Gutachten des Expertenrats Klimaziele für 2030 kaum erreichbar
Wenn in Deutschland weiterhin so viele Treibhausgase ausgestoßen werden wie bisher, sind die Klimaziele für 2030 nicht erreichbar. Laut Expertenrat für Klimafragen müsste sich die Menge an eingesparten Emissionen dafür mehr als verdoppeln.
Deutschland droht die für 2030 angesetzten Klimaziele deutlich zu verfehlen. Zu diesem Fazit kommt der Expertenrat für Klimafragen in seinem ersten Zweijahresgutachten, das das unabhängige Gremium zwei Tage vor dem Beginn der nächsten Weltklimakonferenz vorgelegt hat.
"Mit einem 'Weiter so' werden wir die Klimaziele für das Jahr 2030 definitiv nicht erreichen", zog die stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats, Brigitte Knopf, Bilanz. Bis dahin will die Bundesregierung den bundesweiten Ausstoß an Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um mindestens 65 Prozent reduzieren.
Doch um diese Zielstellung noch zu erreichen, müsste sich die Menge an eingesparten klimaschädlichen Emissionen im Zeitraum von 2022 bis 2030 im Vergleich zu den Jahren 2011 bis 2021 mehr als verdoppeln.
Der Expertenrat für Klimafragen setzt sich aus fünf Sachverständigen zusammen, die für jeweils fünf Jahre von der Bundesregierung berufen werden. Derzeit hat der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, Hans-Martin Henning, den Vorsitz inne. In ihrer Arbeit werden die Mitglieder von einem wissenschaftlichen Stab unterstützt.
Der Rat ist nur an den durch das Bundesklimaschutzgesetz begründeten Auftrag gebunden und in seiner Tätigkeit unabhängig. Das Gremium prüft die jährlich durch das Umweltbundesamt erstellten Daten der Treibhausgasemissionen. Werden die Klimaziele in einem der geprüften Sektoren nicht eingehalten, sind die zuständigen Ministerien verpflichtet, Sofortprogramme zu erstellen. Auch diese werden anschließend vom Expertenrat überprüft.
Emissionen in 21 Jahren um etwa 27 Prozent reduziert
Basis des Gutachtens, das künftig alle zwei Jahre vom Expertenrat vorgelegt werden soll, sind Analysen der Entwicklungen in den Jahren 2000 bis 2021. Im vergangenen Jahr gingen rund 90 Prozent der Treibhausgasemissionen auf die Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude und Verkehr zurück. Die verbleibenden rund zehn Prozent entfallen auf die Landwirtschaft sowie die Abfallwirtschaft und sonstige, kleinere Bereiche.
Im gesamten Untersuchungszeitraum konnten die in Deutschland ausgestoßenen Treibhausgase laut Gutachten um 26,6 Prozent und temperaturbereinigt um 27,3 Prozent reduziert werden. Der Expertenrat warnt jedoch:
Generell reichen die bisherigen Emissionsreduktionsraten bei Weitem nicht aus, um die Klimaschutzziele für das Jahr 2030 zu erreichen - weder in der Summe noch in den einzelnen Sektoren.
Verkehr und Industrie größte Klimasünder
Dabei geht demnach fast die Hälfte dieses Rückgangs auf den Energiesektor zurück: Vergleicht man die Emissionen dieser Branche aus den Jahren 2000 und 2021 fielen diese im vergangenen Jahr um 36 Prozent niedriger aus als noch vor zwölf Jahren. Eine ähnliche Quote beim Rückgang der Treibhausgase kann der Gebäudesektor in diesem Vergleichszeitraum vorweisen - hier beträgt das Minus 35 Prozent. Dabei entfällt ein Großteil dieses Rückgangs in beiden Branchen auf die Jahre 2010 bis 2021.
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Deutlich schlechter in puncto Emissioneinsparungen schneiden die Sektoren Verkehr und Industrie ab: Hier berechneten die Experten für den Zeitraum 2000 bis 2021 lediglich einen Rückgang von 13 Prozent beziehungsweise 18 Prozent. Zwischenzeitlich hätte die Menge an Treibhausgasen in diesen Bereichen sogar wieder zugenommen. Erst die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie hätten weniger Emissionen zur Folge gehabt, doch dieser Trend habe sich bereits seit dem vergangenen Jahr wieder umgekehrt.
Allein der Industriesektor müsste seine jährlichen Emissionseinsparungen etwa verzehnfachen, damit die deutschen Klimaziele bis 2030 noch erreicht werden könnten. Im Verkehrssektor müsste der Ausstoß pro Jahr sogar um das 14-fache reduziert werden.
"Alle Hebel in Bewegung setzen"
Nun müssten alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um die Klimaziele doch noch realisieren zu können, mahnte Expertenrat-Vizechefin Knopf. Dafür sei nicht nur der Ausbau von Erneuerbaren Energien nötig, sondern auch eine "harte Begrenzung von Emissionsmengen", wie es in dem Gutachten heißt. Zudem müsse die Nutzung fossiler Ressourcen schneller eingeschränkt werden - beispielsweise, indem in Wohnungen nicht mehr mit Ölheizungen geheizt wird.
Der Expertenrat hatte bereits im August gewarnt, dass Deutschland die Klimaziele nicht werde umsetzen können. Damals bezog sich die Kritik allein auf eine Zwischenbilanz zum Gebäude- und Verkehrssektor, da in beiden Sektoren im vergangenen Jahr mehr Treibhausgase ausgestoßen wurden als im Klimaschutzgesetz der Bundesregierung vorgesehen.