Gesetzliche Krankenversicherung Zusatzbeitrag soll 2023 deutlich steigen
Auf die Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen kommen 2023 deutlich höhere Ausgaben zu. Der Zusatzbeitrag soll um 0,3 Prozentpunkte angehoben werden. Die Krankenkassen warnen, dass trotzdem ein milliardenschweres Finanzloch droht.
Der Zusatzbeitrag für Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) wird im kommenden Jahr steigen - um 0,3 Prozentpunkte. Das kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach an.
Bei den Krankenkassen setzt sich der Beitrag aus dem allgemeinen Beitragssatz in Höhe von derzeit 14,6 Prozent des Bruttoeinkommens und einem Zusatzbeitrag zusammen. Diesen kann jede Kasse für sich festlegen. Beide Beitragsteile werden je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezahlt. Derzeit liegt der Zusatzbeitrag im Durchschnitt bei 1,3 Prozent.
GKV rechnen mit Finanzlücke von rund 17 Milliarden Euro
Wiederholt hatten die Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) gewarnt, dass ihnen eine milliardenschwere finanzielle Lücke im kommenden Jahr droht. Die Vorstandschefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, rechnet damit, dass den Krankenversicherungen nach jetziger Schätzung 2023 rund 17 Milliarden Euro fehlen werden.
Die Verantwortung sieht sie auch bei der Politik. Nötig sei grundsätzlich eine höhere nachhaltige Regelfinanzierung, statt "unsteten Sonderfinanzierungen", mahnte Pfeiffer. In diesem Jahr sollen die Gesetzlichen Krankenkassen vom Bund mit insgesamt rund 28,5 Milliarden Euro bezuschusst werden - auch, um den Zusatzbeitrag noch auf derzeitigem Niveau halten zu können.
Gesetz für schnellere Terminvergabe - "ein Reinfall"
Wie Pfeiffer nennt auch der Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, das sogenannte Terminservicegesetz eine politische Fehlentscheidung. Die Ausgaben für diese Regelung von rund vier Milliarden Euro "hätte man sich sparen können", kritisierte Baas im "Spiegel". Mit dem Gesetz sollten gesetzliche Versicherte schneller einen Termin beim Arzt erhalten können. Doch letzten Ende habe sich die neue Terminregelung als "Reinfall" entpuppt, so Baas: "Es sollte den Versicherten das Gefühl geben: Guck mal, wir haben was gemacht, damit du schneller einen Termin kriegst. Gleichzeitig befriedet es die Ärzte, weil sie deutlich mehr Geld abrechnen können", sagte der Chef von Deutschlands größter Krankenkasse. Der Effekt sei aber "überschaubar".
Lauterbach zufolge sollen durch das Plus beim Zusatzbeitrag bis zu fünf Milliarden Euro eingenommen werden. Außerdem soll ein erhöhter Steuerzuschuss in Höhe von zwei Milliarden Euro helfen, das Defizit der Krankenkassen zu schmälern. Des Weiteren will der Bund den Kassen ein Darlehen in Höhe von einer Milliarde Euro gewähren. Weitere Milliarden sollen laut Lauterbach aus den Rücklagen der Krankenkassen und des Gesundheitsfonds zusammenkommen, aus einer Abgabe der Pharmaindustrie in Höhe von einer Milliarde Euro sowie durch Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen
Der Bundesgesundheitsminister gab an, lange über die Anhebung des Zusatzbeitrags mit Bundesfinanzminister Christian Lindner verhandelt zu haben - unter der gemeinsamen Prämisse, die Schuldenbremse einhalten und Steuererhöhungen vermeiden zu wollen. Auch Lauterbach sieht bei den Gründen für das "historische Defizit" der Gesetzlichen Krankenkassen politische Versäumnisse. Er schreibt diese allerdings seinem Vorgänger im Amt, Jens Spahn, zu. Der CDU-Politiker habe "teure Leistungsreformen" gemacht und von Strukturreformen Abstand genommen. So sei das Defizit in der Pandemiezeit entstanden.
GKV fordert niedrigere Mehrwertsteuer auf Medikamente
Doch aus Sicht der GKV-Vorstandschefin Pfeiffer wird das nicht reichen. Um das von ihr genannte 17 Milliarden Euro umfassende Minus, das 2023 zu erwarten sei, auszugleichen, müsse der Zusatzbeitrag um 1,1 Prozentpunkte angehoben werden. Rein rechnerisch entsprechen 0,1 Punkte beim Beitragssatz demnach Einnahmen von 1,6 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr hatten die Gesetzlichen Krankenversicherungen ein Defizit von 5,8 Milliarden Euro verzeichnet. In diesem Jahr sei nicht mit einer solchen Summe zu rechnen, so Pfeiffer.
Sie schlägt unter anderem vor, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel zu senken. Es handele sich um lebenswichtige Produkte, sagte Pfeiffer. Eine Senkung von den vollen 19 Prozent auf den ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent würde sechs Milliarden Euro Entlastung bringen. Der Verband forderte zudem, den bei 14,5 Milliarden Euro im Jahr "eingefrorenen" regulären Zuschuss aus dem Bundesetat bei steigenden Ausgaben regelmäßig zu erhöhen. Zudem seien die Pauschalen, die der Staat als Kassenbeiträge für Hartz-IV-Empfänger zahle, deutlich zu niedrig.