Interview mit Erhard Eppler "Früher waren die Auseinandersetzungen härter"
Für viele in der SPD ist er das personifizierte Gewissen der Partei: Erhard Eppler, der schon unter Willy Brandt Entwicklungshilfeminister war. Im Interview mit tagesschau.de spricht er über Wolfgang Clement, über Parteiräson und erklärt, warum im Vergleich zu früher alles halb so schlimm ist.
Für viele in der SPD ist er das personifizierte Gewissen der Partei: Erhard Eppler, der schon unter Willy Brandt Entwicklungshilfeminister war. Im Interview mit tagesschau.de spricht er über Wolfgang Clement, über Parteiräson und erklärt, warum im Vergleich zu früher alles halb so schlimm ist.
tagesschau.de: Wie beurteilen Sie die Entscheidung der Bundesschiedskommission, Wolfgang Clement zu "rügen" und ihn nicht aus der Partei auszuschließen?
Erhard Eppler: Ich war natürlich nicht bei der Verhandlung dabei und weiß auch nicht was Wolfgang Clement im Vorfeld dazu beigetragen hat, einen Ausschluss abzuwenden. Aber ich nehme an, dass die Bundeschiedskommission den Fall sorgfältig geprüft und letztendlich auch richtig entschieden hat.
tagesschau.de: Lädt die Bundesschiedskommission mit ihrem vergleichsweise milden Urteil nicht andere SPD-interne Kritiker dazu ein, ähnlich zu agieren wie Wolfgang Clement vor der Landtagswahl in Hessen?
Eppler: Ich glaube nicht. Die Frage, ob dieses Urteil sich im Interesse der Partei als das richtige erweist, kann man vielleicht in ein bis zwei Jahren beantworten. Aber das ist jedes Mal so, wenn eine Schiedskommission entscheiden muss.
tagesschau.de: Hätten Sie anders entschieden?
Eppler: Nein, ich hätte wahrscheinlich genauso entschieden wie die Kommission. Ich hoffe nur inständig, dass Clement zukünftig versucht - bei allem Verständnis für seine eigene Meinung - die nötige Rücksicht auf die Gesamtpartei zu nehmen.
tagesschau.de: Hätte es bei einem weniger prominenten SPD-Mitglied auch ein solch aufwändiges Verfahren gegeben?
Eppler: Die Bundesschiedskommission ist so zusammengesetzt, dass die Bekanntheit oder Nicht-Bekanntheit des zu Beurteilenden keine Rolle spielt.
tagesschau.de: Ist die Entscheidung der Bundesschiedskommission auch ein Urteil über den Kurs der Hessen-SPD unter Andrea Ypsilanti?
Eppler: Nein, ich bin ganz sicher, dass das für die Bundesschiedskommission keine Rolle gespielt hat. Genauso wenig, wie etwa die Agenda 2010 eine Rolle gespielt hat. Lediglich eine Frage war von Bedeutung: Gab es Äußerungen, die so rücksichtslos gegenüber der Partei sind, dass sie einen Ausschluss begründen können? Offenkundig hat Wolfgang Clement einiges dazu beigetragen, dass die Kommission zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das nicht der Fall war.
Erhard Eppler wurde am 9.12.1926 in Ulm geboren und gilt als Vertreter des linken SPD-Flügels. Mit 29 Jahren trat er in die Partei ein und war ab 1970 mehrfach Mitglied des Parteipräsidiums. Von 1968 bis 1974 war der Doktor der Philosophie auch Bundesentwicklungsminister. Eppler führte von 1973 bis 1981 den Landesverband der SPD in Baden-Württemberg. Im Anschluss engagierte er sich in der Friedens- und Ökologiebewegung. Eppler war wesentlich an der Überarbeitung des Entwurfs für das neue Grundsatzprogramm der SPD beteiligt.
tagesschau.de: War bei der Entscheidung der Kommission auch die momentane Sehnsucht der SPD nach mehr Geschlossenheit innerhalb der Partei von Bedeutung?
Eppler: Ja, sicher. Dieses Urteil ist ein Beitrag zum Zusammenhalt und der Geschlossenheit innerhalb der Partei. Ich hoffe nur, dass auch Wolfgang Clement dies so sieht - und sich entsprechend verhält.
tagesschau.de: Wenn Sie den aktuellen Zustand der SPD mit Ihren aktiven Zeiten vergleichen: Wie sind Sie momentan mit der SPD zufrieden?
Eppler: Die Auseinandersetzungen innerhalb der Partei waren - wenn Sie etwa an die 70er Jahre denken - früher sehr viel härter und grundsätzlicher als heute. Dagegen sind die heutigen Differenzen Kleinigkeiten. Damals ging es um grundsätzlichere Fragen. Ist man für oder gegen die Atomenergie? Ist man für oder gegen die Stationierung von Raketen? Heute geht es darum, ob man das Arbeitslosengeld I ein paar Jahre länger oder kürzer bezahlt. Das sind sehr viel geringere Streitpunkte.
Das Interview führte Niels Nagel, tagesschau.de