Zwei Rentner kaufen auf einem Wochenmarkt ein
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Kabinett beschließt Reform Wie die Rente stabil bleiben soll

Stand: 29.05.2024 17:02 Uhr

Arbeitsminister Heil und Finanzminister Lindner hatten Anfang März die Pläne für das Rentenpaket II gemeinsam verkündet. Doch dann folgte ein monatelanger Streit. Was das Kabinett nun beschlossen hat und woran es weiter Kritik gibt.

Das Bundeskabinett hat mit dem Rentenpaket II eine Wende in der Rentenpolitik eingeleitet. Die heute auf den Weg gebrachte Reform soll die Finanzen der gesetzlichen Rentenversicherung stabilisieren.

Dafür steigt die Ampelkoalition in Aktienanlagen für die gesetzliche Rente ein. Dem heutigen Schritt ging ein monatelanger Streit in der Koalition voraus.

Umstrittenes Rentenpaket II beschlossen - Höhere Beiträge sorgen für Diskussion

Daniel Pokraka, ARD Berlin, tagesthemen, 29.05.2024 22:15 Uhr

Was ist das Ziel der Reform?

Konkret hat die Ampelkoalition mit dem Gesetzespaket zwei Ziele: Die Renten sollen künftig weiter im Einklang mit den Löhnen steigen. Dafür soll das Rentenniveau von 48 Prozent gehalten werden. Zum anderen will die Regierung aus Bundesmitteln ein sogenanntes Generationenkapital aufbauen - also Geld auf dem Aktienmarkt anlegen. 

Laut Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sorgt die Bundesregierung damit dafür, "dass die gesetzliche Rente für alle Generationen stabil und verlässlich bleibt". Die Koalition setze ein Zeichen für Leistungsgerechtigkeit. "Fleißige Menschen bekommen auch in Zukunft nach einem Leben voller Arbeit eine stabile Rente."

Finanzminister Christian Lindner (FDP) sprach bei einem separaten Auftritt von einer "Zäsur" in der Rentenpolitik: "Mit dem Rentenpaket II beginnen wir jetzt, die internationalen Kapitalmärkte für unsere Altersvorsorge arbeiten zu lassen."

Welcher Teil wird für die Rentner eher zu spüren sein?

Die Fixierung des Rentenniveaus. Es sagt aus, wie sich die Renten im Verhältnis zu den Einkommen entwickeln. Angesichts der Alterung der Gesellschaft würde sich laut Arbeitsminister Heil das Rentenniveau in Zukunft "Stück für Stück nach unten bewegen". Grund ist, dass es mit dem Übertritt der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge immer mehr Rentnerinnen und Rentner und weniger Einzahlende gibt.

Jetzt soll eine Haltelinie für das Niveau bis 1. Juli 2039 in der Rentenanpassungsformel verankert werden und bis Mitte 2040 wirken. Die Regierung soll 2035 einen Bericht zur Frage des Rentenniveaus nach 2040 vorlegen. Laut Heils Ministerium fällt durch die Stabilisierung des Rentenniveaus eine Rente von 1.500 Euro im Jahr 2040 um rund 100 Euro pro Monat höher aus - sechs Prozent mehr. 

Was bedeutet das für die Beiträge?

Der Anstieg der Rentenbeiträge soll mithilfe des Generationenkapitals gebremst werden. Heute liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent des Einkommens. Ohne Reform soll er bis 2030 auf 20,2 und bis 2040 auf 21,3 Prozent steigen, so offizielle Prognosen.

Nur eine Sicherung des Rentenniveaus ohne Generationenkapital würde den Beitragssatz laut Gesetzentwurf bis 2040 sogar auf 22,6 Prozent hochtreiben. Mit Hilfe der Zinserträge des Generationenkapitals soll er dann bei 22,3 Prozent verharren.

Was ist das Generationenkapital genau?

Die Regierung will dafür Schulden machen, die nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. In diesem Jahr sind das erst einmal 12 Milliarden Euro, in den kommenden Jahren soll es jeweils etwas mehr werden. Auch Vermögenswerte des Bundes sollen übertragen werden. Bis Mitte der 2030er-Jahre sollen so mindestens 200 Milliarden Euro angelegt werden.

Ab 2036 sind Ausschüttungen in Höhe von durchschnittlich zehn Milliarden Euro jährlich an die Rentenkasse vorgesehen - "soweit dies unter Berücksichtigung eines Sicherheitspuffers zum Schutz von Vermögen und Rückzahlbarkeit der Darlehen möglich ist", so Heils Beamte. 

Wie geht jetzt weiter?

Damit das Generationenkapital noch in diesem Jahr eingerichtet werden kann, drückt die Regierung aufs Tempo. Per Brief bat das Kanzleramt die im Bundesrat versammelten Länder um Fristverkürzung bei den Beratungen, so dass die Länderkammer die Reform bereits am 5. Juli beraten kann.

Auch in der Koalition ist das letzte Wort nicht gesprochen. Die FDP zeigte sich zuletzt gar nicht mehr zufrieden mit den Reformplänen. 

Was kritisiert die FDP?

Den Liberalen sind die künftigen Beitragsbelastungen für die heute jüngere Generation zu hoch. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Johannes Vogel, hatte in einem Interview gesagt: "Das reicht so noch nicht." Die Absicherung sei mit den Heil-Lindner-Plänen nicht generationengerecht. Im Gesetzesverfahren gebe es ausreichend Gelegenheit für Verbesserungen.

Nun lobte FDP-Fraktionschef Christian Dürr das Rentenpaket aber als "Jahrhundertreform". "Zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes profitieren Millionen von Arbeitnehmern und späteren Rentnern von den Kapitalmärkten", sagte er im rbb24 Inforadio

Und was sagen die Grünen?

Die Reform garantiere für ältere Menschen "ein Leben in Würde statt Abrutschen in bittere Armut", sagte Fraktionsvize Andreas Audretsch der Nachrichtenagentur dpa. Die Grünen waren zuvor unzufrieden mit dem Generationenkapital gewesen und hatten auf die Volatilität der Finanzmärkte hingewiesen.

Doch als sich zuletzt wieder SPD und FDP zu Haushalt und Rente in den Haaren lagen, zeigte sich der Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck überrascht. "Das Rentenpaket war eigentlich geeint", sagte er. In seinem Ministerium habe man damit anfangs ein paar Probleme gehabt, "weil uns die schuldenfinanzierte Aktienrente nicht auf Anhieb überzeugt hat". Mit dem Ergebnis könne man aber leben.

Wer findet das Rentenpaket vor allem gut?

Sozialverbände und Gewerkschaften loben die Sicherung des Rentenniveaus grundsätzlich - und fordern noch mehr. So sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der Nachrichtenagentur dpa, ein stabiles Rentenniveau bedeute "Entlastung, bessere Absicherung im Alter und weniger Aufwand für private Vorsorge". DGB, IG Metall und Sozialverbände forderten aber ein höheres Niveau gegen Altersarmut.

Wer hat die größten Bauchschmerzen mit der Reform?

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände trommelt gegen "das teuerste Sozialgesetz dieses Jahrhunderts". "Nachdem die Koalition bereits eine Anhebung des Rentenalters ausgeschlossen hat, gehen damit künftig alle Lasten aus der Alterung auf Kosten der Beitragszahler."

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger kritisiert: "Erneut werden Leistungen versprochen, die langfristig nicht finanzierbar sein werden." Mit immer höheren Sozialbeiträgen komme Deutschland noch schwerer aus dem "wirtschaftlichen Stillstand". 

Kommt ein drittes Rentenpaket?

Die Frage nach darüber hinausgehenden Reformschritten hatte Heil bereits am Dienstag verneint. Ein solches hatten Lindner und seine FDP gefordert - etwa um Anreize für eine längere Lebensarbeitszeit zu geben.

Heil verwies auf derzeit laufende Gespräche mit Wirtschaft und Gewerkschaften. "Es geht darum, dass Menschen, die wollen und können, freiwillig auch länger arbeiten können." Im Sommer werde es Vorschläge dazu geben.

Was zudem noch aussteht: die angekündigte bessere Altersabsicherung von Selbstständigen, die Heil erneut ankündigte. Auch bei der privaten Altersvorsorge will die Koalition noch Dinge verbessern.