Interview

Interview nach der Bundespräsidentenwahl Signal für Schwarz-Gelb oder alles offen?

Stand: 24.05.2009 05:43 Uhr

Ist nach der Wiederwahl Köhlers nun Schwarz-Gelb im Bund vorgezeichnet? Zumindest sei es "psychologisch begünstigt", meint Politologe Langguth im Gespräch mit tagesschau.de. Und die SPD könne aufatmen: Mit Schwan sei "die letzte Altlast der Ära Beck" beseitigt.

Was bedeutet die Wiederwahl Köhlers für die Bundestagswahl? Ist Schwarz-Gelb vorgezeichnet? Zumindest sei es "psychologisch begünstigt", meint Politologe Langguth im Gespräch mit tagesschau.de. Und die SPD könne aufatmen: Mit Schwan sei "die letzte Altlast der Ära Beck" beseitigt.

tagesschau.de: Kann Horst Köhler mit dem knappen Wahlergebnis zufrieden sein?

Gerd Langguth: Auch vor fünf Jahren wurde er nur mit einer Stimme Mehrheit gewählt. Rein psychologisch ist es für ihn gut, dass er bereits im ersten Wahlgang gewonnen hat. Wenn es einen zweiten oder dritten Wahlgang gegeben hätte, würde die Umstrittenheit eines Präsidenten nach außen getragen werden.

Es können im Prinzip alle Fraktionen mit dem Ergebnis leben. Nicht nur Union und FDP, sondern auch die Linkspartei, weil ihr Kandidat mehr als ihre eigenen Stimmen erhalten hat. Im rot-grünen Lager gab es offensichtlich einige Abweichler, zumal die Kandidatur Schwan in den eigenen Reihen umstrittener war als es nach außen schien. Aber der SPD blieb zumindest ein quälender zweiter oder dritter Wahlgang erspart.

"Das Thema Schwan ist jetzt beseitigt"

tagesschau.de: Kann die SPD nach der Niederlage deswegen in Bezug auf die Bundestagswahl aufatmen?

Langguth: Es wäre für die SPD ein großes Problem gewesen, dagegen zu argumentieren, dass man bei der Bundespräsidentenwahl ein Bündnis mit der Linkspartei eingeht - bei der Bundestagswahl aber nicht. Nun hat Köhler zwar gewonnen, aber ohne ein grandioses Ergebnis mit knappster denkbarer Mehrheit. Das Thema Schwan ist jetzt beseitigt und damit die letzte Altlast aus der Ära von Parteichef Kurt Beck.

Das Thema einer möglichen Koalition der SPD mit der Linkspartei ist damit nicht weg. Aber es hat nicht die Schärfe, die es bei einer Stimmenkoalition zwischen SPD und der Linkspartei im dritten Wahlgang bekommen hätte.

"In der Union auch Unzufriedenheit mit Köhler"

tagesschau.de: Wie erklären Sie sich, dass die Linkspartei billigend in Kauf genommen hat, mit einem eigenen Kandidaten die Chancen von Köhler zu erhöhen statt einer SPD-Kandidatin ins Amt zu helfen?

Langguth: Dass sich die Linkspartei mit einer gemeinsamen Strategie mit der SPD schwer tat, hängt mit dem gestörten Verhältnis von Oskar Lafontaine zu seiner Ursprungspartei SPD zusammen.

Zur Person

Gerd Langguth ist Professor für Politische Wissenschaft an der Universität Bonn. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Politik der Union. Von ihm sind bereits Biographien über Angela Merkel und Horst Köhler erschienen.

tagesschau.de: Sehen Sie im Wahlergebnis für Köhler ein Vorzeichen für eine mögliche schwarz-gelbe Koalition im Bund?

Langguth: Zumindest ist eine Koalition zwischen CDU/CSU und FDP psychologisch begünstigt. Man stelle sich vor, Köhler wäre nicht mehr angetreten. Dann hätte Westerwelle mit Merkel gestritten, ob es einen gemeinsamen Kandidaten gibt. So war man sich einig. Köhler wird im Nachhinein vielleicht sogar dankbar sein, dass Schwan kandidiert hat. Auf diese Weise wurde das Lager, das sich selbst als bürgerlich bezeichnet, zur Geschlossenheit gezwungen. Es gab manche in der Union, die mit dem Präsidenten höchst unzufrieden waren.

"Wirtschaftskrise dürfte Wahlkampf bestimmen"

tagesschau.de: Hat die SPD nun mehr oder weniger Chancen, bei der Bundestagswahl zu gewinnen?

Langguth: Das Ergebnis der Bundesversammlung ist bei der Bundestagswahl nicht sehr erheblich. Obwohl viele SPD-Wähler kein Verständnis dafür hatten, dass ein so beliebter Mann wie Horst Köhler nicht auch von der SPD unterstützt wird.

tagesschau.de: Was werden die Hauptwahlkampfthemen sein?

Langguth: Mit Sicherheit die Wirtschaftskrise und die Finanzpolitik. Die CDU wird mit dem Motto "Krisenzeiten sind Kanzlerzeiten" punkten wollen. Auch die SPD wird mit Finanzminister Steinbrück zu gewinnen versuchen. Schwieriger hat es Außenminister Steinmeier, dessen Themen in solchen Zeiten nicht hart genug sind.

Zweitens wird trotz des Ergebnisses in der Bundesversammlung eine mögliche Zusammenarbeit mit der Linkspartei als Thema aufkommen. Kurz vor der Bundestagswahl finden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und im Saarland statt - bei denen sich diese Frage auch stellt.

tagesschau.de: Was erwarten Sie von einer zweiten Amtszeit Köhler?

Langguth: Nicht viel Neues.

Das Interview führte Corinna Emundts, tagesschau.de

Mehr dazu am Sonntag um 18.30 Uhr im Ersten im Bericht aus Berlin.