ARD-Sommerinterview Esken sieht "Pflicht zur aktiven Wirtschaftspolitik"
Trotz zunehmend schlechter Konjunkturdaten hat die SPD-Vorsitzende Esken der deutschen Wirtschaft eine starke Basis bescheinigt. Diese sollte man mit einer "aktiven Wirtschaftspolitik" unterstützen, die in die "richtige Richtung weist", sagte sie im ARD-Sommerinterview.
Angesichts der schlechten Konjunkturzahlen hat die SPD-Vorsitzende Saskia Esken dazu aufgerufen, die deutsche Wirtschaft nicht "in eine Depression hineinzureden". "Die halbe Miete ist Psychologie", sagte sie im ARD-Sommerinterview. Die deutsche Wirtschaft und vor allem der Mittelstand hätten eine starke Basis, betonte Esken.
Gleichzeitig hält sie auch politisches Einlenken für nötig - das nannte sie "Pflicht zur aktiven Wirtschaftspolitik": "Wir als SPD machen schon seit Längerem sehr deutlich, dass wir die Pflicht zu einer aktiveren Industrie- und Wirtschaftspolitik haben", sagte die Politikerin. Diese sollte in die "richtige Richtung weisen", die Infrastruktur vorhalten, Staatsinvestitionen beinhalten und gleichzeitig Investitionen aus der Wirtschaft anfordern.
Ja zum Brückenstrompreis
Angesprochen auf konkrete Konjunkturmaßnahmen etwa bei der Bekämpfung der hohen Inflation differenzierte Esken: Viele dieser Maßnahmen wie eine Senkung der Mehrwertsteuer seien nur kurzfristig wirksam. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen durch bessere Löhne - den höheren Mindestlohn und bessere Tariflöhne - die steigenden Preise tragen können." Gleichzeitig müsse man durch kluge Zinspolitik die Inflation in den Griff bekommen.
Esken sprach sich für einen Brückenstrompreis aus - also staatlich finanzierte Strompreisrabatte für Industrieunternehmen. Dagegen sperrt sich allerdings noch Bundeskanzler Olaf Scholz.
Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Klimageld für Bürgerinnen und Bürger - Leistungen als Ausgleich für die Belastung durch steigende CO2-Preise - komme aber nicht vor 2025.
Bevölkerung beim Thema Klimaschutz motivieren
Mit Blick auf die Klimapolitik räumte Esken ein, in der Kommunikation um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) nicht alles richtig gemacht zu haben, obwohl man damit ihrer Aussage nach einen wichtigen Schritt beim Klimaschutz gemacht habe.
Die Ampelparteien hatten monatelang über das GEG mit den Heizungsregeln gestritten. In der Folge brach der Absatz von Wärmepumpen ein. Die Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag wurde vor der Sommerpause vom Bundesverfassungsgericht gestoppt und soll nun Anfang September erfolgen. Den Vorwurf, dass in diesem Bereich Politik nach Umfragen gemacht werde, wies Esken entschieden zurück.
Im anschließenden Online-Format "Frag selbst" bezeichnete die SPD-Vorsitzende die Klimapolitik als eine "wirklich wichtige Aufgabe". In Anbetracht der Warnungen von Forschern, Deutschland könnte die Klimaziele verfehlen, versprach Esken, alles daran zu setzen, die Vorhaben wirksam umzusetzen. Dazu gehöre es auch, die Bevölkerung bei notwendigen Maßnahmen zu unterstützen und zu klimaorientiertem Handeln zu motivieren.
"Mehr Gehirnschmalz" in den sozialen Wohnungsbau stecken
Einiges getan werden sollte laut Esken auch beim Thema Wohnungsnot: "Da muss tatsächlich noch mehr Gehirnschmalz rein", sagte sie. Das Land müsse bei der Planung und der Genehmigung von Sozialwohungen schneller werden und mehr investieren. Es müsse sich wieder lohnen, sozialen Wohnungsbau zu betreiben, so die SPD-Chefin.
Zuversichtlicher Blick auf Parteizukunft
Angesprochen auf die schlechten Umfragewerte ihrer Partei zeigte sich Esken zuversichtlich: "Die Partei ist in ihrer Spitze und in der Zusammenarbeit mit Regierung und Fraktionen geeint wie nie zuvor. Das macht uns stark und zuversichtlich für die Zukunft", sagte sie. Obwohl die Sozialdemokraten derzeit als die größten Verlierer der Ampelparteien dastehen, ist die Vorsitzende überzeugt, dass die SPD mit ihrer Politik punktet und die Menschen erreicht.
Auf eine Zuschauer-Frage bei "Frag Selbst" eingehend, bescheinigte Esken der SPD eine gute Arbeit seit der Regierungsübernahme. In Anbetracht der Situation, in welcher die Ampelkoalition die Führung übernommen habe, blicke man auf die vergangenen zwei Jahre "mit großer Zufriedenheit". "Wir haben den Sozialstaat modernisiert und vorangebracht." Jetzt komme es darauf an, im Herbst die richtigen Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft zu vorschlagen, damit auch diese sich nach vorne entwickelt, so Esken.
Hoffnung, Kürzungen bei politischer Bildung abzuwenden
Nichtsdestotrotz sorgt sich die Politikerin um die Zukunft der politischen Bildung im Land und setzt darauf, die geplanten Kürzungen in diesem Bereich noch abwenden zu können. Bei "Frag selbst" verwies Esken auf das "Königsrecht" des Parlaments, den Haushalt zu beschließen. Die SPD werde "ganz stark drauf achten, dass genau diese Themen nicht rasiert werden".
Dass der Etat der Bundeszentrale für politische Bildung im nächsten Jahr um 20 Millionen auf 76 Millionen Euro gekürzt werden soll, kommentierte Esken mit den Worten: "Das tut natürlich weh." Man müsse vielmehr zusehen, wie man die Bundeszentrale stärken könne. Es gebe aber auch andere Themen wie die Beratung von Migranten. "Ich zähle da auf die Stärke des Parlaments", betonte Esken.
"Klare Kante" gegen AfD
Auf den Umgang ihrer Partei mit der AfD angesprochen, sagte Esken, sie werde eine Zusammenarbeit selbst auf lokaler Ebene auch weiterhin nicht "befürworten". Sollte es - wie in der Vergangenheit etwa im thüringischen Hildburghausen bei der Abwahl eines Bürgermeister geschehen - zu einem gemeinsamen Abstimmungsverhalten kommen, würde man "schon auch mit den Genossinnen und Genossen vor Ort sprechen". Von der Bundesspitze der SPD komme da "eine klare Kante".
Man müsse in den Kommunen, Ländern und im Bund, "die Brandmauer gegenüber dieser klar rechtsradikalen Partei hochziehen". Den Versuch eines AfD-Verbots schließe sie dabei nicht aus, sollte es dafür ausreichend Erkenntnisse des Verfassungsschutzes geben.