Sahra Wagenknecht Oft in Talkshows, selten im Parlament
Sie ist eine der bekanntesten Abgeordneten. Doch weil Wagenknecht selten im Bundestag anzutreffen ist, hagelt es Kritik. Die Union wirft ihr eine Missachtung des Parlaments vor - und auch Fraktionskolleginnen sind entrüstet.
Wo ist Frau Wagenknecht? Diese Frage hat in der vergangenen Sitzungswoche sogar Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion bewegt. Oppositionsführer Friedrich Merz meinte: "Es wäre doch ganz schön, wenn die Kollegin hier wäre, anstatt in Deutschland durch jede Fernsehsendung zu gehen."
Tatsächlich scheint Wagenknecht in den Medien präsenter zu sein als im Parlament. Beispielsweise in der vergangenen Woche: Montagabend sitzt Wagenknecht beim Talk-Format "Hart aber Fair", am Freitagabend spricht sie bei einer Veranstaltung mit mehreren hundert Besuchern in Schweinfurt. Dazwischen ist sie nach Angaben ihres Büros wegen einer starken Erkältung abwesend.
Philipp Amthor von der CDU ruft in einer aktuellen Stunde, beantragt von der Linken, entrüstet in den Plenarsaal: "Wo ist Frau Wagenknecht eigentlich? Sie ist nicht mehr hier, die letzten neun Abstimmungen hat sie verpasst, ihre aktuelle Stunde auch. Sie sollten lieber in den eigenen Reihen aufräumen, liebe Kolleginnen und Kollegen."
Wagenknecht spricht von "Terminkollisionen"
Das gibt zwar Applaus von der Union. Doch bei der Linken verhallt der Ruf. Die Fraktionsleitung will der Presse nichts dazu sagen und lässt entsprechende Anfragen unbeantwortet. Tatsächlich ist auf den Listen, die der Bundestag veröffentlicht, zu sehen, dass Sahra Wagenknecht zumindest bei den letzten neun namentlichen Abstimmungen des Jahres 2022 abwesend war. Übrigens nicht als einzige. Im gleichen Zeitraum fehlte ihre Parteifreundin und Weggefährtin Sevim Dagdelen immerhin achtmal.
Wagenknecht verteidigt sich in einer Mail an das ARD-Hauptstadtstudio, sie sei leider mehrfach krankgeschrieben gewesen und habe deshalb an etwa 30 Sitzungstagen und den angesetzten namentlichen Abstimmungen nicht teilnehmen können. Zum Teil habe sie ganze Sitzungswochen krankheitsbedingt versäumen müssen.
Allerdings erklärt das noch nicht alles. Denn Wagenknecht beteuert zwar ihre Bemühungen, an namentlichen Abstimmungen teilzunehmen, räumt aber ein, dass es aus ihrer Sicht manchmal nicht anders geht. Dazu schreibt sie: "Bei namentlichen Abstimmungen ist es leider so, dass diese meist kurzfristig angesetzt werden (...), so dass sich terminliche Kollisionen nicht in jedem Fall vermeiden lassen."
Die prominenteste Politikerin der Linken gibt zu, dass sie nicht zu Bundestagssitzungen geht, weil sie "Medientermine, Sendungsaufzeichnungen oder öffentliche Veranstaltungen" wahrnimmt. "Terminkollisionen" nennt sie das. Der Unionsabgeordnete Johann Wadephul spricht von "Missachtung des Parlamentes" und erinnert daran, dass Wagenknecht für ihre Arbeit als Abgeordnete immerhin eine Diät erhält.
Im Fernsehen mehr erreichen?
Auch die Wagenknecht-Gegner in den Reihen der Linksfraktion murren, sagen, dass das schon seit Jahren so gehe, wollen sich aber aktuell nicht äußern. Allerdings platzte Kathrin Vogler schon im vergangenen Herbst der Kragen. Sie schrieb bei Twitter: "Mir reicht es. Wir reißen uns hier den A… auf, um fundiert, zugespitzt nachvollziehbar Alternativen zur Ampel-Politik zu formulieren, sozialen Protest zu fördern und die permanente Hetze der AfD zu kontern. Dann trendet wieder die faulste Abgeordnete mit völlig verrutschtem Kompass."
Verrutscht wohl, weil Wagenknecht zwar als Linken-Abgeordnete in den Bundestag gekommen ist, aber immer weniger die Partei und deren Programm vertritt. Dazu kommt noch: Auch bei Fraktionssitzungen, Klausurtagungen und Parteitagen glänzt Wagenknecht durch Abwesenheit.
Ihre Anhänger argumentieren anders: Sahra könne im Fernsehen viel mehr für sie erreichen als im Bundestag oder bei irgendwelchen Sitzungen, sagen die. Die Kritisierte selbst weist den Vorwurf der Arbeitsverweigerung zurück. Und zwar mit Verve: "Absurd" findet Wagenknecht das. Stattdessen Eigenlob und ein Hinweis auf die Aufmerksamkeit, die sie genießt: "Ich habe öffentlichkeitswirksamer Oppositionsarbeit gemacht als viele andere Abgeordnete. Meine letzte Bundestagsrede zum Ukraine-Krieg ist allein auf meinem eigenen Youtube-Kanal von mehr als 1,3 Millionen Menschen angeschaut worden."
Wagenknecht argumentiert auch, dass sie mit ihrer Video-Wochenschau eine Reichweite erzielt, auf die kein anderer deutscher Politiker kommt. Sie schreibt vom Dialog mit den Bürgern bei ihren Veranstaltungen. Da also ist Frau Wagenknecht.