Finanzminister Lindner Hart am Wind
Zuerst Diskussionen um seine Hochzeit auf Sylt, dann "Porsche-Gate": Für Finanzminister Lindner läuft gerade einiges schlecht. Dabei kann er bei der Haushaltskonsolidierung Erfolge vorweisen.
Juli 2022: Für Christian Lindner ein politisch wie privat ganz besonderer Monat. Gleich zu Beginn bekommt er den Segen des Bundeskabinetts für den Haushaltsentwurf 2023. Es ist der erste Haushalt, der komplett in seiner Amtszeit entstanden ist. Vor allem ist es der erste, der nach drei Jahren mit Ausnahmeregelungen wieder im Rahmen der Schuldenbremse des Grundgesetzes bleibt. Für Lindner ein wichtiges Etappenziel.
Wenige Tage später feiert der FDP-Vorsitzende Hochzeit: Auf Sylt gibt er in zweiter Ehe seiner Lebensgefährtin, der TV-Journalistin Franca Lehfeldt, das Ja-Wort. Glamour-Bilder der glücklichen Eheleute und ihrer prominenten Gäste - Bundeskanzler Olaf Scholz ist da, ebenso wie der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz - machen die Runde.
Heftige Kritik
Doch an dem großen Fest wird auch heftig Kritik geübt. Es passe nicht in eine Zeit, in der viele Bürger wegen der hohen Inflation den Gürtel enger schnallen müssten, heißt es auf Twitter. Der "Stern" macht das Fest des FDP-Politikers sogar zur Titelgeschichte: Mit der These, Lindners "Luxus-Hochzeit" nähre das Bild vom abgehobenen Politiker.
Eine Meldung des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" am Hochzeitstag heizt die Debatte an: Lindner plane Kürzungen für Langzeitarbeitslose, heißt es da. Wer sich mit der Materie beschäftigt, merkt schnell: Hier geht es um Entscheidungen, die im Verantwortungsbereich von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) liegen.
Doch die Kritik bleibt an Lindner hängen. Eine Twitter-Nutzerin schreibt: "Ich gönne jedem seine Hochzeit, aber am gleichen Tag zu verkünden, dass man bei der Pflege, bei Langzeitarbeitslosen und Menschen mit Behinderung sparen möchte, während man Zehntausende Euro für den Personenschutz raushaut: mindestens instinktlos."
Dann noch die Diskussion um die kirchliche Trauung: Ex-Bischöfin Margot Käßmann fragt in der "Bild am Sonntag", warum "zwei Menschen eine kirchliche Trauung wünschen, die bewusst aus der Kirche ausgetreten sind, ja öffentlich erklärt haben, dass sie sich nicht als Christen verstehen?" Käßmann spricht von einem "Promi-Bonus-Geschmäckle" und warnt davor, Kirchen zu billigen Event-Locations zu machen. Die Kritik sorgt nicht nur innerkirchlich für Debatten.
Auch Christian Lindner reagiert und lässt sich vom EKD-Magazin "Chrismon" befragen. Auf die Frage, warum ihm der kirchliche Segen wichtig gewesen sei, sagt er: "Es gibt ein Mehr, das über uns beide und unser gemeinsames Leben hinausweist. Das in einem Gottesdienst zu bedenken und den Segen zu empfangen, war mir wichtig."
Lindners "Porsche-Gate"
Doch kaum hat sich der Wirbel um seine Hochzeit gelegt, bekommt Lindner neue Schlagzeilen, auf die er gut und gerne verzichten könnte. Die ZDF-Satire-Sendung "Die Anstalt" berichtet, Porsche-Chef Oliver Blume habe sich in einer internen Betriebsversammlung seiner guten Beziehungen zu Lindner gerühmt. Es geht um Lindners Einsatz für sogenannte E-Fuels, also Autos mit klassischem Verbrennungsmotor, die klimaneutral sind und als mögliche Alternative zu reinen E-Autos gelten.
Das Wort "Porsche-Gate" macht schon die Runde. Der bekennende Porsche-Fahrer Lindner aber weist die Vorwürfe, er habe sich zum Lobbyisten für den Stuttgarter Konzern gemacht, vehement zurück. Er habe in der Zeit der Koalitionsverhandlungen gerade ein Mal mit Blume telefoniert. Und er verweist darauf, dass seine Position zu E-Fuels seit Langem bekannt sei: Der FDP-Vorsitzende setzt auf dem Weg zur klimaneutralen Wirtschaft auf Technologieoffenheit und damit auf den Wettbewerb unterschiedlicher Systeme.
Vielmehr hat offenbar Porsche-Chef Blume den Mund etwas voll genommen. Kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe entschuldigt er sich mit dem Hinweis, er habe in einer internen Veranstaltung falsche Worte gewählt: "Dadurch ist ein falscher Eindruck entstanden. Das tut mir leid." Kein guter Einstieg für den ansonsten viel gelobten Manager, der schon bald VW führen soll.
"Partei der Wirtschaft"
Doch wieder einmal zeigt sich: Lindner ist eine leichte Zielscheibe, seine Partei wird misstrauisch als "Partei der Wirtschaft" beäugt. Vielen im politischen Berlin ist noch ihr Einsatz für eine niedrigere Mehrwertsteuer in der Hotellerie in der Zeit der schwarz-gelben Koalition in Erinnerung - man sprach von der "Mövenpick-Steuer", nachdem die gleichnamige Hotelkette der FDP im Wahlkampf zuvor Spenden hatte zukommen lassen.
All das zeigt, wie schmal der Grat ist, auf dem Lindner mit seiner Partei unterwegs ist: Einerseits muss die FDP verhindern, dass mit ihr Wirtschafts-Lobbyismus verbunden wird. Andererseits kann sie sich innerhalb der Ampelkoalition nur dann profilieren, wenn sie sich als "Partei der Marktwirtschaft" positioniert - wie es zuletzt stärker zu beobachten ist.
So hat Lindner zusammen mit seinem Partei- und Kabinettskollegen Marco Buschmann eine Stärkung der Aktienkultur angekündigt. Durch eine verbesserte Beteiligung von Mitarbeitern an ihren Unternehmen sollen insbesondere Start-ups gefördert werden.
In der Debatte um die Reform von Hartz IV hin zu einem Bürgergeld spricht sich Lindner zwar durchaus für eine Verbesserung der Lebenssituation von Hartz-IV-Beziehern aus; Hauptziel der Reform aber müsse sein, dass es für Bezieher von Sozialleistungen attraktiver wird, Arbeit aufzunehmen - es gehe um "Aktivierung und nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen", wie Lindner sagt. Und wenn der Minister und FDP-Vorsitzende für Entlastungen eintritt, dann nicht nur für einkommensschwache Haushalte, sondern auch für die "arbeitende Mitte".
Liberales Profil
Diese Positionierung ist für Lindner deshalb wichtig, weil der Schritt in die Ampelkoalition von Anfang an mit der Gefahr verbunden war, in der Regierung liberales Profil zu verlieren. Und wenn man auf die Wahlen in der ersten Jahreshälfte und Umfragen schaut, hat die FDP in der Wählergunst stark gelitten: Aktuell kommen die Liberalen in Umfragen nur noch auf sechs bis acht Prozent, nach 11,5 Prozent bei der Wahl im September.
Nach den Selfie-Fotos aus den Koalitionsverhandlungen betont der FDP-Vorsitzende jetzt die Unterschiede innerhalb der Ampel: "SPD und Grüne sind linke Parteien, die FDP ist eine Partei der Mitte." Die FDP sorge in der Regierung dafür, dass "unser Land aus der Mitte regiert wird und nicht weiter nach links driftet." Das gehe nicht ohne Kontroversen in der Koalition, aber die Ergebnisse stimmen, so Lindner in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe.
Punkten muss Lindner natürlich vor allem als Finanzminister. Fast schon stoisch verweist er auf die Schuldenbremse des Grundgesetzes ("ein Befehl der Verfassung") und wehrt überbordende Finanzwünsche seiner Kabinettskollegen ab. Dass zusätzliche Staatsausgaben die Inflation wohl noch anheizen würden, hilft ihm gerade als Argument.
Zugleich kann er nur hoffen, dass sich die wirtschaftliche Situation bis zum Herbst nicht dramatisch verschlechtert. Politiker von SPD und Grünen lassen fast tagtäglich Zweifel daran erkennen, ob die Schuldenbremse am Ende wirklich eingehalten werden kann. Und über den Haushalt entscheidet am Ende nicht der Finanzminister, sondern der Bundestag.