Mit dem vom Parlament beschlossenen Gesetz werden auch für Hürden für das stichtagsunabhängige Bleiberecht gesenkt, indem die Wartezeiten verkürzt werden. Zudem beschloss das Parlament ein Gesetz, das Änderungen für Asyl- und Asylgerichtsverfahren vorsieht. Ziel ist es jeweils, die Verfahren im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie vor Gerichten zu beschleunigen. Mit dem Gesetz wird zudem erstmals eine behördenunabhängige Asylverfahrensberatung eingeführt, bei der sich Flüchtlinge vor und während des Verfahrens Rat und Hilfe holen können.
Weiter beinhaltet das Gesetzespaket eine leichtere Abschiebung von Straftätern. Anordnungen für eine Abschiebehaft sollen erleichtert werden. Für die Bundesregierung ist das Gesetz der erste Teil eines Migrationspakets; zwei weitere sollen folgen.