Streit in der Ampelkoalition Mehr als nur ein bisschen Haushalt
Seit Wochen ringen die Ministerinnen und Minister der Bundesregierung um Haushaltsgelder, seit Wochen ist keine Lösung in Sicht. Der Ton in der Debatte verschärft sich - und belastet zunehmend die Koalition.
Es geht um viele Herzensprojekte der Ampel: die Kindergrundsicherung, mehr Geld für Verteidigung, die Reform des Gesundheitssystems, eine bessere Infrastruktur in Deutschland und mehr Tempo bei der Digitalisierung. Die Liste der Ampelvorhaben ist seit Monaten lang und die Geldwünsche der zuständigen Ministerinnen und Minister sind seit Wochen groß. Doch keiner will sich derzeit bewegen und auf etwas verzichten - und daher herrscht gerade Stillstand, denn wie das finanziert werden soll, ist schon lange unklar.
Finanzminister Christian Lindner versucht, Gelassenheit zu versprühen. Er ist derjenige, der das Geld verteilt und einen Haushalt aufstellen sollte. Vor gut fünf Wochen konnte er jedoch keine Eckpunkte für den Haushalt vorlegen - zu weit lagen die Etatwünsche der Ministerien entfernt von dem, was tatsächlich an Geld zur Verfügung steht.
70 Milliarden mehr wollten die Ministerien. Das sei zu viel, so die Reaktion aus dem Finanzministerium. Und es gehe auch ohne Eckpunkte, das sei alles nicht ungewöhnlich.
Seitdem passierte nicht viel. Im Hintergrund wird weiter gerechnet, und die enormen Zinsbelastungen und eine Finanzierungslücke bereiten den Haushältern zunehmend Sorgen. Seit Wochen schaut Lindner nun zu, weist mehrfach darauf hin, dass gespart und die Schuldenbremse eingehalten werden muss.
Möglicher neuer Zündstoff in der Ampel
Ein Mikado-Spiel, spottet so mancher Haushaltspolitiker. Wer sich nun bewegt und entgegenkommt, verliert. Und so dreht sich die Debatte eben auch seit Wochen im Kreis. Es geht weiter um Gelder für die Kindergrundsicherung. Ein detailliertes Finanzkonzept von Familienministerin Lisa Paus fehlt, sie bleibt aber bei ihren geforderten zwölf Milliarden Euro für das Sozialprojekt.
Die FDP wisse schon, wofür das Geld sei, erklärte sie jüngst in einem Interview mit der "taz". Lindner lässt sich davon allerdings wenig beeindrucken und weiß bei seinem harten Sparkurs den Kanzler hinter sich.
Einen Bericht des "Spiegel", nachdem Lindner ein so genanntes Haushaltsbegleitgesetz auf den Weg bringen möchte und damit nochmal 20 Milliarden Euro einsparen will, weist sein Ministerium mehrmals zurück. Vorrangig müsste bei Sozialabgaben wie beispielsweise im Arbeits- oder auch Familienministerium eingespart werden, heißt es im Bericht. So ein Konzept könnte neuen Zündstoff in der Ampel bedeuten.
Klar ist, und da ist man sich bei den Haushältern einig: Es muss gespart werden. Das Geld reicht für alle Ampelvorhaben nicht aus. Finanzminister Lindner lehnt sich zurück und bleibt bei seinem Kurs. Auch, um das Profil seiner Partei zu stärken.
Andere Kredite umwidmen?
Die SPD schielt derweil auf die 200 Milliarden im Wirtschaftsstabilisierungsfonds. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte, geplante Kredite aus dem Fonds für andere Vorhaben zu verwenden. Die Energiepreise seien nun bekanntlich doch nicht zu hoch.
Auch Mützenich greift mehrmals den Finanzminister an. Lindner solle "kein Wasser predigen und Wein trinken" - eine Anspielung auf Lindners Idee, die deutsche Wirtschaft mit Investitionsprämien, steuerlichen Forschungsförderungen und neuen Abschreibungsmöglichkeiten zu stärken. Der Ton wird also schärfer.
Doch auch das lässt den Finanzminister kalt und er lässt den SPD-Fraktionschef mit seiner Forderung abblitzen. Es sei verfassungswidrig, das zu tun, eine Zweckentfremdung der Mittel. Auch da stimmen intern ihm viele Haushaltspolitiker in der Ampel zu.
Doch bewegen müsse sich nun etwas - das wollte der SPD-Fraktionsvorsitzende damit klarstellen. Er finde, alle Koalitionspartner sollten für Vorschläge offen sein und nicht aus Reflex bestimmte Dinge ablehnen, sagt Mützenich.
Denn verbunden mit der Haushaltsdebatte ist auch die Frage, wie man das Ampelversprechen, die Umrüstung von Heizungen für alle sozial verträglich zu machen, finanzieren wird. Zwar wurden auch da schon von Wirtschaftsminister Robert Habeck Gelder aus dem Klima- und Transformationsfonds versprochen. Doch wie viele Milliarden Euro das am Ende kosten könnte und wie das nun finanziert wird - auch darum wird derzeit gerungen.
Bewegung bis zur Sommerpause
Die Union schaut dem Haushaltsstreit seit Wochen entnervt zu. Der Streit sei keine Banalität, erklärt Haushaltspolitiker Mathias Middelberg von der CDU. Es sei ein massives Warnzeichen, dass die Regierung nicht handlungsfähig ist. Im Haushalt spiegele sich das politisch-inhaltliche Konzept einer Regierung.
"Die Aufgaben müssen neu priorisiert werden, an einigen Stellen muss schlicht gespart werden", sagte Middelberg. "Die Herausforderungen bei Themen wie Alterssicherung, Krankenversicherung, Digitalisierung oder Migration dürfen nicht weiter geschoben werden."
Aufgeschoben sind nun erstmal die Eckpunkte des Haushaltes. Abgewartet wird nun die Steuerschätzung Anfang Mai, die nicht für große Überraschungen sorgen wird. Bis vor der Sommerpause des Bundestages, so die Hoffnung vieler, wird ein Haushalt von Finanzminister Lindner vorgestellt. Bis dahin müssen sich allerdings noch viele im Kabinett bewegen.