Interview mit Behördenchef Warum das BKA die PanamaPapers kauft
Das Bundeskriminalamt hat die im vergangenen Jahr veröffentlichten PanamaPapers gekauft. BKA-Chef Münch spricht im tagesschau.de-Interview über Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche, Steuerbetrug und Organisierte Kriminalität - und worüber der Datensatz noch Aufschluss geben kann.
tagesschau.de: Herr Münch, wie groß ist der Datensatz?
Holger Münch: Wir verfügen über einen Datensatz von etwa 2,8 Terabyte und deutlich über elf Millionen Datensätzen, die wir jetzt strukturiert auswerten. In einem ersten Schritt beantworten wir die Fragen der Bundesländer in laufenden Verfahren der Wirtschaftskriminalität insbesondere, um mögliche Bezüge und Beweismittel sicherzustellen. Und dann werden wir strukturiert nach Bezügen nach Deutschland suchen, analysieren. Das wird eine gewisse Zeit kosten. Und im Weiteren auch mit ausländischen Partnern zusammenarbeiten, auch deren Fragen beantworten und auch hier weitere analysieren, um Straftaten aufzudecken. Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche, das ist unser Fokus. Aber natürlich sind auch eine Menge an Steuerstraftaten zu vermuten. Deshalb arbeiten wir so eng mit Finanzbehörden zusammen.
tagesschau.de: Was hat Sie veranlasst zuzuschlagen?
Münch: Wir sind schon länger an dem Thema dran. Es ist so, dass über PanamaPapers berichtet wurde. Die Medien waren im Besitz der Papiere, aber nicht Strafverfolgungsbehörden. Insofern haben wir uns über einen längeren Zeitraum bemüht, an diese Papiere, an diese Beweismittel zu kommen. Und das war das Ziel. Und es ist uns gelungen, auch exklusiv als Strafverfolgungsbehörde, als einzige Strafverfolgungsbehörde auf der Welt, diese Papiere zu haben. Deshalb wollen wir sie nicht für uns behalten, sondern damit sehr intensiv arbeiten. Und auch mit unseren Partnern zusammenarbeiten.
tagesschau.de: Geht es nur um Steuerdelikte?
Münch: Wir als Polizeibehörde haben ja die steuerlichen Verstöße nicht im Fokus, sondern andere strafrechtliche. Natürlich werden wir den Datenbestand auch danach durchsuchen, ob wir auf Personen stoßen, die wir zum Beispiel aus der Organisierten Kriminalität kennen. Das ist natürlich ein klares Zielspektrum für uns, gerade solche Taten aufzudecken.
tagesschau.de: Wie ist die weitere Vorgehensweise?
Münch: Wir haben zunächst eine Sondereinheit von 20 Mitarbeitern gegründet, um strukturiert an dieses Datenmaterial heranzugehen. Im ersten Schritt wird es so sein, dass wir nach Beweisen suchen zu laufenden Verfahren hier in Deutschland. Im zweiten Schritt die Auswertung auf Bezüge nach Deutschland im gesamten Datenbestand. Das ist nicht trivial bei dieser Größenordnung. Und im dritten Schritt werden wir Anfragen ausländischer Partner über den Rechtshilfe-Verkehr beantworten. Und dann auch weiter auswerten. Das wird eine gewisse Zeit kosten. Wir können uns jetzt noch nicht abschließend ein Bild machen, wie lange das dauert. Aber ich rechne mit einem Ermittlungsaufwand der viele, viele Monate andauert. Und sicherlich auch über 2017 hinausgeht.
tagesschau.de: Wird es eine Aufstockung des Personals geben?
Münch: Das werden wir sehen bei dem Auswerten. Das erste ist, möglichst schnell ein Bild zu bekommen und einen Überblick über die Verfahren, die zum Teil schon laufen und die wir anstoßen können mit diesem Material. Und dann werden wir entscheiden – gemeinsam, möglicherweise auch mit den Ländern, die davon betroffen sind, wie wir das stemmen können. Und natürlich muss man dann auch Prioritäten-Entscheidungen treffen können. Aber der erste Schritt ist die Auswertung, Überblick verschaffen, und dann werden wir den nächsten Schritt gehen.
tagesschau.de: Wie sieht die Einbindung der Staatsanwaltschaft aus?
Münch: Wir arbeiten eng zusammen mit der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Das ist schon länger so. Wir haben große Verfahren, große Wirtschaftsstrafverfahren, gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt geführt. Wir haben eine örtliche Nähe. Wir haben den Finanzplatz Frankfurt. Es gibt viele Gründe, warum wir diese Beziehung eingegangen sind. Und über diesen Weg wird es dann auch zu Kooperationen mit anderen Staatsanwaltschaften in Frankfurt kommen. Je nachdem, um welches Material es geht, aber erst einmal ist der Partner die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt.
Das Interview führte Michael Stempfle, ARD-Hauptstadtstudio Berlin. Mitarbeit: Henning Hertel