Ein Jogger am frühen Morgen am Hamburger Fischmarkt.
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Bürgerschaftswahl Was zur Hamburg-Wahl wichtig ist

Stand: 02.03.2025 05:49 Uhr

Die Hamburgerinnen und Hamburger können erneut wählen - heute geht es um ihr Landesparlament. Für die SPD ist die Ausgangslage dort deutlich besser als im Bund. Wer tritt an? Was sind die Themen? Ein Überblick.

Die Ausgangslage

Ein Debakel wie bei der Bundestagswahl am vergangenen Sonntag dürfte der SPD bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg nicht drohen. Denn in Hamburg herrscht, anders als im Bund, eine politische Kontinuität - und die ist sozialdemokratisch geprägt.

"Erwartbar gutes Abschneiden der SPD", Thorsten Faas, Politikwissenschaftler, FU Berlin, zur Bürgerschaftswahl in Hamburg

tagesschau24, 02.03.2025 10:00 Uhr

Von Wechselstimmung ist an Elbe und Alster nichts zu spüren: Die Hansestadt liegt seit 1957 überwiegend in sozialdemokratischer Hand. Momentan regiert dort ziemlich geräuschlos ein Bündnis aus Sozialdemokraten und Grünen unter Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Die CDU schaffte es nur Anfang der 2000er-Jahre unter Ole von Beust für zehn Jahre auf den Chefsessel im Rathaus.

In Hamburg war die SPD auch bei der Bundestagswahl trotz deutlicher Verluste mit knapp 23 Prozent wieder stärkste Kraft. Und sie schickt sie sich an, auch bei der bundesweit einzigen Landtagswahl in diesem Jahr als Siegerin vom Platz zu gehen, wenn auch mit Verlusten.

Der Wahlkampf in Hamburg stand weitgehend im Schatten der vorgezogenen Bundestagswahl und damit einhergehender bundespolitischer Debatten über die Migrations- und Außenpolitik. CDU, Linke und FDP forderten deshalb anfangs, die Hamburg-Wahl auf den Termin der Bundestagswahl vorzuziehen, was SPD und Grüne aber ablehnten. Sie begründeten dies mit rechtlichen Risiken bei einer Verschiebung der Wahl.

Hamburg in Zahlen

Mit rund 1,9 Millionen Einwohnern ist Hamburg nach Berlin die zweitgrößte Stadt Deutschlands. Der Stadtstaat an der Elbe erstreckt sich über nur etwa 755 Quadratkilometer und ist das flächenmäßig zweitkleinste Bundesland. Mit deutlich mehr als 2.000 Menschen pro Quadratkilometer ist die Hansestadt entsprechend dicht besiedelt - allerdings weit weniger dicht als andere große Metropolen. In Berlin etwa sind es mehr als 4.000 Menschen.

Mit einem Durchschnittsalter von 42,3 Jahren ist die Bevölkerung Hamburgs laut Daten des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung die jüngste aller Bundesländer. Die Arbeitslosenquote lag mit zuletzt 8,4 Prozent über dem Bundesschnitt von 6,4 Prozent.

Doch Hamburg ist wirtschaftsstark und trägt verglichen mit seiner Größe überproportional zur bundesweiten Wertschöpfung bei. Das Bruttoinlandsprodukt lag 2023 bei knapp 151 Milliarden Euro, pro Kopf war es mit rund 79.000 Euro viel höher als in jedem anderen Bundesland.

Die Wirtschaftsstärke resultiert unter anderem aus der Bedeutung Hamburgs als Verkehrsknotenpunkt im internationalen Handel. Der Hafen der Hansestadt ist der größte deutsche Seehafen sowie nach Rotterdam und Antwerpen die Nummer drei in Europa. Die Metropolregion Hamburg ist aber auch insgesamt ein wichtiges Industriezentrum. Nach Branchengaben ist Hamburg der weltweit drittgrößte Standort im zivilen Flugzeugbau. Airbus hat dort ein Werk.

Das Landesparlament, die Hamburgische Bürgerschaft mit ihren mindestens 121 Sitzen, ist vergleichbar mit den Landesparlamenten in anderen Bundesländern. Sie wird alle fünf Jahre direkt gewählt. Der Regierungschef, der Erste Bürgermeister, wird nicht direkt gewählt. Die Abgeordneten der neu gewählten Bürgerschaft stimmen über ihn oder sie ab.

Und sonst? Hamburg hat Elbe und Alster, Franzbrötchen und Fischbrötchen, HSV und St. Pauli, Schietwetter und Sonnenschein - und heute die Wahl.

Der Aufruf "Bitte geh wählen!" ist mit Kreide auf einen Bürgersteig im Stadtteil Hamburg-Eimsbüttel geschrieben.

Der Aufruf "Bitte geh wählen!" ist mit Kreide auf einen Bürgersteig im Stadtteil Hamburg-Eimsbüttel geschrieben.

Wie wird abgestimmt - und wer ist wahlberechtigt?

Für die Hamburgerinnen und Hamburger ist es der zweite Wahlsonntag in Folge. Erst die Bundestagswahl, nun die Bürgerschaftswahl. Anders als bei der Abstimmung vor einer Woche liegt das Wahlalter für die Hamburg-Wahl bei 16 Jahren. Alle Deutschen, die seit mindestens drei Monaten in der Hansestadt wohnen, dürfen mitwählen. Laut Landeswahlamt sind das 1.318.101 Wahlberechtigte.

Es gibt zwei Stimmzettel - einen gelben für die Landesliste (Zweitstimme) und einen roten für die Kandidatinnen und Kandidaten aus dem jeweiligen Wahlkreis (Erststimme). Jeder Wählende darf bis zu zehn Stimmen abgeben - fünf auf jedem der beiden Stimmzettel.

Endspurt beim Bürgerschaftswahlkampf in Hamburg

Marek Walde, NDR, tagesschau, 01.03.2025 13:45 Uhr

Welche Themen waren im Wahlkampf wichtig?

Wichtige Themen für die Wählerinnen und Wähler sind Umfragen zufolge die Verkehrs- und Wohnungspolitik, also eher typische Großstadtthemen. Hier sehen die Menschen angesichts steigender Mieten und häufiger Staus die derzeit drängendsten Probleme. Auch die Frage der Inneren Sicherheit spielt bei der Wahlentscheidung eine Rolle. Sorgen bereitet laut Umfragen auch die Lage der Wirtschaft. Die Migrations- und Bildungspolitik beschäftigt die Hamburger Wähler weniger.

Ohnehin gaben sechs von zehn Hamburgerinnen und Hamburger an, für sie spiele bei ihrer Wahlentscheidung die Landespolitik eine wichtigere Rolle als die Bundespolitik.

Wer sind die Spitzenkandidaten?

Für die SPD tritt Amtsinhaber Peter Tschentscher (59) erneut an. Seit 2018 hat er das Bürgermeisteramt inne. Damals trat er die Nachfolge seines Parteifreunds Olaf Scholz an, der als Bundesfinanzminister nach Berlin wechselte. Tschentscher gilt als zurückhaltend und sachlich, hält sich aber mit persönlichen Spitzen nicht zurück. In die SPD trat der gebürtige Bremer 1989 ein und machte seine politischen Anfänge in der Bezirksversammlung von Hamburg-Nord. 2008 wurde er in die Bürgerschaft gewählt und war unter seinem Amtsvorgänger Scholz sieben Jahre lang Finanzsenator. 

Vor seiner politischen Karriere promovierte Tschentscher als Labormediziner und arbeitete bis 2011 am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf.

Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank (48) hat einen schnellen Aufstieg hinter sich. Erst 2004 eingetreten, war Fegebank nur vier Jahre später schon jüngste Parteichefin der Stadt. Dem Senat gehört sie seit fast zehn Jahren an - als Zweite Bürgermeisterin zunächst unter Scholz, ab 2018 dann unter seinem Nachfolger Tschentscher.

2020 kandidierte sie erstmals auch offiziell für das höchste Amt im Senat, um Hamburgs erste Erste Bürgermeisterin zu werden. Als Senatorin ist sie neben Wissenschaft und Forschung auch für Gleichstellung zuständig - für Fegebank ein wichtiges Anliegen.

Fegebank kommt aus dem schleswig-holsteinischen Umland von Hamburg. Vor ihrer politischen Karriere studierte sie in Freiburg und Berlin und war als Projektmanagerin tätig. 

Dass Dennis Thering (40) die CDU in die Bürgerschaftswahl führen würde, galt schon vor seiner Wahl zum Spitzenkandidaten als gesichert. Nach der klaren Wahlniederlage 2020 rückte er an die Fraktionsspitze und übernahm drei Jahre später auch als Landeschef. In den Umfragen ging es für die CDU seitdem wieder aufwärts.

Thering ist gebürtiger Hamburger, machte eine Ausbildung zum Bankkaufmann und studierte Politikwissenschaft. Er arbeitete unter anderem für die Hamburger Sparkasse.

Cansu Özdemir (36) ist seit 2015 Co-Vorsitzende der Linksfraktion in der Bürgerschaft und unter anderem frauenpolitische Fachsprecherin. Nach 2022 tritt sie zum zweiten Mal als Spitzenkandidatin ihrer Partei an. Özdemir prägten nach eigenen Angaben ihre kurdischen Wurzeln und ihr familiärer Hintergrund als Gastarbeiterenkelin aus bescheidenen Verhältnissen. Sie wurde in Hamburg geboren.

Bei der Bundestagswahl stand sie auf Platz 2 der Linken-Landesliste - und gewann unverhofft ein Mandat. Wie sie nun mit möglicherweise zwei Mandaten umgehen will, lässt sie bislang offen.

Dirk Nockemann (66) ist bereits seit Jahren führender Kopf der AfD in der Hansestadt, die 2015 erstmals in die Bürgerschaft einzog. Seit 2017 führt er den Landesverband, seit 2018 auch die Bürgerschaftsfraktion. Nockemann stammt aus Nordrhein-Westfalen, ist Volljurist und arbeitete als Verwaltungsbeamter in leitenden Funktionen.

Im rechtspopulistischen Spektrum der Hamburger Politik mischt Nockemann schon lange mit. Er gehöre bereits zu den führenden Vertretern der Partei Rechtsstaatliche Offensive von Ronald Schill und amtierte in den Jahren 2003 und 2004 für einige Monate als Innensenator. Nach einem Ausflug zur Zentrumspartei ging er 2013 zur AfD und gründete deren Landesverband mit.

Was sagen die Umfragen?

Nach der ARD-Vorwahlumfrage von infratest dimap vom 20. Februar käme die SPD bei der Bürgerschaftswahl auf 32 Prozent. Die mitregierenden Grünen dürften mit 18 Prozent rechnen, dicht gefolgt von der CDU, die auf 17 Prozent käme. Linke und AfD erhielten jeweils 10 Prozent, alle anderen Parteien - darunter FDP, Volt und BSW - blieben unter der Fünf-Prozent-Hürde. Umfragen haben auch gezeigt, dass die Mehrheit der Hamburger mit der Arbeit des rot-grünen Senats zufrieden ist. Und auch der Erste Bürgermeister erfreut sich hoher Beliebtheit und kann auf den Amtsbonus setzen. 

Dennoch dürfte die SPD um Peter Tschentscher das Ergebnis am Sonntag mit einem lachenden und einem weinenden Auge bewerten. Einerseits liegt die Partei in der Hansestadt um etwa das Doppelte über dem Niveau der SPD im Bund. Andererseits dürfte sie für Hamburger Verhältnisse eher schlecht abschneiden: Bei der Bürgerschaftswahl 2020 kam sie noch auf 39,2 Prozent. Schneidet die SPD so wie in der Vorwahlumfrage ab, würde die Partei bei der dritten Hamburg-Wahl in Folge massiv verlieren.

Auch die Grünen mit Spitzenkandidatin und Vizeregierungschefin Katharina Fegebank müssten Federn lassen und könnten ihr Rekordergebnis von 24,2 Prozent im Jahr 2020 nicht wiederholen. Die Christdemokraten um Spitzenkandidat Dennis Thering würden sich verglichen mit der Wahl 2020 klar verbessern. Damals fiel sie auf einen historischen Tiefstwert von 11,2 Prozent.

Die AfD würde sich nach 5,3 Prozent 2020 ebenfalls klar steigern, ist von Zustimmungswerten wie in Ostdeutschland aber weit entfernt. Die unter anderem wegen der Abspaltung des BSW zwischenzeitlich totgesagte Linke, die seit 2008 ungefährdet in der Bürgerschaft vertreten ist, würde ihr jüngstes Wahlergebnis laut Vorwahlumfrage in etwa wiederholen.

Hamburg vor der Bürgerschaftswahl

Benedikt Scheper, NDR, Morgenmagazin, 28.02.2025 05:30 Uhr

Was heißt das für die Regierungsbildung?

Lange sah es nach klaren Verhältnissen bei der Hamburg-Wahl aus, doch auf den letzten Wahlkampfmetern könnte es doch noch zumindest etwas spannend werden. Die CDU ist den schwächelnden Grünen dicht auf den Fersen, Linke und AfD legen zu. Plötzlich scheint die sicher geglaubte Mehrheit für Rot-Grün nicht mehr ganz sicher.

Tschentscher wirbt für eine stabile Regierung - mit den Grünen. Dass Hamburg bisher vielen als gutes Beispiel für eine funktionierende Koalition diene, sei "kein Selbstgänger", warnte er. "Wir haben am Wahlsonntag gesehen, dass in diesem Land die politische Mitte zerbröselt", sagte der SPD-Politiker mit Blick auf die Bundestagswahl. Er will Rot-Grün fortsetzen - "mit einem möglichst starken Anteil der SPD".

Eine Zusammenarbeit mit den wohl auch in Hamburg stärker werdenden Linken zieht Tschentscher nicht in Betracht, auch weil die Partei seiner Ansicht nach gar nicht regieren will. Eine Koalition mit der CDU kann sich Tschentscher wegen der inhaltlichen Differenzen kaum vorstellen, wie er zuletzt immer wieder betonte.

Deren Spitzenkandidat Thering wiederum zeigt sich für eine Zusammenarbeit mit der SPD offen. Ziel sei es, die CDU so stark zu machen, dass es für eine Neuauflage von Rot-Grün nicht mehr reiche, sagt der CDU-Landesvorsitzende. Er wolle dann eine "zukunftsfähige Koalition" wie auf Bundesebene bilden. Dort sprechen Union und SPD gerade über eine mögliche Koalition. Ein Bündnis mit den Grünen schließt Thering aus.

Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Fegebank warnt wiederum vor Rot-Schwarz. Die Grünen seien eine "verlässliche Kraft" und hätten in einer "stabilen rot-grünen Koalition" gut regiert. Gedankenspiele über ein Bündnis ihrer Partei mit der CDU wies sie als "völlig absurd" zurück.

Bei den Linken zeigt man sich von der vom Bürgermeister unterstellten Regierungsunwilligkeit überrascht. Tschentscher verdrehe "vor lauter Angstschweiß" die Fakten, sagt Co-Spitzenkandidatin Heike Sudmann. Wenn es in der neuen Bürgerschaft eine Mehrheit für eine wirklich soziale Politik gebe, "können wir gern reden". Bisher sei das aber nicht in Sicht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 02. März 2025 um 10:00 Uhr.