Folgen der Maskenaffäre "Die Gefahr für Laschet ist groß"
Die Maskenaffäre schade der Union, sei heikel für CDU-Chef Laschet und habe das Potenzial, Vorurteile über Politik insgesamt zu befeuern, so Politologe Faas im tagesschau.de-Interview. Und sie könnte auch Einfluss auf den Ausgang von Wahlen haben.
tagesschau.de: Wie kann es überhaupt sein, dass über Bundestagsabgeordnete Masken-Deals eingefädelt werden? Und die Abgeordneten dann auch noch davon finanziell profitieren? Schon hier besteht doch Erklärungsbedarf.
Thorsten Faas: Das ist eine sehr gute Frage. Grundsätzlich dürfen Abgeordnete natürlich Nebentätigkeiten haben. Das ist erstmal nicht verwerflich. Und Kontakte herzustellen, die helfen, durch die Pandemie zu kommen - das ist ja sogar sinnvoll. Aber dafür dann erhebliche Summen zu bekommen, da hört in jedem Fall moralisch der Spaß auf.
Thorsten Faas ist Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Er beschäftigt sich insbesondere mit Demoskopie, Wählerverhalten und Wahlkämpfen sowie der Wechselwirkung zwischen Medien und Politik.
tagesschau.de: Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus schließt nicht aus, dass es in seiner Fraktion weitere Fälle gibt, die SPD für ihre Fraktion hingegen schon. Haben CDU/CSU ein grundsätzliches Problem und ein problematisches Verständnis von Macht, wie die Grünen sagen?
Faas: Da geht der Deutungskampf schon los: Sind es zwei verwerfliche Einzelfälle oder handelt es sich um ein strukturelles Problem bei der Union? In diesen Zusammenhang fällt ja auch der Fall Philipp Amthor, der nun gerade zum Spitzenkandidaten in Mecklenburg-Vorpommern wurde. Das fügt sich gerade alles zu einem unguten Bild für die Union zusammen - und liefert der Opposition Munition. Bislang ist es ein Phänomen der Unionsfraktion, die Nervosität ist daher dort groß.
tagesschau.de: Hier gibt es ja auch eine Vorgeschichte in der Union ...
Faas: Richtig. Die Spendenaffäre in den späten 1990er-Jahren, die Schwarzen Kassen von Helmut Kohl. Der Vorwurf des systemischen Problems ist daher für die heutige Union wirklich heikel. Daher versucht sie alles, Löbel und Nüßlein als Einzelfälle abzutun. Gerade in diesen Zeiten kann diese Affäre der Union erheblich schaden, weil es Vertrauen kosten kann. Und Vertrauen ist in diesen unsicheren Tagen ein maximal kostbares Gut. Zu Recht ist man daher sehr nervös.
tagesschau.de: CDU-Chef Armin Laschet hat sich erst spät zu der Affäre geäußert: nach CSU-Chef Söder, nach seiner Vorgängerin Kramp-Karrenbauer - warum?
Faas: Laschet ist in einer sehr schwierigen Situation. Die zwei wichtigen Landtagswahlen nächsten Sonntag sind für ihn eine erste Bewährungsprobe, und die Vorzeichen standen schon vor der Maskenaffäre aus seiner Sicht nicht gut. Und ganz nach Vorbild Merkel wollte er vielleicht erstmal abwarten, sich die Affäre in Ruhe anschauen und dann zu einer Bewertung kommen - die ja dann auch sehr deutlich war.
Zweifel an Laschet
tagesschau.de: Für die CDU läuft es insgesamt gerade nicht gut. Ihre Minister Spahn und Altmaier sind schwer in der Kritik, schlechtes Corona-Management lautet der Vorwurf, dazu stichelnde Koalitionspartner - wie gefährlich ist die Entwicklung für Laschet?
Faas: Da kommt gerade eine Menge zusammen - und die Gefahr für Laschet ist groß, dass man seine Tauglichkeit als Zugpferd in Frage stellt, noch bevor er richtig angefangen hat. Kann man mit ihm Wahlen gewinnen? Wenn daran Zweifel aufkommen, ist das für den CDU-Chef sehr heikel. Vermutlich wird man daher am Sonntagabend nach den zwei Landtagswahlen strategisch versuchen, die Schuld auf die Maskenaffäre zu schieben, auf die schwachen Spitzenkandidaten - doch ob diese alternativen Erklärungen verfangen, ist eine offene Frage. Sicher ist jedoch: Es wird Laschets Position auf keinen Fall stärken.
tagesschau.de: Die Union liefert sich nun kurz vor wichtigen Wahlen eine unschöne Machtprobe mit den beiden renitenten Volksvertretern, weil sie nicht sofort ihre Mandate niederlegen wollten. Der Druck auf beide ist gewaltig und beide haben ja inzwischen reagiert. Aber der Fall zeigt auch eine gewisse Machtlosigkeit des Fraktionschefs.
Faas: Die Druckmittel sind in der Tat begrenzt. Brinkhaus kann sie lediglich aus der Fraktion ausschließen. Ansonsten sind sie gewählte Abgeordnete des Bundestages, die man nicht mal eben aus dem Parlament rauswerfen kann. Da kann man nur appellieren.
Ein Kanzler Scholz? Nicht völlig ausgeschlossen
tagesschau.de: Was heißt das alles für die Bundestagswahl? Ist der Ausgang womöglich doch offener als bislang angenommen?
Faas: Klares Ja. Das sehen wir ja schon in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, wo es innerhalb weniger Wochen beachtliche Verschiebungen in den Umfragen gab. Da ist eine Menge Dynamik drin - und das gilt natürlich noch umso mehr für die Bundesebene. Hier ist noch alles offen.
tagesschau.de: Sagt Olaf Scholz ja auch ...
Faas: … aus einer etwas anderen strategischen Situation heraus, als ich das hier tue, aber ja: Auch ein Kanzler Scholz ist keinesfalls ausgeschlossen, dafür beobachten wir zu viel Dynamik im Vorfeld von Wahlen in diesen Tagen.
tagesschau.de: Bundestagswahl ist erst im September. Nächsten Sonntag wird in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gewählt. Die CDU-Wahlkämpfer beißen vermutlich gerade in die Tischplatte ...
Faas: Die Maskenaffäre dominiert jetzt die Agenda und produziert massiven Gegenwind für die CDU in einer eh schon schwierigen Situation. Denn diese Affäre wird klar der CDU zugeordnet. Zynisch formuliert könnte man sagen: Die CDU kann darauf hoffen, dass schon möglichst viele Menschen per Briefwahl abgestimmt haben.
Vertrauensverlust in Politik
tagesschau.de: Die Maskenaffäre bestätigt alle, die immer über "die in Berlin" schimpfen. Für das Vertrauen in Politik ist diese Affäre verheerend. Was muss Politik jetzt tun?
Faas: Die Maskenaffäre hat das Potenzial, Politik insgesamt in ein schlechtes Licht zu rücken und verbreitete Vorurteile über Politik zu befeuern. Das bereitet natürlich allen etablierten Parteien Sorge. Solche Affären bedienen einfach das Narrativ populistischer Parteien ganz hervorragend. Auf jeden Fall ist es ein schlechter Auftakt in das Superwahljahr 2021, für einzelne Parteien, aber auch die Demokratie insgesamt.
Das Interview führte Wenke Börnsen, tagesschau.de