Interview

Interview mit Verteidigungsminister Jung "Wenn alle so viel leisteten, gäbe es die Diskussion nicht"

Stand: 09.02.2008 05:28 Uhr

Die USA drängen Deutschland zu Einsätzen in ganz Afghanistan. Doch Verteidigungsminister Jung will die Bundeswehr nicht zusätzlich in den Süden, Osten oder Westen schicken. Deutschland leiste bereits mehr als andere Länder, so Jung im Tagesthemen-Interview mit Tom Buhrow.

Die USA drängen Deutschland zu Einsätzen in ganz Afghanistan. Doch Verteidigungsminister Jung will die Bundeswehr nicht zusätzlich in den Süden, Osten oder Westen schicken. Deutschland leiste bereits mehr als andere Länder, so Jung im Tagesthemen-Interview mit Tom Buhrow.

Tom Buhrow: Herr Jung, Bundeskriminalamt und Innenministerium warnten heute ausdrücklich vor Anschlägen in Deutschland und zwar wegen unseres Afghanistan-Einsatzes. Also aus der Zielscheibe sind wir mit unserer Beschränkung auf den Norden Afghanistans nicht.

Franz Josef Jung: Also Tatsache ist, dass wir unseren Beitrag in Afghanistan leisten für Stabilität und friedliche Entwicklung, aber auch im Interesse der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Afghanistan war der Ausgangspunkt für terroristische Anschläge, beispielsweise am 11.September in New York, und deshalb denke ich, ist es auch in unserem Interesse, wenn wir alles daran setzen, dass es in Afghanistan Stabilität und friedliche Entwicklung gibt.

Buhrow: Der amerikanische Verteidigungsminister Gates warnte uns europäische Bürger noch auf dem Weg nach München. Er sagte, vom Erfolg der Afghanistan-Mission hinge direkt unsere Sicherheit ab, und er wendet sich ausdrücklich an die europäischen Bürger, nicht die Regierungen. Also vielleicht ist das eine Aufforderung, auch an die deutsche Regierung endlich ehrlich mit den Bürgern über diesen Einsatz zu reden.

Jung: Ich habe immer gesagt, wenn Freunde in Not sind, helfen wir ihnen, und wir helfen auch im Süden. Denn der Einsatz der Tornados zur Aufklärung findet zu 32 Prozent im Süden statt. Wir haben jetzt Unterstützung geleistet durch Lufttransport mit unseren Transall. Ich habe noch einmal erhöht auf acht Transall. Wir haben auch in Kandahar und Bagram zur Führungsunterstützung Soldaten. Das heißt im Klartext: Wir helfen Freunden dort, wo sie in Not sind. Aber wir haben ein sehr klares Gebiet im Norden. Im übrigen dort mit rund 4000 Soldaten. Im Süden und Osten sind es 37.000 Soldaten. Wir können und müssen unsere Verantwortung im Norden wahr nehmen, weil wir, denke ich, ein gemeinsames Interesse haben, Gesamtafghanistan zu entwickeln.

Buhrow: Aber die andere Nato-Partner üben ja schon starken Druck auf uns aus. Die Kanadier sagten schon, sie wollen sich ganz zurück ziehen wenn ihnen niemand zu Hilfe käme. Und dieser ganze Kompromiss - Deutschland bleibt im Norden, hilft aber ab und zu im Süden - schützt uns ja nicht ewig. Frankreich erwägt ja schon, den Kanadiern im Süden mit 700 Fallschirmjägern auszuhelfen. Und dann hätten sie das Thema schon im April beim nächsten Nato-Gipfel in Bukarest wieder auf dem Tisch.

Jung: Also wir haben ausführlich darüber gerade in Vilnius gesprochen. Der kanadische Kollege hat deutlich gemacht, dass er 1000 Soldatinnen und Soldaten aus seiner Sicht braucht zur Unterstützung von Seiten der Nato, aber dieses Signal ist auch von Vilnius ausgegangen. Sie haben gerade gesagt, dass Frankreich hier Verstärkung leisten will, andere Nationen haben dies auch getan. Wenn alle so viel leisten würden wie wir, hätten wir diese Diskussion gar nicht. Und deshalb denke ich, dass es nicht eine Anfrage ist, die sich an die Bundesrepublik Deutschland richtet, sondern die sich an die Nato insgesamt richtet. Das war auch unser Gesprächsinhalt in Vilnius.